Pexels/Lazzarini - All rights reserved
Aus der Lobbywelt

Lobbyeinfluss in den Koalitionsverhandlungen?

Union und SPD handeln den Koalitionsvertrag aus und stellen die Weichen für die nächsten vier Jahre. Doch Lobbyist*innen verhandeln mit.

von 21. März 2025

Union und SPD verhandeln seit einigen Tagen, wie ihre Koalition gestaltet werden soll. Der Koalitionsvertrag wird in 16 Arbeitsgruppen erarbeitet und ausgehandelt und wird die Weichen stellen für die Politik der nächsten 4 Jahre. Doch in den Arbeitsgruppen sind auch Politiker*innen, die eine ungute Nähe zu Wirtschaftsinteressen haben oder sogar in Lobbyorganisationen aktiv sind.

Agrarlobby mischt mit

Günther Felßner (CSU)
IMAGO / Ardan Fuessmann - All rights reserved
Günther Felßner (CSU)
×
Günther Felßner (CSU)
Günther Felßner (CSU)

Günther Felßner (CSU) ist Landwirt und Chef-Lobbyist des Deutschen Bauernverbands, der vor allem für die deutsche Agrarindustrie steht. Er ist Söders Favorit für das Amt des Landwirtschaftsministers und nimmt an den Koalitionsverhandlungen teil. Mit Felßner würden Agrarlobbyinteressen an die Spitze des Ministeriums befördert. Ob er ausgewogen auch andere Interessen vertreten kann, ist fraglich. Immer wieder fällt er mit falschen oder irreführenden Aussagen zum Klimaschutz oder Artenvielfalt auf. Felßner bestreitet etwa, dass Massentierhaltung dem Klima schadet, oder dass pflanzliche Ernährung ein Beitrag zum Klimaschutz ist. Die Personalie sorgt schon seit Monaten für Kritik, trotzdem ist Felßner Teil der Arbeitsgruppe für Ländliche Räume, Landwirtschaft, Ernährung, Umwelt und handelt dort den Koalitionsvertrag mit aus.

Auch Artur Auernhammer ist als Chef-Verhandler der CSU in dieser Arbeitsgruppe und steht für einseitite wirtschafliche Interessen. Er ist Landwirt und Abgeordneter der CSU und war gleichzeitig lange Vorstandschef des Bundesverbands Bioenergie (BBE). Der Lobbyverband setzt sich für die Nutzung von Biomasse zur Erzeugung erneuerbarer Energien ein. Umweltverbände wie der NABU warnen allerdings vor falschen Versprechen zu Bioenergien.

Porträt Artur Auernhammer, weißer Mann mit Brille
Tobias Koch - CC-BY-SA 3.0
Artur Auernhammer am 26.06.18 in Berlin im Deutschen Bundestag
×
Porträt Artur Auernhammer, weißer Mann mit Brille
Artur Auernhammer am 26.06.18 in Berlin im Deutschen Bundestag

Auernhammer ist zwar seit November 2024 nicht mehr Vorsitzender des Lobbyverbands, doch er bleibt weiterhin Ehrenvorsitzender. In der Vergangenheit hat er im Landwirtschaftsausschuss bereits an Regeln mitgearbeitet, die ihn als Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs selbst betrafen. Er hat etwa daran mitgewirkt, Ausnahmen von Düngeauflagen für Betriebe einzuführen, die in bestimmten Gebieten liegen, in sogenannten roten Flächen mit nitratbelasteten Böden. Sein eigener Betrieb liegt in so einem Gebiet.

Albert Stegemann ist ebenfalls aktiver Landwirt mit einem eigenen Betrieb und Teil der Verhandlungsgruppe.

Wenn Lobbyvertreter der Agrarindustrie und einseitig viele aktive Landwirte an diesen Verhandlungen teilnehmen, ist das ein Ungleichgewicht, das die Entscheidungen der Arbeitsgruppe verzerren kann. Die Lobbyinteressen der Agrarindustrie sind stärker vertreten, während Umwelt- und Verbraucherschutz und die Interessen für das Gemeinwohl womöglich unter die Räder kommen.

Lobbyistin des CSU-nahen Lobbyverbands

Auch in anderen Gruppen sind Lobbyist*innen dabei. Angelika Niebler ist stellvertretende Parteivorsitzende der CSU, Europa-Abgeordnete und verhandelt in der Arbeitsgruppe Europa. Sie ist Präsidentin des Wirtschaftsbeirats Bayern, einem CSU-nahen Wirtschafts-Lobbyverband. Gleichzeitig ist sie CSU-Präsidiumsmitglied und vernetzt somit die Interessen des Lobbyverbands mit der Partei. Wir haben diese parteinahen Vorfeldorganisationen, die es auch bei anderen Parteien gibt, immer wieder kritisiert, insbesondere den Wirtschaftsrat der CDU. Der Name mutet anders an, doch es handelt sich um kein Parteigremium, sondern um einen Lobbyverband.

Porträt Angelika Niebler
J. Patrick-Fischer/Wikimedia Commons - CC-BY-SA 4.0
×
Porträt Angelika Niebler

Niebler ist außerdem Rechtsanwältin bei einer Kanzlei, die in Brüssel Lobbyarbeit für ihre Kunden betreibt. Das kann zu Interessenkonflikten führen. Leider muss Niebler diese Kunden nicht offenlegen. Es bleibt also unbekannt, wessen Interessen sie nebenberuflich noch vertritt – und ob das problematisch ist oder nicht.

Übermacht der Wirtschaftslobby

Dass Lobbyeinfluss über bestimmte Vertreterinnen direkt in den Arbeitsgruppen passiert, verstärkt noch eine ohnehin vorhandene Übermacht der Wirtschaftslobby. In unserer neuen Auswertung der Zahlen aus dem Lobbyregister wird deutlich, dass die sogenannte „Ökolobby“, von der die Union und Medien wie Bild und Welt gerne warnen, der Wirtschaftslobby weit unterlegen ist. Mehr zu diesen Zahlen hier im Blog.

Gerade nach den vielen Lobbyskandalen der letzten Jahre sollten Union und SPD darauf achten, kritische Distanz zu besonders starken Lobbygruppen zu wahren. Auch die Arbeitsgruppen sollten ausgewogen besetzt sein – ohne Schlagseite für bestimmte Lobbykräfte.

Wir werden in den nächsten Wochen genau hinschauen, welche Lobbyeinflüsse es auf die Koalitionsverhandlungen gibt.

Bleiben Sie informiert über Lobbyismus.

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter.

Datenschutzhinweis: Wir verarbeiten Ihre Daten auf der Grundlage der EU-Datenschutz-Grundverordnung (Art. 6 Abs. 1). Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Zur Datenschutzerklärung.

Teilen

Interesse an mehr Lobbynews?

Newsletter abonnieren!