Matti Blume/Wikimedia - CC-BY-ND 4.0
Aus der Lobbywelt

Milliardenpakete für Aufrüstung: fragwürdige Nähe zwischen Politik und Rüstungslobby

Wo viel Geld fließt, entstehen Begehrlichkeiten – so auch bei den jüngst beschlossenen Milliardensummen für Aufrüstung. Brisante Wahlkampfspenden und Lobbyverflechtungen bei den Koalitionsverhandlungen lassen schon jetzt zu große Nähe zwischen Politik, Rüstungskonzernen und Bundeswehrverbänden befürchten. Integrität und Transparenz sind jetzt besonders gefragt.

von 26. März 2025

Die Verhandlungen zum Koalitionsvertrag nähern sich dem Ende. Wichtig zu wissen: An den Verhandlungen sind auch zahlreiche Lobbyist*innen beteiligt – oder auch Personen mit auffälligen Lobbyverflechtungen. Das zeigt sich besonders in der Arbeitsgruppe 12, die die Themen „Außen und Verteidigung, Entwicklungszusammenarbeit und Menschenrechte“ aushandelt. Denn hier könnten erste Weichen für die Vergabe der Milliarden für Aufrüstung gestellt werden.

Verhandler mit Nähe zur Rüstungsindustrie

Foto Henning Otte: Mann im Anzug am Rednerpult im Deutschen Bundestag
Olaf Kosinsky - CC-BY-SA 3.0
Henning Otte (CDU), Bundestagsabgeordneter
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Foto Henning Otte: Mann im Anzug am Rednerpult im Deutschen Bundestag
Henning Otte (CDU), Bundestagsabgeordneter

In dieser Gruppe verhandelt Henning Otte mit. Er sitzt für die CDU im Bundestag – und war dort zuletzt verteidigungspolitischer Sprecher. Doch er hatte lange Zeit auch eine Leitungsfunktion in einem Netzwerkverein der Rüstungsindustrie. Er war bis Ende 2023 Vizepräsident für Politik beim Förderkreis Deutsches Heer, einem Verein, in dem zahlreiche Rüstungskonzerne Mitglieder sind und diesen privilegierte Zugänge zu Bundestagsabgeordneten verschafft.

Mitglied des Vereins sind unter anderem die Rüstungsunternehmen Heckler und Koch, KNDS Deutschland (früher Krauss-Maffei-Wegmann) und Rheinmetall. Rheinmetall produziert Panzer in der niedersächsischen Stadt Unterlüß, die zu Ottes Wahlkreis gehört.

Die Personalie Otte erinnert an die frühere Vorsitzende des Verteidigungsausschusses und jetzige Europa-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), die ebenfalls Mitglied im Präsidium des Vereins war und in deren damaligem Wahlkreis Düsseldorf Rheinmetall seinen Hauptsitz hat. Sie stand vielfach für ihre Nähe zur Rüstungsindustrie in der Kritik.

Verteidigungspolitiker mit Interessenkonflikt

Porträt Florian Hahn, MdB (CSU)
Gerd Seidel - CC-BY-SA 3.0
Florian Hahn, Bundestagsabgeordneter (CSU)
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Porträt Florian Hahn, MdB (CSU)
Florian Hahn, Bundestagsabgeordneter (CSU)

Florian Hahn ist für die CSU im Bundestag und war zuletzt Mitglied im Verteidigungsausschuss. Er sitzt in der Arbeitsgruppe 12 der Koalitionsverhandlungen. Gleichzeitig ist er ehrenamtlicher Vizepräsident bei der Interessengemeinschaft Deutsche Luftwaffe, der Unternehmen wie Rheinmetall oder Lockheed Martin und Verbände der Rüstungsindustrie angehören.

Bis 2017 war er außerdem Präsidiumsmitglied der Gesellschaft für Wehrtechnik. Mitglieder des Vereins kommen hauptsächlich aus der Rüstungsindustrie. Bei Veranstaltungen vernetzen sich diese aber auch mit Abgeordneten und Mitarbeitenden aus dem Verteidigungsministerium zum Thema Rüstungspolitik.

Hahn saß zudem bis 2017 im Aufsichtsrat des bayerischen Unternehmens IABG, das auch im Rüstungssektor tätig ist. Besonders pikant ist, dass er sich 2016 im Verteidigungsausschuss für Rüstungsprojekte einsetzte, von denen die IABG profitierte. Das war ein klarer Interessenkonflikt, der damals von vielen scharf kritisiert wurde.

Fragwürdige Rüstungsexperten und Aserbaidschan-Connections

Hahn wies die Kritik damals von sich, schließlich habe er seine Nebentätigkeit prüfen lassen. Der Fall zeigt jedoch, dass es dringend klarere Regeln für Interessenkonflikte braucht. Zwar dürfen Abgeordnete seit der jüngsten Reform der Abgeordnetenregeln keine bezahlten Lobbytätigkeiten mehr aufnehmen. Doch es gibt auch zahlreiche Interessenkonflikte ohne Bezug zu Lobbyarbeit und auch problematische ehrenamtliche Lobbytätigkeiten.

Auch wegen anderer fragwürdiger Verbindungen stand Hahn bereits in der Kritik: Trotz schlechter Menschenrechtslage plädierte er für Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien. Es gibt außerdem Hinweise darauf, dass er Teil der Aserbaidschan-Connection war. Das dortige autokratische Regime umwarb deutsche Politiker*innen und beeinflusste sie mit „Kaviar-Diplomatie“, um die eigenen Interessen in Europa durchzusetzen.

Zweistellige Millionenbeträge für einen Reservistenverband

Porträt Thomas Erndl
Petra Homeier - CC-BY-SA 3.0
Thomas Erndl, CSU-Abgeordneter im Bundestag
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Porträt Thomas Erndl
Thomas Erndl, CSU-Abgeordneter im Bundestag

Fragwürdig ist auch die Nebentätigkeit von Thomas Erndl, der ebenfalls für die CSU im Bundestag sitzt und neben Otte und Hahn mitverhandelt. Er war zuletzt stellvertretender Vorsitzender im Auswärtigen Ausschuss und stellvertretendes Mitglied im Verteidigungsausschuss war. Nebenbei ist er ehrenamtlicher stellvertretender Präsident des Verbands der Reservisten der deutschen Bundeswehr.

Der Verein setzt sich für die Belange von Reservist*innen ein und wirbt für die Bundeswehr. Ein Arbeitsgebiet des Verbands ist die Sicherheitspolitik. Dazu organisiert er zum Beispiel Side-Events auf der Münchner Sicherheitskonferenz mit Beteiligung von Verteidigungspolitiker*innen oder auch parlamentarische Abende.

Mit Forderungen zu Wiedereinführung der Wehrpflicht oder zur Einführung eines Veteranentags mischt sich der Verband auch in aktuelle politische Diskussionen ein. Wenig überraschend trat Erndl mit genau diesen Forderungen auch im Wahlkampf an.

Für seine Arbeit erhält der Verband zweistellige Millionenbeträge aus dem Verteidigungshaushalt. Der Bundesrechnungshof kritisierte dies zuletzt 2024 als Verschwendung von Steuergeldern. Brisant: Der Bundestag entscheidet über die Vergabe der Gelder. Es ist fraglich, ob Erndl dabei unabhängig entscheiden kann.

Brisante Parteispenden mit offensichtlichem Auftrag

Neben dem Lobbypersonal in den Verhandlungsgruppen fielen im Wahlkampf einige Rüstungsunternehmen durch brisante Parteispenden auf. Im Januar 2025 boten verschiedene Rüstungsunternehmen Abgeordneten Spenden an, wie eine Recherche der ZEIT aufgedeckt hat. Sie richteten sich dabei gezielt auf Mitglieder des Haushalts- und Verteidigungsausschusses. In diesen Ausschüssen wird entschieden, wie die Milliardengelder für Rüstung eingesetzt werden.

Die Spenden kamen vom Unternehmen Blackned, einer Rheinmetall-Tochter, sowie vom Drohnenhersteller Helsing. Die Firmen profitierten bereits zuletzt von milliardenschweren staatlichen Aufgaben. Ihre Botschaft an die Abgeordneten liegt daher nahe: Sie sollen für neue Aufträge stimmen.

Damit stellt sich die Frage, ob die Spenden überhaupt rechtens sind. Denn Parteispenden, die an eine Gegenleistung geknüpft sind, sind verboten. Das muss nun dringend geprüft werden. Problematisch sind die Spenden allemal. Denn allein der Verdacht, dass mit gezielten Spenden Einfluss genommen werden sollte, wiegt schwer. Immerhin lehnte mindestens ein Abgeordneter der Grünen die Spenden ab.

Starke Regeln für Transparenz und Integrität nötig

Für die nächste Bundesregierung muss klar sein: Es braucht einen äußerst sensiblen Umgang mit Interessenkonflikten und Versuchen unzulässiger Einflussnahme. Das gilt ganz besonders, wenn es um die Vergabe milliardenschwerer Summen für Rüstungsunternehmen und die Bundeswehr geht. Es gilt genau hinzuschauen, wessen Interessen jeweils bedient werden und wer an den jeweiligen Entscheidungsprozessen beteiligt war.

Dafür braucht es starke Regeln für Transparenz und Integrität – so auch für die Bereiche der Nebentätigkeiten von Bundestagsabgeordneten und die Parteienfinanzierung. Die neue Bundesregierung und die zuständige Bundestagsverwaltung müssen zudem bestehende Regeln wirksam umsetzen. Besonders wichtig ist hier ein Parteispendendeckel, den LobbyControl seit Jahren fordert, um den Einfluss von Superreichen und finanzstarken Unternehmen und Verbänden zu begrenzen. Hierfür haben wir uns zuletzt in einem offenen Brief gemeinsamen mit Abgeordnetenwatch und Transparency Deutschland starkgemacht.

Sabrina Gröschke - CC-BY-NC-ND 4.0

Parteispendendeckel in den Koalitionsvertrag!

Mit einer Aktion vor dem Bundestag haben wir uns in die Koalitionsverhandlungen eingemischt.

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