Eine neue Reihe von Wechseln aus der Politik in die Wirtschaft zeigt, wie systematisch die Wirtschaft auf Kontakte und Insiderwissen ehemaliger Entscheidungsträger setzt (siehe auch unsere Studie zum Thema). Insbesondere finanzstarke Interessen profitieren, die sich diese Anwerbungen leisten können und sich damit politische Vorteile verschaffen. Alle drei Fälle betreffen die Finanz- und Versicherungsbranche:
1) Ischinger geht zur Allianz
Wolfgang Ischinger, deutscher Botschafter in London und ehemaliger Staatssekretär im Auswärtigen Amt, wird ab 1. Mai 2008 „Generalbevollmächtigter für Regierungsbeziehungen“ des Versicherungskonzerns Allianz. Er soll er die weltweite Lobbyarbeit des Konzerns koordinieren und beim Einstieg in die Versicherungs- und Finanzmärkte in China, Indien und Osteuropa helfen, berichtet das Handelsblatt. Ischinger wird außerdem Chef der umstrittenen Münchner Sicherheitskonferenz (siehe Spiegel Online).
> Das Handelsblatt listet weitere Spitzendiplomaten auf, die in die Wirtschaft gewechselt sind. Eine kritische Stimme oder gar Analyse, inwiefern diese Wechsel finanzstarke Interessen politisch begünstigen, fehlt allerdings.
2) Stoiber wird Aufsichtsrat bei Nürnberger Versicherung
Edmund Stoiber tritt sein erstes Aufsichtsratsmandat nach seinem Rückzug vom Amt des bayerischen Ministerpräsidenten auch bei einer Versicherung an, der Nürnberger Versicherung. Stoiber ist zudem Leiter einer Expertengruppe der EU, die sich um Bürokratieabbau, also Deregulierung, kümmern soll.
3) Faltlhauser berät Rothschild
Der ehemalige bayerische Finanzminister Kurt Faltlhauser wurde in den deutschen Beirat der Investmentbank Rothschild berufen. Bis Oktober 2007 war Faltlhauser neun Jahre Finanzminister in Bayern – er bringt also reichlich politische Kontakte und Insiderwissen mit. Mit im Beirat sitzt übrigens auch Bernd Gottschalk, Präsident des Verbands der Automobilindustrie. Auch Gerhard Schröder wurde nach seinem Abgang als Bundeskanzler Beirat bei Rothschild, allerdings im European Advisory Council.
Die Politik muss sich endlich mit diesem „Drehtür“-Phänomen beschäftigen. Aber die Anträge der Oppositionsparteien, die nach der Debatte um Gerhard Schröder Anfang 2006 gestellt wurden, scheinen weiter im Innenausschuss des Bundestages auf Halde zu liegen. LobbyControl fordert eine dreijährige Karenzzeit (Abkühlphase) für Regierungsmitglieder und Referatsleiter in den Bundesministerien, bevor diese als Lobbyisten tätig werden dürfen. Zudem muss es eine Lobbyistenregister geben, in dem alle Lobbyisten ihre Auftraggeber und Finanzquellen offen legen müssen. Mehr dazu in unserer Studie von November 2007: „Fliegende Wechsel – die Drehtür kreist. Zwei Jahre danach – Was macht die Ex-Regierung Schröder II heute?„
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