Im Februar haben wir einen Vorstoß für mehr Transparenz und Obergrenzen bei Parteispenden gestartet, insbesondere zum Problemfall Partei-Sponsoring. Neben viel Unterstützung haben wir oft die Rückmeldung erhalten, Unternehmensspenden sollten verboten werden. Wir wollen unsere Position gerne zur Diskussion stellen: wir glauben, dass ein Verbot in der Praxis zu unerwünschten Nebenwirkungen führt und die ungleiche Verteilung von Geld und Einfluss in der Gesellschaft kaum durch ein einfaches Verbot aus der Politik heraus zu halten ist. LobbyControl setzt stärker auf das kritische Engagement von Bürgerinnen und Bürgern – und auf maximale Transparenz der Parteienfinanzierung als dessen Voraussetzung. Wir freuen uns über Rückmeldungen.
LobbyControl hatte – gemeinsam mit Campact, Mehr Demokratie und Transparency International – gefordert, dass Parteisponsoring generell offen gelegt werden müsse, die Veröffentlichungsgrenzen deutlich gesenkt werden müssten und für Spenden und Sponsoring eine generelle Obergrenze von 50.000 Euro pro Partei und Spender gelten sollte. Manchen ging das nicht weit genug: neben grundsätzlicher Kritik am heutigen parlamentarischen System war häufig zu hören, dass Parteispenden von juristischen Personen wie Unternehmen ganz verboten werden müssten.
Natürlich sind die Forderungen auch ein Kompromiss zwischen den Trägern der Aktion. Aber unabhängig davon und von der Frage, was gerade durchsetzbar erscheint, stehen wir bei LobbyControl einem kompletten Spendenverbot von juristischen Personen skeptisch gegenüber.
Spendenverbot auf ersten Blick sinnvoll
Auf den ersten Blick scheint ein Spendenverbot sinnvoll und aus einer demokratischen Perspektive richtig: die Parteien sollten von den BürgerInnen getragen werden, und der Parteienwettbewerb und die Arbeit der einzelnen Parteien nicht durch Spenden der Unternehmen beeinflusst werden. Das demokratische Prinzip ist „eine Person eine Stimme“ – unabhängig vom Besitz. (Nebenbei bemerkt: ein Verbot von Unternehmensspenden würde nicht die völlige Staatsabhängigkeit der Parteien bedeuten, wie Politiker von CDU und FDP in einer Bundestagsdebatte über Parteispenden im Februar behaupteten, siehe Protokoll ab Seite 1945. Sie scheinen vergessen zu haben, dass es Spenden einzelner BürgerInnen und Mitgliedsbeiträge gibt…)
Zu Risiken und Nebenwirkungen
In der Praxis zeigen Beispiele aus anderen Ländern, dass eine komplettes Spendenverbot für Unternehmen häufig unerwünschte Nebenwirkungen hat:
- USA: Dort gibt es seit Jahrzehnten ein permanentes Hase und Igel-Spiel bei dem Versuch, Wahlkampfspenden transparent zu machen und zu begrenzen. Natürlich ist dabei auch zu berücksichtigen, dass das US-Wahlsystem anders ist und es keine oder kaum öffentliche Wahlkampffinanzierung gibt. Die Kandidaten in den USA sind permanent mit dem Einwerben von Spendengeldern beschäftigt und haben ihrerseits ein Interesse daran, dass die Geldflüsse nicht versiegen. Lobby-Interessen und politische Machtstrategien greifen hier ineinander. Aber das Verbot von Unternehmensspenden führte dazu, dass die Unternehmen Spendensammel-Apparate aufbauten, über die sie die Politiker regelkonform finanziell unterstützen konnten, insbesondere indem sie Spenden von Privatpersonen einsammelten und bündelten (z.B. über Political-Action-Commitees oder Fundraising-Events).
- Auch in Frankreich gibt es ein Spendenverbot für Unternehmen. Aber auch hier zeigen sich bei genauerem Hinsehen Ausweichmöglichkeiten. Wie die Recherchen unserer französischen Partnerorganisation Aitec für den Lobby-Stadtführer LobbyPlanet Paris zeigen, dass Sarkozy z.B. durch kostenlose Mitarbeiter von Unternehmen unterstützt wird. Auch gibt es fiktive Jobs für Politiker als Möglichkeit, ihnen Geld zukommen zu lassen (Das wurde in Deutschland 2005 nach diversen Skandalen zumindest offiziell verboten) .
Gesellschaftliche Ungleichgewichte und Umgehungsstrategien
Die Beispiele verdeutlichen: Es geht nicht alleine um die Frage, ob Spenden von juristischen Personen legal möglich sein sollten und in welcher Höhe, sondern um die reale Organisation von Macht und Einfluss auf die (Partei-)Politik. Weder die Abschaffung der Spendenmöglichkeit noch eine Begrenzung vermögen das Problem des ungleich verteilten Reichtums im Hinblick auf den politischen Prozess völlig zu neutralisieren.
Reformforderungen wie eine Begrenzung auf 50.000 Euro dürfen nicht suggerieren, dass damit das Problem einfach behoben ist. Sie können einzelne Auswüchse bekämpfen und als Schritte dienen, die Rolle von ungleich verteiltem Reichtum und politischem Einfluss zu thematisieren. Sie sind Etappen in einer andauernden kritischen Auseinandersetzung mit der Parteienfinanzierung, die sich nach einer solchen Reform auch auf die Umgehungsstrategien erstrecken muss.
Auch in Deutschland würde ein Spendenverbot für Unternehmen vermutlich dazu führen, dass Unternehmen stärker ins Fundraising für Parteien einsteigen und z.B. Spendenveranstaltungen organisieren, bei denen einzelne Personen spenden. Den Parteien würde natürlich zugleich klar gemacht, wer diese formal privaten Spenden organisiert hat. Für die Öffentlichkeit hingegen wären die Geldflüsse noch undurchschauberer als jetzt.
Es gibt solche Fundraising-Events heute schon, wie die Berichte über eine Spendengala der Solarbranche für die FDP zeigten – just als es politisch um die Absenkung der finanziellen Unterstützung der Solarenergie ging. Insofern kann man die Position vertreten, dass es Umgehungsstrategien sowieso schon gibt und man deshalb nicht zaudern sollte, ein Spendenverbot für juristische Personen zu fordern. Aber es besteht die Gefahr, dass man dabei die Nebenwirkungen formaler Verbote unterschätzt und eine Entwicklung anstößt, die nicht wünschenswert ist.
Unsere Priorität: alle Zahlungen umfassend offen legen
Aus unserer Sicht sind deshalb die vordringlichen Verbesserungen striktere Transparenzregeln und Vorkehrungen gegen Ausweichstrategien:
1) Mehr Transparenz:
Wir wollen, dass alle Formen von Parteiensponsoring umfassend offen gelegt werden müssen. Zudem müssen die Veröffentlichungsgrenzen für Parteispenden deutlich gesenkt werden. Spenden ab 10.000 Euro müssen sofort offen gelegt werden (bisher erst ab 50.000 Euro). Spenden ab 2.000 Euro müssen in dem detaillierten Rechenschaftsberichen der Parteien aufgelistet sein (bisher erst ab 10.000 Euro).
Weitere Verbesserungen wären wünschenswert: In den Rechenschaftsberichten der Parteien sollte z.B. bei Spenden mit aufgeführt werden, wenn diese an eine Untergliederung der Partei gingen, so dass die gezielte Förderung einzelner Abgeordneter und deren Wahlbezirke durch einzelne Firmen oder Verbände erkennbar wird. Außerdem sollten die Spendendaten nicht nur als pdf-Dateien veröffentlicht werden, sondern in einer Datenbank auf der Bundestagswebseite, die durchsuchbar ist und weitere Auswertungen für die BürgerInnen ermöglicht (z.B. Gesamtspenden eines Unternehmens über einen längeren Zeitraum).
2) Weiter Geltungsbereich:
Die Regeln müssen potentielle Umgehungsstrategien von vornherein aufgreifen und möglichst weitgehend erfassen. Es muss z.B. Regeln zum Spendensammeln durch Lobbyisten oder Unternehmen geben (in den USA „Bundeling“ genannt). Auch Aspekte wie das Anzeigengeschäft von Parteizeitungen oder das geschäftliche Engagement der Parteien müssen durchdacht werden.
Diese beiden Punkte bilden die Grundlage für eine kritische öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema der Parteienfinanzierung und der damit verbundenen Einflussstrategien von Lobbyisten. Dies ist für uns der zentrale Hebel, um Auswüchse in der Parteienfinanzierung zu bekämpfen. Erst auf dieser Basis kann man an Verbote oder Obergrenzen für Spenden denken. Sonst schafft man eine juristische Regel, die sofort umgangen wird, und nur die Illusion einer stärkeren Unabhängigkeit der Parteien von Einflussspenden erzeugt.
Wir haben für die Online-Aktion bewusst die Forderung nach einer generellen Obergrenze unterstützt. Ein komplettes Verbot würde den Umgehungsdruck verstärken und zur Suche nach neuen Schlupflöchern führen. Eine Obergrenze ist weniger strikt und ein Versuch, zwei Ziele zu verbinden: Sie soll den finanziellen Einfluss auf Parteien zumindest beschränken, ohne gleich eine Flut von Ausweichstrategien zu erzeugen. Dabei stellt sich die Frage, ob der Schwellenwert von 50.000 Euro schon ein zu großes Zugeständnis an die heutige Praxis ist. Aber diese Grenze bietet aus unserer Sicht die Chance, zumindest die ganz großen Spendenspitzen – wie die Mövenpick-Spenden – zu kappen.
Geldflüsse zum Thema machen – auch für Wahlentscheidungen
Es ist nicht einfach, die gesellschaftliche ungleiche Verteilung von Reichtum aus der Parteienfinanzierung herauszuhalten. Die Lobbyakteure besitzen genug personelle und finanzielle Mittel, um flexibel und kreativ zu reagieren und neue Wege für Geldflüsse an Parteien zu finden. Umgekehrt suchen die Parteien ihrerseits nach neuen Finanzquellen und Finanzierungsstrategien – gerade im Kontext eines Ausbaus von kostspieligen, professionellen Kampagnenapparaten, die häufig von oben herab zu Lasten der innerparteilichen Demokratie agieren. In jedem Fall meinen wir: Die bestehenden Regeln müssen dringend verschärft werden. Aber die Hoffnung auf einfache rechtliche Regeln wie ein glattes Verbot von Unternehmensspenden kann trügerisch sein. Wir setzen auf eine kritische Öffentlichkeit und gesellschaftlichen Druck auf die Parteien – letztlich sind es immer noch wir Bürgerinnen und Bürger, die einzelne Parteien wählen oder eben nicht wählen.
Wir freuen uns auf Kommentare und weitere UnterstützerInnen für unsere Parteispenden-Online-Aktion.
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