Knapp 150 Millionen Euro Spenden erhielten die im Bundestag vertretenen Parteien 2009. Bei mehr als 80 % dieser Summe, bleiben die Spender/innen wegen laxer Offenlegungsregeln unbekannt. Nicht zuletzt deshalb hat die von Deutschland mitgegründete “Staatengruppe gegen Korruption” (GRECO) die Intransparenz der deutschen Parteienfinanzierung kritisiert. Aber die Regierungsfraktionen wollen nichts ändern.
Im 2009 veröffentlichten „Evaluierungsbericht über die Transparenz der Parteienfinanzierung in Deutschland“ (pdf) werden zehn Empfehlungen formuliert, um mehr Transparenz und bessere Regeln bei Parteispenden und -sponsoring zu erreichen. Deutschland wird darin aufgefordert, bis zum 30. Juni 2011 über die Umsetzung der Empfehlungen zu berichten.
Dem Bundestag gelang es jedoch über Monate nicht, auch nur eine Stellungnahme zum GRECO-Bericht zu beschließen. Das Thema wurde mehrfach vertagt und steht nun – auf den letzten Drücker – am 29. Juni wieder auf der Tagesordnung des Innenausschusses.
Was uns bisher über den Stand der Beratungen bekannt ist, ist enttäuschend. So werden in einer uns vorliegenden Stellungnahme der Rechtsstellungskommission des Ältestenrats die GRECO-Empfehlungen zu Direktspenden an Abgeordnete zurückgewiesen. Handlungsbedarf wird nicht festgestellt.
Spende oder Einflussnahme?
Derzeit ist es Spendern möglich, statt an Parteien, direkt an Abgeordnete zu spenden. Dabei müssen solche Direktspenden erst ab 5.000 Euro beim Bundestagspräsidenten angezeigt werden und – wie auch Parteispenden – erst ab 10.000 Euro veröffentlicht werden. Im Unterschied zu Parteispenden werden diese Direktspenden jedoch nicht im Parteiengesetz geregelt, sondern lediglich in den Verhaltensregeln für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Daher sind hier z.B. Bargeldspenden in unbegrenzter Höhe möglich.
Insgesamt bieten diese Direktspenden aus unserer Sicht ein Einfallstor für die Einflussnahme mittels finanzieller Zuwendungen. Dies kann zu Interessenkonflikten führen und die Unabhängigkeit der Abgeordneten gefährden. In der Praxis ist es schwer, zwischen einer Spende an einen Abgeordneten und so genannten Interessentenzahlung zu unterscheiden. Letztere sind laut Abgeordnetengesetz verboten: „Unzulässig ist insbesondere die Annahme von Geld oder von geldwerten Zuwendungen, die nur deshalb gewährt werden, weil dafür die Vertretung und Durchsetzung der Interessen des Leistenden im Bundestag erwartet wird.“ (§ 44a, Abs. 2)
Wir fordern daher, Direktspenden an parteigebundene Abgeordnete zu verbieten oder zumindest die Offenlegungs- und Berichtspflichten erheblich auszuweiten. Laut Vorlage der Rechtsstellungskommission reiche es aus, dass die Abgeordneten selbst wüssten, wer sie mit Spenden unter 5.000 Euro bedacht habe und dass Spenden zwischen 5.000 und 10.000 Euro beim Bundestagspräsidenten angezeigt würden. Diese Regeln erzeugen aber keine Transparenz für die Wählerinnen und Wähler. Durch Stückelung können hier erhebliche Summen an den Augen der Öffentlichkeit vorbei geschleust werden.
Uneinigkeit in den Fraktionen
Abgeordnete der Oppositionsparteien kritisieren das Vorgehen der Regierungskoalition. So schrieb der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion von Bündnis90/Die Grünen, Volker Beck, an den Vorsitzenden der Rechtsstellungskommission, Hermann Otto Solms (FDP), „[…] dass ich die gewählte Verfahrensweise, zunächst die vorgeschlagene Stellungnahme abzugeben und erst danach die im GRECO-Evaluierungsbericht vorgeschlagenen Änderungen hinsichtlich der bestehenden Spendenregelungen ggf. noch einmal zu überdenken für nicht sinnvoll erachte.“ Gabriele Fograscher (SPD) kommentierte auf Anfrage durch LobbyControl: „Auch mir ist das Vorgehen der Rechtsstellungskommission unverständlich.“ Dagmar Enkelmann distanziert sich für die LINKE gegenüber LobbyControl: „Ich habe für DIE LINKE klar gemacht, dass wir ein Verbot der Spenden an Abgeordnete und wirksame Sanktionen, wie von GRECO gefordert, regeln wollen.“
Abgeordnete der Regierungskoalition rechtfertigten LobbyControl gegenüber die Position der Rechtsstellungskommission: Michael Grosse-Broemer (CDU) erklärte, dass er die Stellungnahme „inhaltlich uneingeschränkt“ mittrage, die bisherigen Regeln „durchaus sachgerecht“ seien und er keinen Handlungsbedarf sehe. Der Berichterstatter der FDP im Innenausschuss, Stefan Ruppert, betonte, dass sich die FDP grundsätzlich „für mehr Transparenz im Bereich der Parteienfinanzierung“ einsetze. „Wir Liberale fordern u.a. im Bereich des Sponsorings mehr Offenheit. Eine gesonderte Aufführung von Sponsoring-Einnahmen im Rechenschaftsbericht der Parteien steht für uns hierbei an erster Stelle.“ Zum Thema Direktspenden wollte sich Ruppert jedoch nicht äußern.
Sponsoring – wo bleiben die Regeln?
Neben den Direktspenden nimmt der GRECO-Bericht auch die bereits erwähnten Parteispenden in den Blick. Empfohlen wird hier, die Grenze von 50.000 Euro für die unmittelbare Veröffentlichung zu senken, anonyme Spenden zu verbieten und den Grenzwert für die Bekanntgabe von Spenden und Spendern von derzeit 10.000 Euro deutlich zu senken. Skandale wie der um den Spielautomatenbetreiber Gauselmann haben in der Vergangenheit schlaglichtartig deutlich gemacht, wie durch Stückelung große Summen unterhalb der Offenlegungsgrenze fließen können.
Diese sinnvollen Maßnahmen werden nach unseren Informationen von der Regierungskoalition jedoch nicht in Betracht gezogen. Das gilt ebenso für weitere von GRECO angeregte Änderungen. So empfiehlt der Bericht, dass geklärt werden solle „unter welchen Berdingungen Parteiensponsoring erlaubt ist und welches Rechts-, Rechnungslegungs- und Finanzsystem gelten soll.“ (Empfehlung VI) Seit Jahren – spätestens seit der Sponsoring-Affäre um Jürgen Rüttgers – wird hier parteiübergreifend Regelungsbedarf festgestellt. Passiert ist seither nichts und auch Mitte 2011 sind wir noch weit davon entfernt, Parteisponsoring transparent zu machen. Die Fraktionen der Linken und der Grünen haben zu diesem Thema in der morgigen Sitzung Anträge eingebracht, viel bewirken dürfte das allerdings nicht. Kurzfristig haben auch die Regierungsfraktionen zu den Aspekten Parteispenden und -sponsoring eine Stellungnahme vorgelegt. Auch hier der Tenor: es gebe keinen Handlungsbedarf.
Die Art und Weise des Umgangs mit dem Bericht einer von Deutschland selbst gegründeten Initiative lässt stark zu wünschen übrig. Quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit werden die Beratungen erst monate- oder gar jahrelang verschleppt, um dann schließlich nicht mehr zu tun, als den Bericht mit z.T. fadenscheinigen Argumenten zurückzuweisen.
Unsere Pressemitteilung zur morgigen Ausschusssitzung findet sich hier (pdf).
Update: Der Innenausschuss hat am Mittwoch keine Stellungnahme zum GRECO-Bericht verabschiedet. Es soll sich nun am 6. Juli erneut damit befasst werden. Dabei wird, wie aus dem Bundestag zu hören ist, eine gemeinsame Stellungnahme der Fraktionen angestrebt. Gleichzeitig ist nun klar, dass es dem Bundestag nicht gelungen ist, innerhalb der Berichtsfrist des Europarats eine Stellungnahme abzugeben – von einem Umsetzungsbericht ganz zu schweigen.
Zum Sponsoring bei Parteitagen siehe auch unseren Blogbeitrag „Parteitags-Lobbyismus aus Insider-Sicht“ vom 26.2.2010.
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