Nominiert für die Lobbykratie-Medaille, weil das Energieunternehmen RWE zwei Mitarbeiterstellen in einem Forschungsprojekt der Bundesanstalt finanziert hat, welches Vorschläge für ein verbindliches Regelwerk zum Einsatz der CCS-Technologie in Deutschland erarbeiten sollte.
Was ist die Lobbykratie-Medaille?
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) gehört zu den wichtigsten Beratungseinrichtungen der Bundesregierung, wenn es um Fragen der Nutzung natürlicher Ressourcen geht. In ihren Aufgabenbereich fällt auch für die Risikobewertung der CCS-Technologie. Das Kürzel CCS steht für „Carbon Dioxide Capture and Storage“. Gemeint ist damit die Abscheidung und dauerhafte Speicherung von Kohlendioxid, das bei der Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern und bei industriellen Prozessen wie der Stahlproduktion anfällt. Der Bundesrat hat Sicherheitsbedenken im September 2011 zum Anlass genommen, um einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Betrieb von CCS-Pilotanlagen abzulehnen. Wie es mit dem Technologieprojekt in Deutschland weitergeht, ist ungewiss.
Zu den Befürwortern des neuen Verfahrens gehören die großen Energieversorger. Nachdem die EU-Kommission Anfang 2008 eine Richtlinie für die Förderung von CCS-Projekten auf den Weg gebracht hatte, erteilte der Essener Konzern RWE gemeinsam mit Eon, Vattenfall und anderen Branchenvertretern einer Anwaltskanzlei den Auftrag, einen Gesetzentwurf für die Umsetzung der EU-Richtlinie auszuarbeiten. In dem Kanzleientwurf vom September 2008 wird der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, welche dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie unterstellt ist, eine zentrale Rolle bei der Planung und Zulassung von Kohlendioxidspeichern zugewiesen, mit der Begründung, sie biete hierfür „die besten fachlichen Voraussetzungen“. Dieselbe Funktion erhielt die Bundesanstalt in dem offiziellen Gesetzentwurf, der am 1. April 2009 vom Bundeskabinett verabschiedet wurde.
Zu diesem Zeitpunkt war an der Bundesanstalt bereits das Projekt „Stability“ in vollem Gange, das ein verbindliches Regelwerk für die Standortauswahl, die Sicherung der unterirdischen CO 2-Speicher und für die Speicherüberwachung ausarbeiten sollte und somit die regulativen Grundlagen für den Einsatz von CCS in Deutschland geschaffen hätte. Trotz dieser weitgehenden Zielsetzung hat die Bundesanstalt Geld vom Energieunternehmen RWE, das ein Interesse an der Einführung der umstrittenen Technologie hat, für zwei außerplanmäßige Projektmitarbeiter angenommen.
Besetzt wurden die Stellen mit externen Experten, der früheren Greenpeace-Aktivistin und RWE-Kritikerin Gabriele von Goerne, die inzwischen als Beraterin zur CO2-Speicherung arbeitet, und dem wissenschaftlicher Mitarbeiter Falk Weinlich vom Institut für Erdöl- und Erdgastechnik der TU Clausthal, welches in Forschung und Lehre mit RWE zusammenarbeitet. Während der Projektlaufzeit war für Externe nicht immer erkenntlich, dass die Arbeit der beiden von RWE finanziert wurde. Frau von Goerne trat etwa 2009 bei einer Anhörung zur CO2-Sequestrierung im Kreis Nordfriesland als BGR-Mitarbeiterin auf.
Die Stellungnahmen der BGR zu diesem Vorgang sind lückenhaft und widersprüchlich. In einem Projektbericht vom August 2010 wird die eigene Neutralität unterstrichen und betont, RWE habe „keine Zwischenergebnisse während der Durchführung erhalten“. In der Antwort auf eine Presseanfrage heißt es dagegen: „Das Unternehmen ist per Zwischenbericht über vorläufige Ergebnisse informiert worden.“ LobbyControl gegenüber behauptete ein Sprecher der Behörde, der Kooperationsvertrag mit RWE sei bereits im Jahr 2009 wieder gekündigt worden, „um konstruierbare Interessenkonflikte zu vermeiden“. Zugleich räumte er ein, dass die BGR auch heute noch an CCS-Projekten beteiligt ist, die von Energieunternehmen mitfinanziert werden, und dass man sich auch in Zukunft Personal von der Privatwirtschaft bezahlen lassen will.
Für externe Mitarbeiter regelt seit 2008 eine Verwaltungsvorschrift des Bundes, dass diese nicht in Bereichen eingesetzt werden dürfen, die die finanziellen Stellen der entsendeten Stellen betreffen und dass deren Status als externe Mitarbeiter nach außen hin erkennbar sein muss. Bei von Goerne und Weinlich handelte es sich nicht um externe Mitarbeiter, aber die Problematik ist ähnlich: es ging nicht nur um ein Forschungsprojekt, sondern um die Entwicklung von Kriterien für öffentliche Regelwerke.
Es ist nicht leicht, zu entscheiden, welcher Sachverhalt schwerer wiegt: die Einflussnahme eines Energieunternehmens auf die Erstellung „untergesetzlicher Regelwerke“ oder der merkwürdige Umgang einer Bundesbehörde mit offenkundigen Interessenkonflikten. Darum werden RWE und BGR gemeinsam für die Lobbykratie Medaille nominiert.
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