Aus der Lobbywelt

Wasserstoff-Affäre im Verkehrsministerium: Was folgt?

Die desaströse Aufklärungsarbeit rund um die Wasserstoff-Affäre im Verkehrsministerium zeigt: Es braucht dringend einen neuen Umgang mit Interessenkonflikten in Ministerien.

von 7. März 2024
LobbyControl/Holger Müller - CC-BY-NC-ND 4.0
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Skikumpels, die sich offenbar Fördergelder zuschieben und ein Unternehmer, der einen Abteilungsleiter per privater Mail auf einen noch ausstehenden Förderbescheid hinweist – der Vorwurf der Vetternwirtschaft im Ministerium wiegt schwer. Angemessene Reaktionen kamen viel zu spät, doch mittlerweile musste ein Abteilungsleiter gehen, ein Referatsleiter wurde versetzt, die Wasserstoff-Förderung eingefroren und die hausinterne Aufklärungsarbeit zu den Vorwürfen komplett neu aufgerollt. Das ist ganz schön viel – und doch reicht es nicht. Wir werfen einen Blick zurück auf die Wasserstoff-Affäre und zeigen auf, warum es auch jetzt noch weitere Schritte braucht.

Zusammenfassung

  • Der Anschein der Vetternwirtschaft im Verkehrsministerium rund um die Vergabe von Wasserstoff-Fördergeldern hat sich bestätigt. Auch das Verkehrsministerium räumte inzwischen Ungereimtheiten ein und zog entsprechende Konsequenzen.
  • Das Ministerium hatte die Vorwürfe zu nachlässig behandelt – und handelte zu spät. Es legte übliche Compliance-Empfehlungen viel zu eng aus. Zudem zeigte sich im Nachhinein, dass die Aufklärungsarbeit des Ministeriums völlig unzureichend und zahnlos war. Das wirft kein gutes Licht auf das Ministerium, weil es sich lange auf eine sehr gründliche Aufklärung berufen hatte und keine Zweifel an deren Ergebnissen zugelassen hatte.
  • Eine problematische Rolle spielte der Umgang des Ministeriums mit einem Teil-Widerruf des Handelsblatts zu den Vorwürfen. Das Verkehrsministerium berief sich immer wieder darauf und weckte den falschen Eindruck, dass damit alle Vorwürfe ausgeräumt seien - obwohl das Ministerium bereits vorher einräumen musste, dass Abteilungsleiter Bonhoff mit seinem Skifreund und Wasserstoff-Lobbyisten zu dessen Fördergesuch zustimmend kommuniziert hatte.
  • Es braucht nun weitere Aufklärung und weitere Konsequenzen. Es stehen zudem problematische Interessenkonflikte rund um die bundeseigene NOW, die die Wasserstoff-Fördergelder koordiniert, im Raum. Zudem braucht es dringend eine neue politische Kultur, die angemessen mit Interessenkonflikten umgeht. Dazu braucht es auch weitere Schritte in Richtung modernisierter Compliance-Verfahren in den Ministerien.

Anschein der Vetternwirtschaft hat sich bestätigt

Im Juli 2023 berichtete Daniel Delhaes im Handelsblatt das erste Mal über Freundschaftsnetzwerke rund um die Vergabe von Fördergeldern für Wasserstoff-Projekte im Straßenverkehr. Der Vorwurf der Vetternwirtschaft stand im Raum. In den darauf folgenden Monaten erhärtete sich dieser Anfangsverdacht immer weiter. Klar ist inzwischen: Der Abteilungsleiter Klaus Bonhoff war mit dem Chef eines Lobbyverbands befreundet, der eine Millionenförderung aus Geldern des Verkehrsministeriums erhielt. Mailwechsel belegen, dass Bonhoff eng in die Kommunikation dazu eingebunden war.

Auch mit einem Unternehmer aus Bayern, der ebenfalls Wasserstoff-Gelder erhielt, stand er in sehr vertrautem Austausch, u.a. über einen noch ausstehenden Förderbescheid. Diese beiden Fälle wurden nach Veröffentlichungen von uns und im Spiegel breiter in der Öffentlichkeit thematisiert. Damit ist auch klar, dass Bonhoff in mindestens zwei Fällen nicht ausreichend zwischen privaten und dienstlichen Kontakten getrennt hat. Im Februar 2024 musste schließlich auch das Verkehrsministerium „Ungereimtheiten“ im eigenen Haus einräumen und zog entsprechende erste Konsequenzen, indem es u.a. den beschuldigten Abteilungsleiter entließ.

Damit fehlt ein wesentlicher Akteur in einem ganzen Netz aus Freundschafts- und Lobbyverbindungen rund um die Vergabe von Wasserstoff-Geldern. Mit unseren ausführlichen Recherchen haben wir weitere Netzwerke sichtbar gemacht: etwa rund um die bundeseigene Behörde zur Vergabe von Fördergeldern im Verkehrsbereich NOW und den Wasserstoff-Lobbyverband DWV. Hier bestehen weitere problematische Verbindungen – etwa die enge Freundschaft zwischen Bonhoff und NOW-Geschäftsführer Kurt-Christoph von Knobelsdorff. Ein weiterer Skifreund von Bonhoff sitzt dem Beirat der NOW vor, dessen Lobbyverband und auch die Firma seines Schwiegersohns Fördergelder von der NOW erhielten. Hier braucht es dringend weitere Aufklärungsarbeit.

Allein der Anschein der Vetternwirtschaft ist bereits hochproblematisch und schadet der Glaubwürdigkeit des Ministeriums. Gerade in Zeiten des wachsenden Misstrauens gegenüber demokratischen Institutionen wiegen die Vorwürfe schwer. Das gilt besonders für den Bereich der Geldervergabe. Dieser scheint besonders anfällig für Vetternwirtschaft und sogar Korruption. Es sollte deshalb klar sein, dass hier besonders strenge Compliance-Regeln gelten sollten – und die Einhaltung dieser auch genau kontrolliert wird. Doch das ist hier ganz offenbar nicht passiert.

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Zeitleiste Wasserstoff-Affäre im Verkehrsministerium (Teil 1, 2023)

  • 27.7.2023: Erste Veröffentlichung zum Fall Bonhoff erscheint im Handelsblatt, weitere Berichte des Handelsblatt folgen.
  • 9.8.2023: FragdenStaat erhält Antworten auf IFG-Anfragen, die einen brisanten Mailwechsel zwischen Bonhoff und seinem Skifreund und Wasserstoff-Lobbyist Diwald enthalten. Die Dokumente sind zwar öffentlich, bleiben aber unbeachtet.
  • 24.8.2023: Das Verkehrsministerium legt einen nicht-öffentlichen Zwischenbericht der Innenrevision vor. Die Freundschaft zwischen Bonhoff und Diwald bestätigt sich, Bonhoffs Beteiligung an Kommunikation zu dessen Fördergesuch wird bekannt. Das Ministerium erklärt Bonhoffs Vorgehen dennoch weiterhin für korrekt. Der Bericht bleibt geheim, Journalist:innen werden dazu informiert.
  • 5.9.2023: Das Handelsblatt widerruft einige Aussagen aus seinen Veröffentlichungen (Aussagen zu einer mutmaßlichen Freundschaft zwischen Bonhoff und Unternehmer Brunner). Das Verkehrsministerium verweist Medien auf den Widerruf, zahlreiche Berichte folgen. Dadurch entsteht der fälschliche Eindruck, das Handelsblatt habe sämtliche Vorwürfe zurückgezogen.
  • 5.9.2023: In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Unions-Bundestagsfraktion bestätigen sich die Vorwürfe rund um Bonhoff weiter.
  • 28.9.2023: Das Verkehrsministerium berichtet an den Bundestagsabgeordneten Victor Perli (Linke), dass Bonhoff ein Fördergesuch von Wasserstoff-Lobbyist Diwald „zuvor mündlich befürwortet“ habe und eine Mail dazu mit der Notiz „wie besprochen“ innerhalb seiner Abteilung weitergeleitet hat.
  • 7.12.2023: Das Ministerium legt den nicht-öffentlichen Abschlussbericht der Innenrevision vor. Dazu gibt es kein Pressebriefing. Auf Nachfrage heißt es weiterhin, es sei alles korrekt gelaufen.
  • Im Dezember 2023: Das Verkehrsministerium veröffentlicht hausinterne neue Compliance-Richtlinien. Darin heißt es an vorderster Stelle: „Bei Amtsbezug trennen sich bei uns dienstliche und private Wege“.

Zeitleiste Wasserstoff-Affäre im Verkehrsministerium (Teil 2, 2024)

  • 2.2.2024: LobbyControl und der Spiegel berichten zeitgleich über das Wasserstoff-Netzwerk im Ministerium und belegen die Beteiligung Bonhoffs anhand der Kommunikation zum Fördergesuch Diwalds.
  • 6.2.2024: Der Spiegel berichtet über brisante Mailwechsel zwischen Bonhoff und Wasserstoff-Lobbyist Diwald. Das Ministerium muss später zugeben, dass es diese Dokumente nicht kannte. Diese Dokumente lagen FragdenStaat bereits vor, LobbyControl liegen sie wenig später ebenfalls vor.
  • 7.2.2024: Das Ministerium leitet eine neue hausinterne Untersuchung ein.
  • 15.2.2024: Das Ministerium gibt bekannt, dass Abteilungsleiter Bonhoff entlassen ist und der für Wasserstoff zuständige Referatsleiter versetzt wurde. Es bestehe kein Vertrauensverhältnis mehr.
  • 20.2.2024 (morgens): LobbyControl erhält weitere brisante Mailwechsel zwischen Bonhoff und Wasserstoff-Unternehmer Tobias Brunner. Darin geht es um vertraute Mails über Bonhoffs Privataccount, Brunner verweist darin auch auf ein noch ausstehendes Fördergesuch. Der Spiegel und LobbyControl berichten zeitgleich über die Mailwechsel. Auch diese Dokumente waren nicht Teil der Untersuchung der Innenrevision, wie das Ministerium wenig später einräumt.
  • 20.2.2024 (abends): Das Ministerium kündigt an, die laufende Wasserstoff-Förderung einzufrieren.
  • 21.2.2024: Staatssekretär Schnorr wird im Haushaltsausschuss des Bundestags befragt, auch im Verkehrsausschuss ist die Affäre Thema.

Ministerium räumt Freundschaften ein, streitet aber Probleme viel zu lange ab

Die Empörung war zurecht groß, nachdem das Handelsblatt Mitte Juli 2023 erstmals die Vorwürfe der Vetternwirtschaft im Verkehrsministerium erhoben hatte. Viele Medien berichteten, wir griffen den Fall sofort auf. In Fachkreisen zeigten sich viele erleichtert, dass das Handelsblatt die Wasserstoff-Netzwerke endlich sichtbar machte, über deren problematische Rolle schon lange gemunkelt wurde. Auch das Ministerium reagierte auf die Vorwürfe und leitete recht zügig eine interne Untersuchung durch die sogenannte Innenrevision des Hauses ein. Doch im Rückblick wird deutlich: Diese verlief völlig unzureichend.

Bereits Ende August legte das Ministerium einen ersten Zwischenbericht ihrer Innenrevision vor. Das Ministerium räumte damals ein, dass Bonhoff mit den Chefs des Wasserstoff-Verbands tatsächlich sehr eng befreundet ist. Der zuständige Staatssekretär Stefan Schnorr berichtete außerdem, dass Bonhoff in die Kommunikation zu einem Förderantrag an einen Freund eingebunden war: Er hatte eine Mail mit einem Fördergesuch von seinem Ski-Freund an einen Referatsleiter in seiner Abteilung weitergeleitet.

Äußerst enge Auslegung von Compliance-Empfehlungen

Brisant ist auch, was Schnorr damals gegenüber den Journalist:innen nicht berichtete, aber bereits gewusst haben sollte: Bonhoff hatte den entsprechenden Förderbescheid seines Skifreundes nicht nur weitergeleitet, sondern vorab bereits befürwortet. Das stand in einer Mitteilung des Verkehrsministeriums an den Bundestagsabgeordneten Victor Perli. Warum dieses wichtige Detail der Öffentlichkeit vorenthalten wurde, bleibt unklar. Als der Spiegel und wir darüber berichteten, kam erstmals Bewegung in die weitere Debatte.

All dies reichten Staatssekretär Schnorr und der Innenrevision allerdings nicht aus, um Bonhoff einen Verstoß gegen die Compliance-Regeln des Ministeriums vorzuwerfen. Als Begründung nannte Schnorr, dass Bonhoff bei der Vergabe von Fördergeldern formal nicht mitgezeichnet habe. Das ist allerdings eine sehr enge Auslegung dessen, was Compliance-Empfehlungen üblicherweise vorsehen. Im „Verhaltenskodex gegen Korruption“ der Bundesregierung heißt es wörtlich: „Trennen Sie strikt Dienst- und Privatleben. Prüfen Sie, ob Ihre Privatinteressen zu einer Kollision mit Ihren Dienstpflichten führen.“ Dass Bonhoff hier nicht wirklich streng getrennt hatte, war seit Ende August bereits klar.

Desaströse Aufklärungsarbeit

Im Nachhinein wird immer deutlicher, dass das Ministerium nicht nur Compliance-Regeln äußert eng auslegte, sondern auch die Aufklärungsarbeit nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit durchgeführt hatte. Denn einige weitere brisante Informationen kamen erst durch Berichte vom Spiegel und von uns an die Öffentlichkeit. Parallel zu der Arbeit der Innenrevision erreichten das Ministerium ab Juli 2023 mehrere Anfragen zu den Vorfällen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) – so u.a. auch vom Spiegel und von uns. Auf diese Anfragen gab das Verkehrsministerium Dokumente heraus, die der Innenrevision nicht vorlagen.

Es stellte sich also heraus, dass die IFG-Anfragen offenbar gründlicher bearbeitet wurden als die Aufforderungen der Innenrevision. Und: Die Innenrevision wurde auch nicht über die Bearbeitung der IFG-Anfragen informiert. So passierte es, dass erste brisante Mails schon im September 2023 an die Organisation FragdenStaat und später an den Spiegel und uns herausgegeben wurden. Von diesen erfuhr die Innenrevision aber erst im Februar 2024, als der Spiegel darüber schrieb und wir Auszüge daraus veröffentlichten. Das ist erstaunlich und zeichnet gleichzeitig ein desaströses Bild der angeblich so gründlichen Aufklärungsarbeit.

Das Ministerium argumentiert mit einem Widerruf des Handelsblatts

Eine wichtige Rolle in der Debatte um die Wasserstoff-Affäre spielte eine veröffentlichte „Klarstellung“ des Handelsblatts. Diese erschien kurz nachdem das Verkehrsministerium den Fall auf Grundlage seines ersten Zwischenberichts für unproblematisch erklärt hatte. Anders als das Handelsblatt vermutet und entsprechend berichtet hatte, war der bayerische Wasserstoff-Unternehmer Tobias Brunner laut eigenen Aussagen nicht mit Abteilungsleiter Bonhoff befreundet oder in den Urlaub gefahren. Dazu legte Bonhoff dem Ministerium eine eidesstattliche Erklärung vor.

Daraufhin veröffentlichte das Handelsblatt einen Teil-Widerruf und berichtete zunächst nicht mehr über den Fall. Abteilungsleiter Bonhoff setzte das Handelsblatt offenbar so weit unter Druck, dass dieses seinen eigenen Redakteur zwingen wollte, seine Quellen offenzulegen und er nicht länger über Verkehrsthemen berichten durfte. Es kam schließlich zu einem Vergleich zwischen Bonhoff und dem Handelsblatt. Den Widerruf des Handelsblatts verstanden viele so, als seien sämtliche Vorwürfe falsch gewesen. Diese Sicht legte auch die Kommunikation des Ministeriums nahe.

Das Ministerium erhöhte den Druck auf Medien weiter, indem es mehrere Medien auf die Klarstellung des Handelsblatt hinwies. So kam bei vielen nun an: Das Handelsblatt habe falsch berichtet, der Vorwurf der Vetternwirtschaft sei aus dem Raum. Die Medienresonanz mit der entsprechenden Botschaft war riesig: Der Deutschlandfunk etwa berichtete am 7. September 2023 fälschlicherweise, dass das Handelsblatt seine Vorwürfe „komplett“ zurückgezogen habe.

Das verzerrte die Debatte enorm. Denn der Hauptvorwurf des Handelsblatts, dass es rund um die Vergabe von Fördergeldern problematische Freundschaftsnetzwerke gegeben habe, blieb weiter bestehen, ging aber in der Berichterstattung verloren. Dabei hatten sich die Vorwürfe gegen Bonhoff im Zuge der Untersuchung der Innenrevision bereits weiter verdichtet. Dennoch verwies das Ministerium immer wieder auf den Widerruf des Handelsblatts, um die Vorwürfe gegen sein Haus abzuwehren. Die Botschaft lautete: Der Fall sei doch nun ausgestanden.

Geheime Berichte: Aussagen lassen sich nicht überprüfen

Das Ministerium hat sich bei seiner hausinternen Untersuchung offenbar zu sehr auf eine gründliche Zuarbeit seiner Mitarbeiter:innen verlassen. Die Ministeriums-Mitarbeiter:innen wurden schriftlich und mündlich aufgefordert, ihre Postfächer nach bestimmten Stichwörtern zu durchsuchen und entsprechende Ergebnisse an die Innenrevision weiterzuleiten. Das Ministerium betonte im Nachhinein auch, dass alle auf ihre Pflicht zur Beteiligung hingewiesen worden seien.

Weitere Kontrollen gab es aber offenbar nicht. Der für die Aufklärung zuständige Staatssekretär Stefan Schnorr teilte dem Haushaltsausschuss des Bundestags im Februar 2024 während einer Befragung mit, dass die Anhaltspunkte für eine tiefergreifende Untersuchung nicht ausgereicht hätten. Es habe gegolten, die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter:innen zu schützen.

Die Aussagen des Ministeriums zu den Berichten der Innenrevision lassen sich nicht überprüfen, weil diese nicht öffentlich waren. Das Ministerium lud lediglich eine ausgewählte Runde an Journalist:innen ein, um erste Untersuchungsergebnisse vorzustellen. Aus einem Großteil dieses Briefings durften die anwesenden Journalist:innen nicht berichten. Selbst Bundestagsabgeordnete durften den Bericht nur unter hohen Auflagen in der Geheimschutzstelle des Bundestags einsehen – und auch keine Informationen daraus weitergeben. Entsprechend groß war die Kritik an der mangelnden Transparenz bei der Aufklärung vor allem von Oppositions-Bundestagsabgeordenten wie Ulrich Lange (CSU) oder Victor Perli (Linke).

Äußerst erstaunlicher Umgang mit schweren Vorwürfen

Der nachlässige Umgang des Ministeriums mit dem Fall Bonhoff steht im Widerspruch zu Schnorrs Aussagen dazu. Der Staatssekretär hatte anlässlich der Veröffentlichung des Zwischenberichts und auch auf weitere Nachfragen hin immer wieder betont, wie gründlich die Untersuchung hausintern durchgeführt worden sei. Er bemühte sich, mit allen Mitteln, keinerlei Zweifel an der Aufklärungsarbeit und deren Ergebnissen zu wecken.

Als der Abschlussbericht der Untersuchung vom Dezember 2023 veröffentlicht wurde, war die Überaschung nicht mehr groß, dass dieser ebenfalls zu dem Ergebnis kam, dass es keinerlei Anhaltspunkte für Fehlverhalten gegeben hätte. Zu diesem Zeitpunkt interessierte sich sowieso noch kaum jemand für den Fall – die Kommunikation des Ministeriums hatte seine Wirkung bereits erzielt. Weitere Medienberichte gab es erst, nachdem der Spiegel und wir weitere Details zu den Vorwürfen an die Öffentlichkeit brachten. Dadurch wurde nun für alle sichtbar und nachvollziehbar, dass Abteilungsleiter Bonhoffs Absprachen mit seinen Freunden und Bekannten zu weit gegangen waren. Das wiederum setzte das Ministerium unter Handlungsdruck.

Nicht der erste Fall von Interessenkonflikten in Ministerien

Der Fall Bonhoff ist kein Einzelfall. Die Vorwürfe der Vetternwirtschaft und problematischer Interessenkonflikte in Ministerien haben sich gerade im letzten Jahr gehäuft: Besonders prominent in den Medien war der Fall des Staatssekretärs Patrick Graichen im Bundeswirtschaftsministerium, dessen Trauzeuge Chef bei der DENA werden sollte und dessen Schwester einem Umweltverband vorsaß, der Gelder aus dem Ministerium bekam.

Brisant war ebenfalls ein Fall aus dem Bundesfinanzministerium: Referatssleiterin Gerda Hofmann erläuterte auf einem Seminar für Hochvermögende, wie diese die Steuern vermeiden können, die ihr Haus gerade erarbeitet. Hofmann wurde inzwischen innerhalb des Ministeriums versetzt.

Diese und weitere Fälle zeigen, dass es weitergehende Konsequenzen braucht. Wir haben bereits nach dem Fall Graichen erste Eckpunkte mit Vorschlägen für den Umgang mit Interessenkonflikten in Ministerien erarbeitet. Nun muss das Verkehrsministerium handeln. Gleichzeitig braucht es neue Regeln und Verfahren für die gesamte Bundesregierung.

Unsere Forderungen an das Verkehrsministerium

Das Verkehrsministerium hat bereits erste Konsequenzen gezogen: Bonhoff wurde entlassen, ein zuständiger Referatsleiter versetzt und die Wasserstoff-Förderung eingefroren. Die bundeseigene NOW soll extern untersucht werden. Zusätzlich veröffentlichte das Ministerium bereits im Dezember hausintern einen „Compliance Leitfaden zu Interessenkonflikten“ und rollte die hausinterne Untersuchung durch die Innenrevision ab dem 7.2.2024 neu auf. Das sind wichtige Schritte, doch sie kamen viel zu spät und reichen noch nicht aus. Nun muss das Ministerium endlich die notwendige Ernsthaftigkeit beweisen, um seine Glaubwürdigkeit wiederherzustellen.

Dazu zählen folgende weitere Schritte:

  • Das Ministerium sollte in seiner Kommunikation zu dem Fall klar einräumen, dass es bei der Aufklärung schwerwiegende Fehler begangen hat. Hierfür müssen vor allem Staatssekretär Stefan Schnorr und Minister Volker Wissing die Verantwortung übernehmen.
  • Die erneute Aufklärungsarbeit sollte dieses Mal transparent sein. Es muss für die Öffentlichkeit, aber auch für die Bundestagsabgeordneten nachvollziehbar sein, wie diese durchgeführt wird und welche Berichte dazu verfasst werden.
  • Das Ministerium sollte sich externe Unterstützung für die Aufklärung besorgen – und zwar nicht nur wie bereits angekündigt für die Untersuchung der bundeseigenen NOW, die die Vergabe der Fördergelder koordiniert.
  • Es ist richtig, dass nun auch die Rolle der bundeseigenen NOW weitergehend untersucht wird. Im Zentrum der Untersuchung muss hier die Frage stehen, ob es auch hier problematische Interessenkonflikte gab und wie mit diesen umgegangen wurde bzw. wird.

Unsere Forderungen an die Bundesregierung

Es braucht aber auch für die gesamte Bundesregierung einen angemessenen Umgang mit Fragen von Interessenkonflikten, Compliance und Integrität. Das Thema muss in der Bundesregierung gut verankert werden – und nicht nur beim passenden Anlass dem politischen Gegner angekreidet werden. Hierfür braucht es eine entsprechende Kultur und Haltung in allen Teilen der Politik, die immer wieder neu gepflegt werden muss. Entsprechende Schulungen sind hier wichtig.

Die bestehenden Regeln haben sich als nicht mehr zeitgemäß erwiesen. Sie setzen zu sehr auf die Pflichttreue der Beamt:innen und auf deren Fähigkeit, mögliche Interessenkonflikte selbst einzuschätzen und anzuzeigen. Bestehende Regelwerke der Ministerien sollten entsprechend abgeglichen, angepasst und vereinheitlicht werden. Internationale Empfehlungen zur Vermeidung von Interessenkonflikten und zur Korruptionsprävention sollten dabei als Vorbild dienen.

Als erste wichtige Schritte schlagen wir vor:

  • Kontrolle und Aufsicht: Es braucht eine zentrale, eigenständige und unabhängige Stelle zur Kontrolle und Aufsicht für Fragen der Transparenz und Integrität. Als Vorbild dient die Hohe Behörde für Transparenz im öffentlichen Leben in Frankreich. Diese nimmt Interessenerklärungen von hochrangigen Amtsträger:innen zentral entgegen, prüft und trifft Entscheidungen zum Umgang mit Interessenkonflikten. Die Behörde kann eigenständig Untersuchungen durchführen und Hinweisen auf regelwidriges Verhalten nachgehen.
  • Interessenerklärungen: Hochrangige Entscheidungsträger:innen in Ministerien sollten künftig verpflichtet sein, vor Amtsantritt und bei wesentlichen Änderungen eine sogenannte Interessenerklärung abzugeben. Diese sollte Angaben zu finanziellen Interessen wie Unternehmensbeteiligungen enthalten. Bei Bewilligungsverfahren sollten alle daran beteiligten Beschäftigten aktiv befragt werden, ob es private Beziehungen zu den Verfahrensbeteiligten gibt.

Ausführliche Informationen zum Thema Regelungsbedarf zu Interessenkonflikten in Ministerien und vielen anderen Entwicklungen und Neuerungen im Bereich Lobbyregulierung und was noch zu tun ist, finden sie in unserem Lobbyreport, der am 14.03.2024 erscheint.

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