Dieser Artikel erschien zuerst am 26. April 2025 als Gastbeitrag im Mannheimer Morgen
Nur knapp vier Wochen, dann war die heiße Phase der Koalitionsverhandlungen schon wieder um. Union und SPD stellten ihren Koalitionsvertrag vor und sprachen von Politikwechsel. Kurz und schmerzlos, könnte man meinen – doch das Ergebnis ist ein harter Schlag für die Zivilgesellschaft. Nichtregierungsorganisationen werden an den Pranger gestellt und Transparenz droht zurückgedreht zu werden. Dagegen knicken Union und SPD vor den mächtigen Lobbys hier nicht nur ein, sie laden unausgewogenen Lobbyismus geradezu ein. Diesen Verdacht legt der Koalitionsvertrag zumindest nahe.
Koalitionsverhandlungen sind für Lobbyist*innen eine Hochzeit. Hier werden die Weichen für die nächsten Jahre gestellt, hier will man sich einschalten, die eigenen Forderungen platzieren. Und sogar in den Verhandlungsgruppen saßen einige Politiker*innen mit am Tisch, die selbst in Lobbyorganisationen aktiv sind und eine ungute Nähe zu Wirtschaftsinteressen haben.
Paradebeispiel: Bauernlobbyist Günther Felßner von der CSU. Einer der höchsten Funktionäre des Bauernverbands, der erwiesenermaßen die Agrarindustrie vertritt, sollte sich als Landwirtschaftsminister für das Gemeinwohl einsetzen. Einen Politiker mit einer derartig einseitigen Orientierung ohne Scheu ins Rennen zu schicken, ist schon ein verheerendes Signal an die Wählerinnen und Wähler. Die Union droht als „Partei der Wirtschaft“ jetzt wieder mächtigen Lobbyist*innen Tür und Tor zu öffnen. Und dabei sind diese sowieso schon klar im Vorteil.
Übermacht der Wirtschaftslobby
Diesen Vorteil sehen wir allein schon an den Zahlen. Schauen wir uns doch die Lobbywelt einmal genauer an: Eine Milliarde wird in Berlin jährlich für Lobbyarbeit ausgegeben – mindestens. Das Lobbyregister von Bundestag und Bundesregierung gibt Einblicke dazu, wer eigentlich Lobbyarbeit betreibt und auch wozu. Bei einem genaueren Blick wird sehr schnell deutlich: Die Wirtschaftslobby dominiert das politische Berlin. 81 der 100 stärksten Lobbyakteure sind Wirtschaftsunternehmen oder ihre Verbände.
Es mag vielleicht wenig überraschend sein, dass große, finanzstarke Konzerne auch mehr Geld für Lobbyarbeit ausgeben als etwa ein gemeinnütziger Verein, der nicht auf Profit ausgerichtet ist. Der Einsatz in die Interessenvertretung zahlt sich für sie schließlich später auch finanziell aus. Doch problematisch ist es allemal, wenn ihre finanzielle Übermacht der Wirtschaftslobby einen Vorsprung verschafft, den gesellschaftliche Gruppen, Umweltverbände oder Sozialinitiativen kaum aufholen können. In wessen Interesse wird die Politik dann gemacht? Anliegen, die keine finanzstarke Lobby haben, geraten dadurch unter die Räder.
Diffamierungskampagne gegen NGOs
Dieses Machtungleichgewicht gilt es auch deshalb zu betonen, weil gerne das Gegenteil behauptet wird. Konservative und rechtspopulistische Akteure zeichnen gerade in Berlin und Brüssel das irreführende Bild einer starken „Ökolobby“. Diese Erzählung wurde dank Unterstützung durch Medien wie die Bild-Zeitung so oft wiederholt, dass sie sich zu verfestigen droht. Angestachelt von diesen Erfolgen ging die Union im Wahlkampf zum direkten Angriff über: CDU-Chef Merz sah die „Omas gegen Rechts“ als Bedrohung für die Demokratie. Philipp Amthor (CDU) polterte aus den Koalitionsverhandlungen mit dem Vorhaben, das Informationsfreiheitsgesetz abschaffen zu wollen. Dank dieses Gesetzes, das Zugang zu behördlichen Informationen ermöglicht, wurde vor wenigen Jahren sein eigener Lobbyskandal aufgedeckt. Nach lautem Protest ruderte er zurück. Nun heißt der Plan: „reformieren“ – was das genau bedeutet, bleibt zu befürchten.
Geld, Macht und politischer Einfluss
Während die CDU und die Springer-Medien also das falsche Bild von angeblichen NGO-Schattenstrukturen zeichnen, ist der Einfluss auf die Politik an ganz anderer Stelle tatsächlich gefährlich für unsere Demokratie. So sind in diesem Wahlkampf nie da gewesene Summen an Parteispenden geflossen: mehr Großspenden als jemals zuvor und gleich mehrere Spenden von Einzelpersonen in Millionenhöhe, vor allem an die extrem rechte AfD. Solch hohe Geldflüsse sind ein Einfallstor für problematische Einflussnahme und verzerren den politischen Wettbewerb im Interesse einzelner Superreicher oder Unternehmen.
In den meisten EU-Ländern gibt es deshalb inzwischen eine Obergrenze für Spenden an Parteien – in Deutschland nicht. In den USA sieht man, wozu grenzenlose Spendenmöglichkeiten führen können. Dort haben die Spenden von Elon Musk in Höhe von 277 Millionen US-Dollar vermutlich zu Trumps Wahlerfolg beigetragen und ihm anschließend einen Platz in der Regierung gesichert. Das sollte uns deutlich machen, warum wir ganz dringend unsere Parteienfinanzierung modernisieren müssen, und zwar mit einem Spendendeckel. Es ist nicht demokratisch, wenn eine Handvoll Superreicher einer Partei Millionen in die Parteikasse spülen kann.
Ein aktueller Schnappschuss gibt einen Eindruck von Geld und Einfluss: CDU-Chef Friedrich Merz schmunzelnd, mit einem Big Mac in der Hand. Hintergrund: Nachdem die CDU ihren Parteitag vom Fast-Food-Riesen sponsern ließ, posierte Merz, zu dem Zeitpunkt noch Kanzlerkandidat, für ein Foto und scheute sich dabei offenbar nicht, den Anschein zu erwecken, gekauft zu sein. Passend dazu machen Union und SPD der Gastronomie jetzt mit der Mehrwertsteuersenkung auch noch ein milliardenschweres Steuergeschenk, von dem vor allem Konzerne wie McDonalds und andere Ketten profitieren und für das sich der Gastronomie-Lobbyverband Dehoga eingesetzt hatte.
Vor dem Hintergrund wachsender gesellschaftlicher Ungleichheiten sind diese hohen Spenden an Parteien besonders problematisch. Ihr Geld und ihre Großspenden verleihen den ohnehin Mächtigen und Vermögenden also auch ungleiche politische Macht.
Die Spielregeln ändern
Wer viel Geld hat, kann viel Einfluss nehmen – das mag zwar so sein, ist aber kein Naturgesetz, sondern eine politische Entscheidung. Wir können die Spielregeln ändern. Die wichtigste, konkrete Maßnahme, die LobbyControl fordert, um den Einfluss durch Geld zu begrenzen, ist es, die Parteispenden endlich zu deckeln, also eine Obergrenze zu setzen. Außerdem darf es nicht sein, dass jetzt Einflussmöglichkeiten der Zivilgesellschaft weiter eingeschränkt werden – sie sind das Korrektiv zu den mächtigen Interessen von Superreichen und Konzernen. Wenn jetzt, wie von den Unionsparteien gefordert, ihre Klagerechte und ihr Zugang zu Informationen eingeschränkt werden, dann haben wirklich nur noch diejenigen die Macht, die das Geld haben. Und das sind, wer hätte es gedacht, eher nicht die Umweltverbände oder die Omas gegen Rechts.

Parteispenden deckeln
Die Parteispenden müssen begrenzt werden, um den Einfluss auf die Poltik durch viel Geld zu verhindern.
Jetzt Appell unterzeichnen!