Heute abend läuft der dritte Teil von „2030 – Aufstand der Alten“ im ZDF. Rund um die Dokufiction hat der ZDF letzte Woche einen Themenschwerpunkt zum demographischen Wandel gebaut – mit einer einseitigen Expertenauswahl. So kamen letzte Woche verschiedene „Experten“ zu Wort, die zugleich enge Verbindungen zur Versicherungswirtschaft oder Kampagnen wie der Arbeitgeber-„Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM) haben. Am Montag war Bernd Raffelhüschen als Studiogast bei WISO geladen, um dort u.a. fachkundige Ratschläge zur Privaten Altersvorsorge zu geben. Raffelhüschen ist Aufsichtsratsmitglied der ERGO-Versicherungsgruppe, tourt als Redner für den Finanzdienstleister MLP durch die Lande und ist Berater der INSM sowie Vorstand der marktliberalen „Stiftung Marktwirtschaft“. Auch seine Forschung wird stark von der Wirtschaft unterstützt (siehe z.B. die Förderer seines Forschungszentrums Generationenverträge). Den Zuschauern wurden diese Verbindungen nicht offengelegt, Raffelhüschen wurde als Finanzwissenschaftler der Uni-Freiburg präsentiert.
Im ersten Teil der Doku-Fiktion „2030 – Aufstand der Alten“ wurde dann der einschlägig bekannte Lobbyist Meinhard Miegel in der Rolle des warnenden Propheten eingeblendet. Miegel ist Berater des Deutschen Instituts für Altersvorsorge, finanziert von der Deutschen Bank-Gruppe. Das Institut wirbt für eine stärkere private Altersvorsorge, ganz im Interesse der Deutschen Bank-Gruppe und ihrer Versicherungssparte. Später am Abend durfte dann mit Thomas Straubhaar ein weiterer Berater der INSM in der auffällig einseitigen Dokumentation „Altenrepublik-Deutschland“ seine Kommentare abgeben. Straubhaars wurde als Vertreter des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA) eingeblendet, seine Tätigkeit für die INSM wurde nicht erwähnt.
Bild legt nach
Seit gestern fährt auch die Bild-Zeitung eine Kampagne zum Thema Rente. Als „Schock-Tabelle“ präsentierte sie Berechnungen von Peter Oberender, Gesundheitsökonom aus Bayreuth. Auch Oberender hat in der Vergangenheit eng mit der INSM zusammengearbeitet. Außerdem ist er Seniorpartner der Beratungsfirma „Oberender und Partner – Unternehmungsberatung im Gesundheitswesen“ und berät Akteure im Gesundheitswesen darin, wie sie in einem stärker wettbewerblichen Gesundheitssystem bestehen können.
Allerdings regt sich auch Kritik an Oberenders Berechnungen. Die SZ verweist darauf, dass das interessante an Oberenders Studie ist, dass sie Gewinner und Verlierer des demographischen Wandels in Euro-Beträgen ausweist – aber dass es fraglich ist, ob sich das überhaupt seriös berechnen läßt. Die SZ zitiert verschiedene andere Experten:
„Karin Klopsch von der Deutschen Rentenversicherung Bund sagt nur: ‘Wir können die Berechnungen nicht nachvollziehen.’ Gesundheitsökonom Gert Wagner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung hält manches an der Studie ‘für nicht richtig überzeugend’, und der Sozialexperte von Universität Mannheim Axel Börsch-Supan sieht eine ‘logische Inkonsequenz’.“
Gert Wagner verweist darauf, dass für derartige Studien ein Forscher über 30, 40 Jahre festlegen müsse, wie sich Wirtschaftswachstum, Arbeitslosigkeit oder Zinssätze entwickeln. Dabei können kleine Änderungen große Auswirkungen haben.
Gerade weil diese Studien und Prognosen so stark von Annahmen und willkürlichen Setzungen ausgehen, wäre es erforderlich, dass Medien klar stellen, welchen Hintergrund die von ihnen zitierten Experten haben. Außerdem müssten sie verschieden Positionen zu Wort kommen lassen, da es auch zur demographischen Entwicklung verschiedene Einschätzungen gibt. So kritisiert der Demographie-Forscher Bosbach z.B. das „Horrorszenario“ des ZDF in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau. Er greift in seiner Einschätzung z.B. das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts auf, ein Faktor, der beim ZDF auf der Hintergrundseite zu „2030“ überhaupt nicht thematisiert wird.
Angesichts der Stimmungsmache in ZDF und Bild sei nochmal auf den Monitorbeitrag „BILD und die Rentenangst – harte Interessen, weiche Zahlen“ vom März 2006 verwiesen, der weiter aktuell ist.
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