Handelspolitik

Reise durch den Brüsseler Lobby-Dschungel während der TTIP-Verhandlungen

Derzeit findet die vierte Verhandlungsrunde zum Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU (TTIP) in Brüssel statt. Getagt wird hinter verschlossenen Türen; wer dabei ist, ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. LobbyControl ist vor Ort in Brüssel und klärt über Lobbyismus während der Verhandlungen auf. Gemeinsam mit unserer Partnerorganisation Corporate Europe Observatory (CEO) führen wir Journalist/innen und […]
von 11. März 2014

Derzeit findet die vierte Verhandlungsrunde zum Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU (TTIP) in Brüssel statt. Getagt wird hinter verschlossenen Türen; wer dabei ist, ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. LobbyControl ist vor Ort in Brüssel und klärt über Lobbyismus während der Verhandlungen auf. Gemeinsam mit unserer Partnerorganisation Corporate Europe Observatory (CEO) führen wir Journalist/innen und Aktivist/innen in diesen Tagen durch den TTIP-Lobby-Dschungel. An sechs Stationen zeigen wir, wer mitmischt und was die Bedrohungen für die Demokratie sind. Hier ein kurzer Eindruck von den Stationen unserer gestrigen Tour.

Die Generaldirektion Handel

Vor der Generaldirektion Handel

Vor der Generaldirektion Handel.

Den Auftakt unserer Tour machte das Charlemagne Gebäude. Hier sitzt die Generaldirekton Handel. Sie ist in der Europäischen Kommission für Handelsfragen zuständig und führt für die EU die TTIP-Verhandlungen. Im Vorfeld der Verhandlungen hat die Direktion vor allem Unternehmenslobbyisten angehört, um deren Interessen mit einzubeziehen. 93 Prozent aller Gespräche fanden mit Unternehmensvertretern statt, den Rest der Gespräche durften sich Gewerkschaften, Verbraucherschutzorganisationen und zivilgesellschaftliche Akteure teilen.

Die Bertelsmann-Stiftung: Gute Stimmung für TTIP

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Im Residence Palace hat u.a. Die Bertelsmann Stiftung ihren Sitz.

Die Bertelsmann-Stiftung hat ihren Sitz gleich gegenüber dem Generaldirektorat im Residence Palace. Sie engagiert sich auffallend stark, um eine positive Stimmung für TTIP zu erzeugen. In ihrer Öffentlichkeitsarbeit hebt sie mögliche positive Effekte stark heraus, während Zweifel und Risiken wenig Beachtung finden. Im Auftrag der EU soll die Bertelsmann-Stiftung nun eine Werbetour für TTIP durchführen.

Regulatorische Kooperation und die US-Handelskammer

Auch die US-Handelskammer darf bei unserer Tour natürlich nicht fehlen. Sie hat ihren Sitz gleich um die Ecke von Generaldirektorat und Bertelsmann-Stiftung. Die Handelskammer hatte sich zusammen mit Business Europe, dem größten Interessenverband der europäischen Industrie in Brüssel, massiv dafür eingesetzt der sogenannten regulatorischen Kooperation in die Verhandlungen zu verhelfen. Regulatorische Kooperation würde bedeuten, dass Unternehmen in EU und USA in Zukunft ein Recht darauf haben, über neue Gesetzesvorhaben zu beraten, bevor sie in die jeweiligen Parlamente kommen.

Die problematische Besetzung der Kommissions-Expertengruppen

Es folgte der Besuch des Borchette Gebäudes, in dem sich die Expertengruppen der Kommission treffen. Diese Beratungsgremien sind zum großen Teil von Unternehmensinteressen dominiert. Auch für das Generaldirektorat Handel gilt: Es lässt sich regelmäßig bei handelspolitischen Fragen von einseitig besetzten Expertengruppen beraten.

Forum Europe: Privilegierter Zugang zu politischen Entscheidungsträgern

Station 5 bietet eine weitere Komponente des Brüsseler Lobbydschungels: Forum Europe organisiert Events und Konferenzen zu zentralen europäischen Gesetzgebungsprozessen. Häufig finden die Events im Parc Leopold direkt hinter dem Europäischen Parlament statt. Für Unternehmen lohnen sich die Konferenzen – durch gezieltes Sponsoring können sie sich privilegierten Zugang zu politischen Entscheidungsträgern verschaffen, die oft und gern zu diesen Veranstalten kommen. Und siehe da: Zu TTIP gab es zuletzt eine Konferenz Ende Januar 2014. Ein Unternehmen, dass gerne mit den politischen Entscheidungsträgern auf einem Podium sitzen wollte, konnte sich dies für schlappe 10.000 EUR kaufen.

Sidley Austin und die Interessen von Anwaltskanzleien

Zuletzt besuchten wir eine der zahlreichen Anwaltskanzleien, die massiv von dem Freihandelsabkommen profitieren würden. Denn TTIP würde Unternehmen verstärkt Klagerechte gegenüber Staaten vor internationalen Schiedsgerichten einräumen. Das würde nationale Gerichtsbarkeit aushebeln und ein weiteres lukratives Geschäft für international agierende Anwaltskanzleinen wie Sidley Austin eröffnen.

TTIP-Lobbyismus durchleuchten – wir bleiben dran

Die Verhandlungen zu TTIP sind ohne Zweifel eine Lobbyschlacht, auf beiden Seiten des Atlantiks. Und das meiste davon geschieht hinter für uns Bürgerinnen und Bürger verschlossenen Türen. Wir arbeiten daran, wenigstens ein bisschen Licht ins Dunkle zu bringen. Und bitten Sie: Stärken Sie uns den Rücken. Mit Ihrer Fördermitgliedschaft finanzieren Sie unsere unabhängigen Recherchen, Publikationen und Aktionen. Noch bis zum 30.4. bedanken wir uns bei Ihnen mit einem hoch aktuellen und brisanten Buch über „Europas Strippenzieher“.

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