Vor gut einer Woche stimmten die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten – darunter die deutsche Bundesregierung – dem umstrittenen JEFTA-Handelsabkommen mit Japan zu. Gestern wurde das Abkommen symbolisch unterzeichnet. Anfang Juli war ich unterwegs in Tokio, um mich mit der japanischen Zivilgesellschaft auszutauschen und unsere Kritik an dem Abkommen dort zu verbreiten. Es war ein wichtiger Austausch, der die Bewegungen auf beiden Seiten stärkt und voranbringt.
JEFTA in Japan: Noch krassere Geheimniskrämerei
Während sich in Europa die politische Auseinandersetzung um JEFTA zuspitzte und die Frage der Wasserversorgung hochkochte, war davon in Japan sehr wenig zu spüren. Öffentliche Aufmerksamkeit haben Handelsabkommen dort so gut wie keine – erst recht nicht die Kritik daran.
Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass Bürgerinnen und Bürger dort noch deutlich weniger über Handelspolitik erfahren als wir in Europa. Es ist geradezu zum Verzweifeln, wenn die japanischen Kollegen erzählen, dass neben dem Austausch mit uns ihre Hauptinformationsquelle zu JEFTA die Website der EU-Kommission ist.
Denn das zeigt deutlich, wie schlecht die Informationslage der japanischen Zivilgesellschaft ist. Und es zeigt zugleich: Unsere Kritik an der Intransparenz der EU-Handelspolitik in den vergangenen Jahren und die Teilerfolge, die wir damit erzielt haben, sind von enormer internationaler Bedeutung. Denn erstens können auch Bürger anderer Staaten, mit denen die EU verhandelt, Informationen abfragen. Und zweitens bezieht sich die japanische Zivilgesellschaft in ihren politischen Auseinandersetzungen mit der japanischen Regierung auf unseren Kampf für mehr Transparenz in der EU.
Allerdings kann man auch mit der Situation in Europa noch längst nicht zufrieden sein. Handelskommissarin Malmström veranstaltet „zivilgesellschaftliche Dialoge“ in Brüssel, bei denen ihr in erster Linie Konzernlobbyisten zujubeln. Und die EU-Kommission stellt zwar Positionspapiere zu einzelnen Kapiteln auf ihre Website, zum Teil auch ihre Verhandlungspositionen – nicht aber die Vertragstexte, die tatsächlich verhandelt werden.
Diese Teil-Transparenz gibt es erst, seit die Kommission während der TTIP-Verhandlungen mit den USA wegen ihrer Geheimstrategie massiv in die Kritik geriet. Und nach wie vor gilt: Die zentrale Information, die die Zivilgesellschaft braucht, ist der Verhandlungstext. Denn nur an ihm kann man prüfen, was in den komplizierten Handelsabkommen tatsächlich alles enthalten ist. Wer also auf Transparenz in der Handelspolitik besteht, muss für die Veröffentlichung des Verhandlungstextes kämpfen. Und das werden wir weiter tun! Denn das ist im Interesse von Bürgerinnen und Bürgern sowohl in Europa als auch darüber hinaus.
Einseitiger Konzerneinfluss ist selbstverständlich
Doch zurück zur Reise: Bei meinem Vortrag in Tokio sprach ich auch über den einseitigen Konzerneinfluss auf die JEFTA-Verhandlungen, über den wir bereits berichtet haben. 89 Prozent der Treffen fanden mit Lobbyisten der Großkonzerne statt, kleine und mittlere Unternehmen sowie Gewerkschaften spielten überhaupt keine Rolle. Die Zivilgesellschaft hatte gerade mal einen Anteil von vier Prozent an den Treffen.
Doch das schockte die anwesende japanische Zivilgesellschaft wenig. Denn in Japan ist es selbstverständlich, dass in der Handelspolitik ausschließlich die Konzernlobby mit am Verhandlungstisch sitzt und bestens mit Informationen zum Abkommen versorgt wird. Ganz vorne dabei ist der mächtige japanische Industrieverband Keidanren. Der Verband hatte gemeinsam mit seinem europäischen Pendant BusinessEurope umfassende Vorschläge zu regulatorischer Kooperation in JEFTA gemacht und das fertige Kapitel vor einer Woche ausdrücklich begrüßt.
Hinzu kommt, dass in Japan Seitenwechsel von Ministerien in Unternehmen an der Tagesordnung sind. Ministerialbeamte gehen dort mit 60 in Rente, arbeiten aber in der Regel noch weiter und bekommen oft einen hochrangigen Posten angeboten. Aus diesem Grund sind sie in ihrer Arbeit oftmals sehr entgegenkommend im Hinblick auf Konzerninteressen.
Ein Funke Hoffnung: Wechselseitige Inspiration und enge Zusammenarbeit gegen die Lobbymacht der Konzerne
Die Eindrücke aus Tokio machen deutlich: Es ist inspirierend und wichtig im Austausch zu sein, es zeigt, dass wir mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind, und es stärkt die internationale Kritik an Abkommen wie JEFTA, die in erster Linie Konzerninteressen dienen. Es hilft auch, uns nicht gegeneinander ausspielen zu lassen. Das, was Trump gerade macht, nämlich eine Konfliktlinie zwischen den USA und Europa aufzubauen, schürt Hass und führt in die Irre. Denn die eigentliche Konfliktlinie liegt nicht zwischen den USA und Europa, sondern zwischen Konzernmacht und Demokratie. Und das müssen wir im Blick behalten. Nur wenn wir uns auf beiden Seiten gegen die politische Dominanz der Konzerninteressen zur Wehr setzen, werden wir zu einer demokratischeren und transparenten Handelspolitik kommen. Das nehmen wir uns als Leitmotiv für unsere Arbeit in den kommenden Monaten, in denen die Parlamente in Japan und der EU über JEFTA abstimmen.
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Mehr Informationen und Impressionen aus Japan in unserem Video:
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