3.263.920 Menschen gegen TTIP & CETA: Das politische Gewicht der Rekord-Bürgerinitiative ist groß – auch gegenüber den Pro-TTIP-Lobbygeldern.
Bürgerprotest der Superlative
Gestern überreichte das Stop TTIP-Bündnis in Brüssel die Unterschriften, die die selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative (sEBI) binnen eines Jahres gesammelt hat. Ein absoluter Rekord, dessen politisches Gewicht eine gigantische Waage vor dem Kommissionsgebäude illustrierte: Bündel von Unterschriftenlisten wurden gegen Säcke voller Lobbygeld in die Waagschale geworfen.
Dreimal so viele Unterschriften wie erforderlich kamen zusammen, 23 Länder statt der sieben erforderlichen übersprangen die Hürde, über 500 Organisationen stehen hinter den Forderungen: „Dieser große Erfolg zeigt deutlich, wie stark der Widerstand gegen TTIP und CETA in ganz Europa ist“, sagte Susan George vom Stop TTIP-Bürgerausschuss, und mahnte für die selbstorganisierte EBI die Folgen an, die bei einer offiziell registrierten EBI selbstverständlich sind: „Wenn an den Versprechen von Transparenz und Bürgernähe auch nur ein Fünkchen Wahrheit ist, müssen die EU-Institutionen jetzt eine Anhörung und die Behandlung im Parlament und in der Kommission einleiten.“
Wie geht es weiter?
Die sEBI hat keine rechtlich bindende Wirkung. Doch das politische Signal dürfte wohl kein Politiker und keine Politikerin überhören, die irgendwann wieder gewählt werden wollen. Das in seiner europäischen Breite einmalige „Stop TTIP“-Bündnis wird weitermachen. Zunächst wird es u. a. die Klage gegen die EU-Kommission weiter verfolgen, die mit fadenscheiniger Begründung die formelle EBI-Registrierung abgelehnt hatte. Auch die Petition kann weiter unterzeichnet werden, die nach dem offiziellen Enddatum eingehenden Unterschriften werden aber separat gezählt.
Angesichts des breiten Widerstands liegen bei manchen TTIP-Verfechtern die Nerven blank, wie die jüngste TTIP-Debatte des Bundestags zeigte. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion Joachim Pfeiffer vergriff sich gleich mehrfach im Ton, indem er kritische Bürger/innen als „einfach gestrickte Gemüter“ beschimpfte, die sich von einer „Empörungsindustrie“ aus Nichtregierungsorganisationen aufwiegeln ließen. Zugleich trat die Spaltung innerhalb der SPD so deutlich zutage wie nie: Während Sigmar Gabriel die Abkommen verteidigte, riefen SPD-Bundestagsabgeordnete zur „Stop TTIP“-Demo am kommenden Samstag in Berlin auf.
Die nächste Verhandlungsrunde: Augen auf und raus
Das Signal, das von dieser Großdemo ausgehen wird, kommt gerade rechtzeitig. Gerade letzte Woche hatte Frankreichs Regierung öffentlich ihre Bereitschaft erklärt, die TTIP-Verhandlungen gegebenenfalls zum Scheitern zu bringen – und auch CETA zu blockieren, bis zumindest die privaten Schiedsgerichte aus dem Vertrag verschwunden sind.
Eine gute Nachricht. Jedoch feiert die Konzern-Lobby kurz vor der nächsten TTIP-Verhandlungsrunde, die am 19. Oktober in Miami beginnt, ebenfalls einen Etappensieg: Am Montag wurde nach fünf Jahren Verhandlung die Transpazifische Partnerschaft (TPP) unterzeichnet, das TTIP-analoge Abkommen der USA mit elf weiteren Staaten im pazifischen Raum.
Ich wette: Wir werden nun also noch öfter und noch lauter zu hören bekommen, dass Europa wirtschaftlich „abgehängt“ werde, wenn es nicht „mitzieht“ und TTIP akzeptiert. Doch ein schlechtes Argument wird durch unablässige Wiederholung nicht zum guten Argument. Kein Wachstumsversprechen – erst recht nicht die mit TTIP maximal erreichbaren 0,045 Prozent – kann die Umgehung des Rechtsstaats und die Aushebelung demokratischer Rechtsetzung aufwiegen.
Nach Lobby-Großspenden wechselten US-Senatoren das Lager
Hinzu kommt: TPP ist zwar unterzeichnet, aber noch längst nicht ratifiziert. In den USA etwa gibt es bis in die republikanische Partei hinein Widerstand gegen TPP und TTIP – vor allem aufgrund der schlechten Erfahrungen mit dem nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA, durch das rund eine Million US-Arbeitsplätze verloren gingen. Es ist also keineswegs ausgemacht, dass TPP durch den Kongress kommt. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass skeptische US-Politiker von Lobbyisten buchstäblich gekauft werden, wie der Guardian mit Bezug auf Daten des US-Wahlbüros berichtete.
So flossen allein von Januar bis März 2015 über eine Million US-Dollar von der TPP-Lobby an verschiedene Senatoren, einige von diesen strichen über 100.000 Dollar pro Person ein. Fünf unentschlossene Senatoren fielen kurz darauf um und votierten für eine zügige „Fast Track“-Abstimmung über TPP, bei der der Kongress einzelne Kapitel nicht mehr zurückweisen kann. Wir werden weiter verfolgen, welche Wege Lobbyisten in Europa gehen, um Stimmung für CETA und TTIP zu machen.
[button]Am 10. Oktober in Berlin: Großdemo gegen TTIP & CETA – Infos hier[/button]
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