Handelspolitik

TTIP 2.0: Konzernlobbyisten dominieren bei Vorbereitungen für neues Handelsabkommen mit den USA

Zwei Jahre nach Aussetzen der Gespräche zu einem Handelsabkommen zwischen den USA und der EU bereiten sich die Mitgliedstaaten und die EU-Kommission auf neue Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten vor. Vergangene Woche haben die Staats- und Regierungschefs der EU über die erneute Aufnahme von Verhandlungen mit den USA beraten. Alle Signale gehen in Richtung eines […]
von 26. März 2019

Zwei Jahre nach Aussetzen der Gespräche zu einem Handelsabkommen zwischen den USA und der EU bereiten sich die Mitgliedstaaten und die EU-Kommission auf neue Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten vor. Vergangene Woche haben die Staats- und Regierungschefs der EU über die erneute Aufnahme von Verhandlungen mit den USA beraten. Alle Signale gehen in Richtung eines TTIP 2.0.

Dabei scheint sie aus TTIP nichts gelernt zu haben: Wieder einmal sind es in erster Linie Lobbygruppen großer Unternehmen, die sich mit den Verhandlungsführer/innen der Komission treffen. Gleichzeitig versucht die Kommission ihre Verbindungen zu Unternehmenslobbyisten zu verheimlichen. Das zeigen neue Auswertungen unserer Brüsseler Partnerorganisation Corporate Europe Observatory (CEO).

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Verhandlungsstart im Juli 2018

Im Juli 2018 starteten US Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Junker „in eine neue Phase der Beziehungen zwischen den USA und der Europäischen Union“. Seitdem sind EU- und US-Beamte damit beschäftigt, neue Verhandlungen zu einem transatlantischen Handelsabkommen vorzubereiten. Beide Seiten veröffentlichten im Januar Entwürfe zu Verhandlungsmandaten. Aus dem Rat der EU könnte es dazu Ende März grünes Licht geben.

Rückkehr alter Bedenken gegenüber TTIP

Seit dem Treffen zwischen Trump und Juncker hat die EU-Kommission bereits einige Schritte in Richtung Ausweitung der Importe von US-Produkten unternommen, darunter aus Fracking gewonnenes Gas und genmanipuliertes Sojaprodukte. Das erinnert an die Zeit im Vorfeld der TTIP-Verhandlungen, in der die Kommission europäische Standards bereits vor den Verhandlungen gelockert hatte, um die USA zufrieden zu stellen und an den Verhandlungstisch zu bringen.

Verfolgt man beispielsweise den massiv subventionierten Bau neuer Pipelines, Terminals und anderer Gas-Infrastruktur, ist Europa einer der Topabnehmer amerikanischen Flüssiggases (LNG). Größtenteils wird dieses Gas durch Fracking produziert, eine Methode der Gasgewinnung, die umweltschädlich und Klima verschmutzend ist. Importe von amerikanischem genmanipuliertem Soja zur Fütterung in europäischen Mastbetrieben haben ebenfalls stark zugenommen. Die Kommission hat außerdem den Weg für Biodiesel aus amerikanischem Soja freigemacht. Dies geschah, obwohl aus den eigenen Reihen bekannt gemacht wurde, dass dieser schlechter für Klima und Umwelt ist als fossiler Diesel.

Regulatorische Kooperation Teil des Verhandlungspakets

Noch alarmierender ist, dass die EU die Verhandlungen zur umstrittenen regulatorischen Kooperation wieder aufnehmen möchte. Deutlich wird dies im Mandat für sogenanntes „Conformity Assessment“, das derzeit im Rat der EU diskutiert wird. Laut einem durchgesickerten Dokument von Oktober 2018 könnten diese Gespräche viele Bereiche betreffen – von Pharmaprodukten bis hin zu Lebensmittelstandards (einschließlich umstrittener genmanipulierter Produkte und hormonell behandeltem Rindfleischs).

Regulatorische Kooperation war eine der umstrittensten Themen bei TTIP neben den Schiedsgerichten. Man riskiert damit, den Einfluss multinationaler Unternehmen in der EU und den USA auf die Gesetzgebung erheblich zu stärken – zum Nachteil der Umwelt und des Gesundheitsschutzes. Die amerikanische Handelskammer bezeichnete regulatorische Kooperation einst als „ein Geschenk, das immer aufs Neue beschenkt“ („a gift that keeps on giving“).

[button]Unsere Analyse des Mandats für Conformity Assessment (englisch)[/button]

Dutzende Treffen mit Lobbyisten von Großkonzernen

Wie beim ersten Anlauf zu TTIP dominieren hinter den Kulissen Unternehmenslobbyisten die Vorbereitungen für Verhandlungen mit den USA – Gewerkschaften, Umweltverbände und Verbrauchergruppen bleiben wieder weitgestgehend außen vor. Dies zeigen interne Kommissionsdokumente, die unsere Partnerorganisation Corporate Europe Observatory von der EU-Kommission auf eine Anfrage im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes erlangte.

In den vier Monaten nach Junckers und Trumps Zusammenkunft im Juli 2018 trafen sich Mitarbeiter der Handelsdirektion 49 mal zum transatlantischen Handel mit Lobbyisten. Nur fünf mal (10%) kamen sie dabei mit Gewerkschaften, Umweltverbänden und Verbrauchergruppen zusammen. Die Übrigen 90% der Treffen fanden mit Konzernvertretern statt, darunter Lobbyisten von VW, vom amerikanischen Pharma-Konzern Eli Lily und vom US-Landwirtschaftsverband Bunge. Die Kommission traf sich zudem mit Lobbyvervänden, wie dem größten europäischen Arbeitgeberverband BusinessEurope und der US-Handelskammer.

Dieser enge Kontakt zwischen EU-Verhandlungsführern und Unternehmenslobbyisten erinnern an die TTIP-Verhandlungen, die mehrheitlich durch Großkonzerne beeinflusst wurden (Für einen guten Überblick: Corporate Capture in Europe S. 26-37).

Auch bis Ende Februar bleibt es bei dem unausgewogenen Verhältnis zugunsten von Konzernlobbyisten bei den Vorbereitungen der Verhandlungen mit den USA. Das zeigen unsere ergänzenden Auswertungen der Monate Dezember bis Februar: 92 Prozent der veröffentlichten Lobbytreffen nahm die Handelsdirektion mit Konzernlobbyisten wahr.

Unsere Kritik daran ignorierte die Handelsdirektion beim „zivilgesellschaftlichen Dialog“ am 19. März. Auf die Frage, wie sie mehr Ausgewogenheit beim Lobbying schaffen wolle, gab es keine Antwort von Director General der Handelsdirektion Demarty. Ohnehin ist der Begriff zivilgesellschaftlicher Dialog ein Etikettenschwindel. 82 Prozent der Teilnehmer vertraten bei der Veranstaltung die Interessen von Unternehmen.

Eigene Auswertung der Teilnehmerliste des sogenannten "zivilgesellschaftlichen Dialogs" zu Handelspolitik.

Eigene Auswertung der Teilnehmerliste des sogenannten „zivilgesellschaftlichen Dialogs“ zu Handelspolitik.

Beunruhigende Wunschliste der Konzerne

Die regelmäßigen Treffen der Kommission mit Konzernlobbyisten sind besonders beunruhigend, wenn man sich die Wunschliste der Industrie für ein transatlantisches Handelsabkommen anschaut.

Beispielsweise möchte die amerikanische Pharma-Lobbygruppe PhRMA (Pharmaceutical Research and Manufacturers of America, Lobbyisten für Eli Lily, Pfizer, Sanofi und andere) die bevorstehenden Verhandlungen nutzen, um europäische Regeln für die Absicherung der Bezahlbarkeit von Medikamenten in Frage zu stellen. Ein Mitglied des Kabinetts von Handelskommissarin Cecilia Malmström traf PhRMA Mitglied Eli Lilly im September 2018.

Währenddessen möchte der US Getreide-Rat („US Grains Council“), der Lobbyarbeit für Landwirtschaftsriesen wie Bunge und Bayer-Monsanto betreibt, die Gespräche über regulatorische Kooperation nutzen, um den Export von genveränderten Produkten nach Europa zu erhöhen, die Regeln für Pestizidrückstände in Lebensmitteln verwässern und europäische Bemühungen zur Regulierung hormonverändernder Chemikalien zu untergraben. Beamte der Handelsdirektion trafen Lobbyisten von Bunge, einem Mitglied des Grain Council, im November 2018.

Während die EU-Kommission bereits zwei Mandate für neue Verhandlungen über Zollsenkungen und regulatorische Kooperation vorgelegt hat, fordern Unternehmenslobbyisten ein noch umfassenderes Handelsabkommen im Geiste der früheren TTIP-Verhandlungen. Ähnliches schägt die US-Regierung vor.

Kommission verheimlicht Verbindungen zu Lobbyisten

Die EU-Kommission versucht, ihre Kontakte mit industriellen Lobbygruppen, die versuchen, das künftige transatlantische Handelsabkommen zu beeinflussen, zu verheimlichen. Während die Kommission eine Liste ihrer Lobby-Treffen über zukünftige Handelsabkommen als Antwort auf eine Anfrage von CEO veröffentlichte, verweigerte sie den Zugang zu damit verbundener Korrespondenz mit Lobbyisten (damit begründet, dass es zu viel Arbeit sei). Die verbleibenden 55 Dokumente – darunter auch Berichte über Treffen mit Verbänden, wie BusinessEurope oder der US-Handelskammer – wurden bis jetzt noch nicht veröffentlicht, obwohl die Anfrage bereits vor einigen Monaten erfolgte.

Vorbereitungsprozess: Die undurchsichtige Arbeitsweise der „Executive Working Group“

Die Kommission verweigerte ebenfalls öffentliche Auskunft über die tatsächlichen Vorbereitungen der Verhandlungen mit den USA. Es geht etwa um die Frage, welche wirtschaftlichen Sektoren in das Abkommen mit einbezogen werden. Auf die Anfrage von Corporate Europe Observatory, wer in der „leitenden Arbeitsgruppe“ (Executive Working Group) zur Vorbereitung der Verhandlungen sei, antwortete die Kommission im November 2018 nur, dass sie keine Liste der Gruppenmitglieder hätte. Außerdem verweigerte die Kommission die Veröffentlichung von Treffen, die im Kontext dieser Gruppe stattfanden.

LobbyControl Aktive bei Protesten gegen die JEFTA-Ratifizierung in Brüssel. © LobbyControl.

LobbyControl Aktive bei Protesten gegen die JEFTA-Ratifizierung in Brüssel. © LobbyControl.

Schluss mit dem weiter so: Für eine demokratische Handelspolitik

Noch haben die EU-Staats- und Regierungschefs den Verhandlungsmandaten mit den USA nicht zugestimmt. Die Bundesregierung hat es also in der Hand. Sie könnte einen offenen und demokratischen Verhandlungsprozess zur Bedingung für die Zustimmung zum Mandat machen und Handelskommissarin Malmström den Auftrag geben, die Forderung nach Lobbytransparenz der EU-Bürgerbeauftragten O‘Reilly ernstzunehmen. O’Reilly forderte während der TTIP-Verhandlungen: „Die EU-Institutionen müssen… proaktive Transparenz über Lobby-Einfluss gewährleisten, um eine ordentliche öffentliche Kontrolle zu ermöglichen.“

Schon jetzt zeigt unsere kritische Analyse des Verhandlungsmandats für regulatorische Kooperation, dass sich der einseitige Einfluss von Konzernen im Vorfeld der Verhandlungen bereits bemerkbar macht. Der Umgang mit Lobbyeinfluss der EU-Kommission spielt dabei eine entscheidende Rolle. Handelskommissarin Malmström geht dabei weder deutlich transparenter vor als bei TTIP, noch nimmt sie die Aufforderung des Kommissionspräsidenten Juncker von 2014 an alle Kommissar/innen ernst, sämtliche Interessen bei der Aufnahme von Verhandlungen zu berücksichtigen. Auch hier könnte die Bundesregierung Druck für ausgewogenen Lobbyeinfluss machen und sich dabei auf Juncker beziehen.

Wer den Ruf loswerden will, eine einseitige Handelspolitik im Interesse von Konzernen zu machen, der darf nicht wieder die gleichen Fehler wie bei TTIP begehen. Unter diesen Voraussetzungen sollte die Bundesregierung nicht – wie sie es gerade tut – Druck für das Verhandlungsmandat mit den USA machen, sondern ihre Zustimmung zu Verhandlungen so lange vorenthalten, bis Transparenz und Ausgewogenheit beim Lobbying hergestellt sind. Die Mitgliedstaaten haben es in der Hand: Auch sie sind dafür verantwortlich, für eine demokratische Handelspolitik zu sorgen, die diesen Namen verdient.

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