Die EU-Kommission setzt sich bei den Verhandlungen zu einem Transantlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) für die Interessen der Finanzlobby ein. Dies wird aus einem Verhandlungsdokument deutlich, das unserer Partnerorganisation Corporate Europe Observatory (CEO) und der Financial Times vorliegt. Demnach will die Kommission laxere Regeln für die Finanzindustrie in den USA erreichen. Dabei waren diese Regeln nach der Finanzkrise erst neu eingeführt worden.
Die EU-Kommission will offensichtlich über den Weg der sogenannten regulatorischen Kooperation bei TTIP die Deregulierung des Finanzsektors in den USA durchsetzen.
Aggressive Strategie der EU-Kommission bei Finanzdienstleistungen
Trotz der skeptischen Haltung der US-Verhandlungsführer hält die EU-Kommission daran fest, dass Finanzdienstleistungen Teil dieser regulatorischen Kooperation bei TTIP sein sollen. Hinter dem harmlos klingenden Begriff der regulatorischen Kooperation verbirgt sich die Idee, die Erarbeitung von Gesetzen und Regulierungen in der EU und in den USA grundlegend zu ändern.
Demnach hätten die US-Regierung und Unternehmen in Zukunft umfassende Möglichkeiten auf Gesetzesinitiativen in Europa Einfluss zu nehmen – lange bevor Parlamente sie überhaupt zu Gesicht bekämen. Umgekehrt bestünde die Einflussmöglichkeit der EU-Kommission und europäischer Unternehmen auf die US-Gesetzgebung. Ziel dieser Änderungen bei der Gesetzgebung ist die Harmonisierung von Gesetzgebung in Europa und den USA. Auf die damit verbundenen Gefahren für die Demokratie haben wir die Verhandlungsführer bereits im Mai dieses Jahres in einem offenen Brief hingewiesen. Auf die erwartete Stellungnahme dazu warten wir weiterhin vergebens.
Die US-Verhandlungsführer haben bislang im Falle von Finanzdienstleistungen dem Druck der EU-Kommission stand gehalten und sich kritisch zur EU-Verhandlungsposition geäußert. Der US-Handelsbeauftragte Michael Froman sagte dazu, dass er ablehne, die Regulierung des US-Finanzsektors über TTIP aufzuweichen. Trotzdem hält die EU an ihrer Position fest und übt weiter Druck auf die US-Verhandlungsführer aus. Dies geht aus den Dokumenten hervor, die CEO und der Financial Times vorliegen.
Großer Einfluss der Finanzlobby auf TTIP
Die Gefahr, dass über die TTIP-Verhandlungen die vergleichsweise strikte Regulierung in der USA geschwächt wird, ist also real. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn der Bundesverband deutscher Banken „eine bessere Regulierungsabstimmung für die transatlantischen und globalen Finanzmärkte“ im Rahmen von TTIP fordert. Oder die British Bankers Association (BBA) die Bemühungen um einen permanenten Mechanismus für künftige Regulierungen begrüßt und selbstverständlich die Einbeziehung von Finanzdiensleistungen als zentral erachtet. Die BBA macht zudem keinen Hehl daraus, dass die Kommissionsposition die Position des Verbandes deutlich widerspiegelt. TheCityUK, ein weiterer britischer Lobbyverband, frohlockt sogar, dass die EU-Verhandlungsposition nahezu vollständig aus ihrer Broschüre zu TTIP stammen könnte.
Allerdings ist hier nicht nur der europäische Finanzsektor beteiligt. Auch die US-Banken haben Interesse an einer Deregulierung des Finanzsektors. Deshalb arbeiten europäische und US-amerikanische Finanzlobbyisten eng zusammen für die Einbeziehung ihrer Anliegen in die Verhandlungen.
Regulatorische Kooperation als Gefahr für die Demokratie
In einem Artikel bei Zeit-Online hatte der EU-Handelskommissar Karel de Gucht vor kurzem die Kritik der Zivilgesellschaft an TTIP als falsch zurückgewiesen. Dies gelte auch für den Bereich der Regulierung, der selbstverständlich „kein race to the bottom sein kann und auch nicht sein wird.“ Der nun durchgesickerte Verhandlungsentwurf der EU-Kommission zu Finanzdienstleistungen zeigt, dass unsere Vorbehalte gegenüber den Geheimverhandlungen mehr als gerechtfertigt sind.
LobbyControl ist aktuell während der Verhandlungswoche in Brüssel und begleitet die TTIP-Verhandlungen kritisch. Mit regulatorischer Kooperation entsteht aus unserer Sicht ein Einfallstor für Unternehmensinteressen bei der Gesetzgebung, dem man einen Riegel vorschieben muss. Gerade das hier aufgezeigte Beispiel der Finanzdienstleistungen zeigt zudem, dass auch die EU-Kommission eine aggressive Agenda zugunsten von Unternehmen betreibt, die bestehende Regulierungen in den USA bedroht.
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