Die EU-Gesetzgebung betrifft uns alle und hat oft besonders weitreichende Folgen. Es geht etwa darum, die Macht von Digitalkonzernen zu begrenzen, den Umgang mit Künstlicher Intelligenz zu regeln oder die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz in Lieferketten sicherzustellen. Die entscheidenden Verhandlungen zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und den Mitgliedsstaaten im sogenannten Trilog finden jedoch im Verborgenen statt. Sie sind ein Einfallstor für einseitigen Lobbyeinfluss - doch wir erfahren nicht, wie diese Verhandlungen laufen und wer welche Positionen vertritt.
Die EU weigert sich bisher, Dokumente zu den Verhandlungen herauszugeben. Dabei hat das Europäische Gericht 2018 geurteilt, dass die Öffentlichkeit ein Recht auf diese Informationen hat.
Wir fordern die EU-Institutionen auf, die Dokumente der Trilog-Verhandlungen stets aktuell zu veröffentlichen. Bitte unterzeichnen auch Sie unseren Appell an die Präsident:innen des EU-Parlaments, der EU-Kommission und des Europäischen Rats:
Sehr geehrte Frau Metsola,
sehr geehrter Herr Michel,
sehr geehrte Frau von der Leyen,
in der EU werden Gesetze mit weitreichenden Folgen verabschiedet. Die Gesetzgebungsprozesse in Brüssel sind dabei teilweise sehr intransparent. Gerade die entscheidende Phase der Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission im sogenannten Trilog findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Lobbys nutzen diese finale Phase der Gesetzgebung, um in letzter Minute Änderungen in ihrem Interesse durchzusetzen. Im Vorteil sind finanzstarke Lobbyakteure, die in der Lage sind, bei allen drei EU-Institutionen gleichzeitig ihren Einfluss geltend zu machen.
Uns Bürgerinnen und Bürgern hingegen fehlen meist die notwendigen Informationen, um den Gesetzgebungsprozess zu verfolgen. Dabei haben gerade wir ein Recht darauf, die Entscheidungsfindung für Regeln, die unser Leben bestimmen, mitverfolgen und öffentlich diskutieren zu können.
Wir fordern deshalb ein Ende der Geheimverhandlungen zwischen den drei EU-Institutionen im Trilog und eine Offenlegung der zentralen Verhandlungsdokumente.
Sie haben die Chance, mit einer einfachen Transparenz-Maßnahme die europäische Demokratie zu stärken und mehr Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger am europäischen Projekt zu ermöglichen. Sorgen Sie jetzt dafür, dass die sogenannten Vierspaltendokumente direkt nach ihrer Erstellung proaktiv veröffentlicht werden, so dass wir alle Einblick in die laufende Gesetzgebung bekommen.
Mit freundlichen Grüßen,
Click here to read our petition in English
Dear Roberta Metsola (President of the European Parliament),
Dear Ursula von der Leyen (President of the European Commission),
Dear Charles Michel (President of the European Council),
The EU passes laws that have far-reaching consequences, yet some of its legislative processes are largely opaque. In particular, the critical negotiations between Parliament, Council and Commission, known as “trilogues”, take place behind closed doors.
Lobbyists use this final legislative phase to push for last-minute changes in their favour, with well-funded lobbies who can exert influence on all three EU institutions at the same time being best placed to take advantage.
We as citizens, on the other hand, mostly lack the information needed to follow the development of new legislation. And yet we, more than anyone, have a right to be able to understand and debate such developments. After all, it’s our lives that are impacted by the resulting rules and regulations.
We therefore call for an end to the practice of holding “trilogue” meetings between the three institutions in secret, and for key negotiating documents to be made public.
This simple step towards greater transparency is an opportunity to strengthen European democracy and enhance civic participation in the European project. Act now to ensure newly drawn up “four-column” documents are swiftly and proactively published so that anyone can scrutinise ongoing legislative processes.
Yours sincerely,
Der Appell wird von unserer Partnerorganisation Corporate Europe Observatory (CEO) unterstützt.
Hintergrund
Was sind die Trilog-Verhandlungen?
Die sogenannten Trilog-Verhandlungen sind Teil des Gesetzgebungsverfahrens der Europäischen Union. Etwa 70 bis 80 Prozent der Gesetze werden im Trilog verhandelt. Im Trilog versuchen das Parlament, die Kommission und der Rat der Mitgliedsstaaten eine Einigung zu erzielen, nachdem sie zuvor jeweils ihre Verhandlungsposition festgelegt haben. Die Trilog-Verhandlungen sind die letzte und damit entscheidende Phase in der EU-Gesetzgebung.
Welche Rolle spielen die 4-Spalten-Dokumente?
Der Fortschritt der Trilog-Verhandlungen wird in den sogenannten Vier-Spalten-Dokumenten (4 column document = 4CT) festgehalten. Diese enthalten in den ersten drei Spalten die Positionen der drei Organe (EU-Kommission, EU-Parlament und Rat der Mitgliedsstaaten) und in Spalte 4 den vorläufigen Kompromissvorschlag. Von Bedeutung sind vor allem die politischen Triloge mit Beteiligung der Ratspräsidentschaft, den zuständigen Kommissar:innen und den parlamentarischen Berichterstatter:innen. Nach jeder politischen Trilog-Runde werden die Vier-Spalten-Dokumente aktualisiert. Diese Dokumente sind notwendig, um den Verhandlungsfortschritt nachvollziehen zu können - das heißt, um zu sehen, wer sich bewegt und wohin, und welche Kompromissvorschläge aktuell auf dem Tisch liegen. Deshalb gehören diese Dokumente an die Öffentlichkeit.
Warum ist mehr Transparenz wichtig?
Die Trilog-Verhandlungen sind von großer Intransparenz geprägt, da sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Vor allem die Rolle der Mitgliedsstaaten in den Verhandlungen bleibt unklar. Die 4-Spalten-Dokumente sind die einzige Möglichkeit, den Stand und Fortschritt der Verhandlungen direkt nachvollziehen zu können. Daher können wir unsere demokratischen Rechte nur dann wahrnehmen, wenn wir Zugang zu diesen Dokumenten haben.
Die Ermöglichung breiter Öffentlichkeit und Diskussion über entstehende Gesetze ist zudem wichtig, um die europäische Demokratie zu stärken und die Akzeptanz des europäischen Projekts insgesamt zu erhöhen.
Was sagt die EU-Gerichtsbarkeit dazu?
2018 hat das Europäische Gericht (Teil des Gerichtshofs der EU) im Capitani-Urteil entschieden, dass das „Europäische Parlament auf einen konkreten Antrag hin grundsätzlich Zugang zu den Dokumenten über die laufenden Triloge gewähren muss“. Begründung: „Die Ausübung der demokratischen Rechte der Bürger setzt voraus, dass es ihnen möglich ist, den Entscheidungsprozess innerhalb der an den Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe im Einzelnen zu verfolgen und Zugang zu sämtlichen einschlägigen Informationen zu erhalten.“ Die Herausgabe der Dokumente kann dem Urteil zufolge nur verweigert werden, wenn dadurch eine „schwere Beeinträchtigung des Entscheidungsprozesses“ entsteht.
Wie geht die EU mit offiziellen Informationsanfragen zu Trilog-Dokumenten um?
Informationsanfragen zu den 4-Spalten-Dokumenten werden häufig abgelehnt oder erst nach dem Ende der Verhandlungen beantwortet. Diese Erfahrung haben wir wiederholt bei den Verhandlungen über den Digital Markets Act gemacht.
Die Veröffentlichung der Dokumente erst nach Abschluss der Verhandlungen ist zwar als historische Dokumentation interessant. Aber für diejenigen, die den Prozess verfolgen und die Interessen von Bürger:innen geltend machen wollen, ist sie weitgehend nutzlos. Die Weigerung des Europäischen Parlaments, die Dokumente freizugeben, macht die Anträge auf Zugang zu den Dokumenten sinnlos.
Gibt es andere Möglichkeiten, an die Dokumente zu kommen?
Während der Verhandlungen über den Digital Markets Act wurden uns 4-Spalten-Dokumente zugespielt. Diese haben wir veröffentlicht, damit sich die Öffentlichkeit ein Bild von den Verhandlungen machen konnte. Vereinzelte Leaks können jedoch nicht die regelmäßige und zeitnahe Veröffentlichung der Dokumente durch die EU-Kommission ersetzen.
Teilweise werden die 4-Spalten-Dokumente in der Datenbank des EU-Parlaments veröffentlicht. Häufig jedoch zu spät, um den politischen Prozess eng zu verfolgen.