Zusammenfassung
- Chinesische Techkonzerne sind in Europa verstärkt präsent über Sponsoring, zuletzt bei der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland.
- Mit Huawei und Tiktok fallen zwei chinesische Techkonzerne mit zunehmender Lobbyarbeit auf. Zusammen geben sie 6,39 Mio. Euro in der EU und Deutschland aus.
- Chinesische Techkonzerne haben ein Imageproblem und investieren deshalb in Imagewerbung. Tiktok und Huawei etwa setzen auf Präsenz auf der Republica oder über Förderprogramme für junge Menschen.
- Um ihr Image gegenüber der Politik zu verbessern, arbeiten Huawei und Tiktok mit Denkfabriken in Brüssel zusammen. Die Verbindungen legen die Konzerne teilweise nicht offen.
- Wegen ihres schlechten Images bei der Politik setzen chinesische Techkonzerne auf die Zusammenarbeit mit Lobbyagenturen, die im Auftrag der Unternehmen lobbyieren. Die zentralen Agenturen in Brüssel sind Brunswick und FTI Consulting.
- Schützenhilfe bei der Lobbyarbeit bekommen chinesische Techkonzerne von der deutschen Industrie. Bei der Beteiligung am 5G-Ausbau unterstützten die deutschen Netzbetreiber Huawei, allen voran die Telekom.
- Neben der deutschen Industrie können sich chinesische Unternehmen darauf verlassen, dass sie stets die chinesische kommunistische Partei und ihre verlängerten Arme vor Ort an ihrer Seite haben. Die Botschaften in Berlin und Brüssel spielen dabei eine bedeutende Rolle.
- Die Kommunistische Partei Chinas hat über die Jahre Netzwerke in Europa aufgebaut. Eine zweifelhafte Rolle spielen dabei die Parlamentariergruppen in Brüssel und Berlin sowie sogenannte chinesische Freundschaftsvereine.
- In Berlin fällt vor allem die China-Brücke als Lobbyforum der chinesischen Techkonzerne auf. Huawei Cheflobbyist Carsten Senz ist einer der Mitgründer der China-Brücke.
Chinesische Techkonzerne drängen aktuell stark auf den europäischen Markt. Besonders sichtbar wurde das zuletzt durch das massive Sponsoring bei der Fußball-Europameisterschaft. Daher ist es nicht überraschend, dass diese Konzerne auch ihre Lobbyarbeit in Brüssel und Berlin ausbauen. Das gilt vor allem für Huawei und Tiktok, aber auch Alibaba macht sich mittlerweile bemerkbar. Über eine Ausweitung der Lobbyaktivitäten, Imagewerbung und ein undurchsichtiges Lobbynetzwerk, das die Unterstützung der staatlichen Diplomatie der kommunistischen Partei und der deutschen Industrielobby hat, weitet sich der Einfluss chinesischer Techkonzerne aus. Ein Überblick.
Wer ist Chinese Big Tech?
Die drei größten chinesischen Techkonzerne Baidu, Alibaba und Tencent spielen auf dem europäischen Markt keine vergleichbar dominante Rolle wie auf ihrem chinesischen Heimatmarkt. Das chinesische Internet ist von der sogenannten „Great Firewall“ umgeben, aller Datenverkehr von und nach außen wird politisch kontrolliert. Im chinesischen Internet gelten besondere Gegebenheiten, die von starker Zensur und der Abwesenheit internationaler Konkurrenz geprägt sind.
Viele chinesische Digitalkonzerne sind deshalb fast ausschließlich auf den chinesischen Markt konzentriert. Einerseits wegen seiner Größe, aber auch wegen der Schwierigkeit, Parallelstrukturen für das chinesische und das internationale Internet aufzubauen. Entsprechend ist deren Lobbyarbeit bisher überschaubar: Baidu betreibt laut europäischem und deutschem Lobbyregister überhaupt keine Lobbyarbeit. Alibaba und Tencent geben zusammen 1 Mio. Euro in Brüssel und 120.000 Euro in Berlin an Lobbyausgaben an. Zum Vergleich: Google, Amazon und Meta geben in Brüssel zusammen 19,5 Mio. Euro jährlich aus.
BAT: Baidu, Alibaba und Tencent
Als die drei größten Techkonzerne aus China gelten Baidu, Alibaba und Tencent. Sie werden kurz BAT genannt.
- Baidu ist das chinesische Google mit der entsprechenden Suchmaschine.
- Alibaba verfügt mit Taobao und außerhalb von China mit Aliexpress über die größte chinesische Handelsplattform und den breit genutzten dazugehörigen Bezahldienst Alipay. Der Konzern ist das chinesische Gegenstück zum US-Konzern Amazon.
- Tencent vereint die größten chinesischen Social Media Plattformen und Messenger auf sich. Das Unternehmen ist vergleichbar mit Meta, dem Mutterkonzern von Facebook, Instagram und Whatsapp. Tencent bietet mit WeChat noch viel mehr Funktionen an als Meta mit seinen Social Media Angebot, allen voran die Bezahlfunktionen. Inzwischen wird in China fast jede Alltagszahlung über WeChat gemacht.
- Sowohl Alibaba als auch Tencent bieten damit vergleichbare Bezahldienste wie das US-Pendant Paypal an. Baidu hat ebenfalls einen Bezahldienst, der aber nicht vergleichbar relevant ist.
Quelle
Auffällig ist, dass Alibaba zwar nicht mit direkter Lobbyarbeit, sehr wohl aber über Sponsoring präsent ist. Alipay und Aliexpress waren Sponsoren der Fußball EM 2024 in Deutschland und tauchten in zahlreichen Werbebannern auf. Das deutet darauf hin, dass Alibaba in naher Zukunft verstärkt auf den europäischen Markt expandieren könnte. Ein größeres Logistikzentrum gibt es bereits seit 2021 am Flughafen Lüttich.
Huawei und Tiktok: Großes Interesse am europäischen Markt
Doch es gibt durchaus andere chinesische Techkonzerne, die bereits in Europa engagiert sind und zunehmend ihr Geschäft auf dem europäischen Markt aggressiv ausbauen beziehungsweise verteidigen. Deren Auftreten dürfte uns Hinweise darauf geben, was wir perspektivisch von Alibaba & Co zu erwarten haben. Allen voran sind das der Technologiekonzern Huawei und die umstrittene Videoplattform Tiktok des Mutterkonzerns ByteDance. Das schlägt sich auch in deren Lobbyarbeit nieder.
Verstärkte Lobbyarbeit von Huawei und Tiktok
Huawei und Tiktok betreiben zunehmend Lobbyarbeit in Berlin und Brüssel. Hier ein Überblick über ihr Engagement:
Eckdaten zu Huaweis Lobbyarbeit
- Huawei gibt seit 2012 2-3 Mio. Euro pro Jahr für Lobbyarbeit in Brüssel aus.
- Das Unternehmen verfügt über 11 Vollzeitlobbyist:innen in der EU (Quelle), die seit Beginn der von der Leyen Kommission Ende 2019 insgesamt 32 Treffen mit dem Top-Level der EU-Kommission (Kommissar:innen und ihre Kabinette) hatten (Quelle). Weitere Treffen auf der Arbeitsebene dürften stattgefunden haben. Diese legt die EU-Kommission allerdings nicht offen.
- In Berlin betreibt der Konzern ebenfalls Lobbyarbeit und gibt dort 2,9 Mio Euro aus. Das ist vergleichbar mit den Ausgaben in Brüssel. Das Hauptstadtbüro in Berlin existiert seit 2012 (Quelle), also ähnlich lang, wie Huawei Lobbyarbeit in Brüssel angibt.
- Interessant dabei: offenbar sind ähnlich viele Personen in die Lobbyarbeit in Berlin involviert wie in Brüssel. Das zeigt das große Interesse von Huawei an einer Beeinflussung der deutschen Politik beziehungsweise der Position der Bundesregierung bei EU-Gesetzgebung im Rat.
Eckdaten zu Tiktoks Lobbyarbeit
- Tiktok hat sich erst 2019 im EU-Transparenzregister eingetragen. Während die Videoplattform 2019 400.000 Euro ausgab, gibt der Konzern zuletzt 1,25 Mio. Euro für seine Lobbyarbeit an (Quelle).
- Tiktok verfügt über 5 Vollzeitlobbyist:innen in Brüssel und hatte insgesamt 34 Treffen mit der EU-Kommission auf der Kommissar:innen- und Kabinettsebene während der letzten 5 Jahre. Auch hier gilt wie bei Huawei, dass womöglich weitere Treffen auf unteren Ebenen der Kommission stattfanden, die nicht offengelegt werden müssen.
- In Deutschland gibt der Konzern 200.000 Euro für seine Lobbyarbeit an und verfügt über drei Vollzeitlobbyist:innen.
Huawei: Kontroverse um den 5G-Netzausgbau
Huawei engagiert sich in Deutschland und anderen EU-Ländern um nicht beim 5G-Netzausbau ausgeschlossen zu werden. Viele der Lobbytreffen von Huawei in Brüssel fanden zum Thema 5G statt. [Quelle] Während Frankreich, die USA, Australien und Großbritannien etwa Huawei-Komponenten im Netzausbau bereits ausgeschlossen haben, ist die Entscheidung der Bundesregierung dazu lange offen gewesen. Erst vor wenigen Tagen erst entschied sie sich für einen Teilausschluss von Huawei Komponenten. Zu Recht. Schon lange gibt es die Forderung Huawei vom 5G-Netzausbau aus sicherheitspolitischen Gründen auszuschließen, weil der Vorwurf im Raum steht, dass die Verbindungen zur chinesischen Regierung zu nah sind und diese damit Zugriff auf Kommunikationsinfrastruktur in Europa habe.
Auch wenn sich die Bundesregierung jetzt mit den Netzbetreibern Telekom, Vodafone und O2 Telefónica geeinigt hat, wurde die Entscheidung von der Vorgängerregierung und der aktuellen Regierung jahrelang verzögert. Das gefährdet nach wie vor die Sicherheit von kritischer Infrastruktur für unsere Gesellschaft (Quelle). Nach dem russischen Gas könnte der nächste sicherheitspolitische Gau mit der Abhängigkeit von chinesischer Kommunikationsinfrastruktur folgen, in die die Bundesregierung sehenden Auges hineingerannt ist. Die Abhängigkeit unserer Demokratien von autokratischen Staaten ist ein Demokratieproblem. Und sie wird mit der jetzigen Entscheidung der Bundesregierung noch einige Jahre fortbestehen. Mehr hierzu in unserer Recherche zu Huawei und 5G.
Tiktok und die Digitalgesetzgebung
Das Demokratieproblem setzt sich auch bei der Bedeutung von Tiktok für die mediale Öffentlichkeit, insbesondere unter jungen Menschen fort. Unsere Demokratie braucht faktenbasierte öffentliche Debatten als Luft zum Atmen. Tiktok produziert jedoch allzu oft das Gegenteil: Fakenews und Hatespeech. Dass dies eine Bedeutung für den Ausgang von Wahlen hat, zeigte zuletzt die Europawahl im Juni.
Lobbyarbeit machte Tiktok zuletzt in Brüssel zu den großen Digitalgesetzen der von-der-Leyen-Kommission, dem Digital Markets Act (DMA) und dem Digital Services Act (DSA). Von beiden Gesetzen, dem DMA und dem DSA, wird die Videoplattform erfasst und darüber stärker kontrolliert. Das ist ein Riesenschritt nach vorn gegen Fakenews und Hatespeech. Ein Großteil der Lobbytreffen von Tiktok mit der EU-Kommission seit 2020 betraf die beiden Gesetze (Quelle).
Auch bei Tiktok steht immer wieder die Forderung im Raum, dass der Konzern vom europäischen Markt ausgeschlossen werden soll. In den USA wird derzeit ein Verkauf oder Verbot von Tiktok diskutiert. Dem Mutterkonzern ByteDance wird vorgeworfen, dass er der chinesischen Regierung Zugang zu sämtlichen Daten auf Tiktok gewähre. (Quelle)
Auftreten als „privater Konzern“ und Lobbyakteur
Huawei und Tiktok teilen das Interesse sich als private Unternehmen und als unabhängig vom chinesischen Staat darzustellen, weil es in ihrem Geschäftsinteresse ist, auf dem europäischen Markt wie jedes andere private Unternehmen behandelt zu werden. Deshalb betreiben beide Unternehmen im klassischen Sinne Lobbyarbeit. Die Unabhängigkeit vom Staat ist jedoch zweifelhaft. Selbst wenn sie formal gegeben ist, hat das chinesische Regime im Zweifel Zugriff auf die Konzerne und unsere Datenflüsse, über die sie verfügen.
Um den Eindruck des privaten Unternehmens zu verstärken, sind sowohl Huawei als auch Tiktok in Brüssel und Berlin Mitglied in zahlreichen übergreifenden Wirtschaftsverbänden, Huawei etwa im European Services Forum (ESF), dem Verband des EU-Dienstleistungssektors (Quelle) oder Tiktok im Verband der EU-Digitalindustrie DigitalEurope. Gleiches gilt in Deutschland, wo beide Unternehmen Mitglied im Branchenverband Bitkom sind. (Quelle)
Undurchsichtige Lobbyarbeit: Huawei, Tiktok und die EU-Denkfabriken
US-Techkonzerne wie Google und Amazon arbeiten in Europa sehr eng mit Denkfabriken zusammen. Es gibt zahlreiche Verbindungen zu den großen Denkfabriken in Brüssel, die teilweise intransparent waren und die Google & Co nur auf von uns erzeugten öffentlichen Druck hin offenlegten. Das gilt nicht gleichermaßen für chinesische Techkonzerne. Doch auch Huawei und Tiktok haben Verbindungen zu Denkfabriken in der EU. Teilweise legen sie diese nicht offen:
- Huawei und Tiktok geben jeweils Verbindungen zu 3 Denkfabriken in Brüssel an: Centre on Regulation in Europe (CERRE), BRUEGEL, Centre for European Policy Studies (CEPS).
- Beide Konzerne haben zudem weitere Verbindungen zum Center for International Policy Leadership (CIPL), geben diese jedoch nicht an. Huawei verschweigt ferner seine Verbindung zum European Policy Centre (EPC), Tiktok gibt sie an. Wir haben dazu Beschwerde beim Sekretariat des EU-Transparenzregisters eingelegt.
Denkfabriken sind private Einrichtungen an der Schnittstelle von Forschung, politischer Debatte und Lobbying. Es gibt große Unterschiede zwischen ihren Arbeitsweisen und ihrem Ethos, und kontrolliert werden ihre Aktivitäten kaum. Denkfabriken sind oft ein wichtiger Bestandteil der Lobbystrategien großer Unternehmen, da sie durch die Veröffentlichung von Studien und Positionspapieren neue Gesetze beeinflussen können. Sie erwecken den Anschein der Objektivität und Unparteilichkeit in ihrer wissenschaftlichen Arbeit und können gleichzeitig mit auf die Gesetzgebung einwirken.
Die oben genannten Denkfabriken organisieren auch Diskussionsveranstaltungen mit politischen Entscheidungsträger:innen, durch die sich interessante Kontakte mit hochrangigen Beamte:innen aus Regierungen und EU-Institutionen ergeben. Alle der oben genannten Denkfabriken haben sich zu Themen der Digitalgesetzgebung geäußert, etwa zum Digital Markets Act und Digital Services Act der EU oder zur Beteiligung von Huawei und ZTE am 5G-Netzausbau.
Tiktok Werbekampagnen
Neben Ausgaben für Lobbyarbeit setzt Tiktok (weniger Huawei) auf Motiv-Kampagnen in Zeitungen und Zeitschriften in Deutschland, um seinen Ruf zu verbessern. Wie viel Geld Tiktok dafür in die Hand nimmt, zeigen jetzt neue Berechnungen von uns. Demnach hat Tiktok seit Januar 2023 allein in Deutschland Imagewerbung im Wert von mehr als 910.000 Euro in Zeitungen und Zeitschriften geschaltet, darunter die Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Spiegel und Handelsblatt. Dabei handelt es sich um die Bruttowerbeausgaben und nicht um den von Tiktok tatsächlich aufgewendeten Betrag. Zum einen wird das Unternehmen versuchen einen niedrigeren Preis auszuhandeln. Dabei kann nur spekuliert werden, wie hoch die Rabatte in der Regel ausfallen. Zum anderen werden für solche Werbekampagnen Dienstleister engagiert, die ebenfalls bezahlt werden müssen.
Die Kosten für Printwerbung stellen gleichzeitig nur einen Teil der Aufwendungen für die Öffentlichkeitskampagnen dar. Beworben werden die Motive nämlich auch als Onlinewerbung und vor allem auch auf den Apps der Plattformen wie Tiktok selbst. Zudem wurden die Kampagnen auch in mehreren europäischen Ländern veröffentlicht. Insgesamt dürfte Tiktok in Europa deutlich mehr für Imagewerbung ausgeben, als die von uns berechneten 900.000 Euro.
Tiktoks Imagepflege: Sponsoring der Republica
Neben Motivkamapagnen fällt auf, dass Tiktok und Huawei auch auf andere Art und Weise systematisch an ihrem Image in Europa arbeiten. Tiktok etwa war 2024 Partner und Sponsor der Republica (Quelle) und hatte auch einen Stand mit diversen Veranstaltungen vor Ort. Am Stand verweilten zahlreiche Besucher:innen, die Veranstaltungen dort waren gut besucht. Alle Berliner Lobbyvertreter:innen des Konzerns waren zugegen und im Gespräch mit Interessierten. Das ist ein Erfolg für Tiktok. Denn die Republica ist die zentrale jährlich stattfindende Konferenz zur digitalen Gesellschaft, die tausende von Besucher:innen nach Berlin lockt. Dort tummelt sich auch die Prominenz der Berliner und der europäischen Politik. Selbst Kommissionspräsidentin von der Leyen war in diesem Jahr zu Gast.
HUAWEI4HER: Huaweis Förderung von Frauen in Techjobs und weitere Imageinitiativen
Auch Huawei arbeitet an seinem Image, etwa über ein Förderprogramm für Frauen in Techjobs in ganz Europa namens HUAWEI4HER. Unter anderem bietet Huawei eine Summer School für weibliche Führungskräfte an und vergibt Stipendien für besonders begabte weibliche Jungunternehmerinnen.
Zudem bietet Huawei seit 11 Jahren das Nachwuchsprogramm „Digital Seeds“ für Studierende an, an dem laut eigener Aussage bereits 15.000 Studierende weltweit teilgenommen haben. 2013 begann das Förderprogramm für digitale Nachwuchsunternehmer:innen mit 14 Teilnehmer:innen, 2023 waren es 100, zwischenzeitlich sogar 200. Hauptgewinn des Wettbewerbs ist eine Reise in Chinas große Metropolen.
Bis 2023 war Huawei zudem Partner und Sponsor der "hochkarätig besetzten Sybersicherheitskonferenz", an der zahlreiche Vertreter:innen deutscher Sicherheitsbehörden teilnehmen.
Zusammenarbeit mit Lobbyagenturen und Anwaltskanzleien
Die große Bedeutung von Imagearbeit ist kein Zufall bei Tiktok und Huawei. Wie es aus EU-Kommissionskreisen heißt, sind Vertreter:innen chinesischer Konzerne eher unbeliebt. Deshalb findet neben Imagewerbung Lobbyarbeit der Techkonzerne indirekt über Lobbyagenturen statt, die im Auftrag von Huawei & Co arbeiten.
Es sind vor allem zwei angelsächsische Lobbyagenturen, die regelmäßig im Zusammenhang mit chinesischen Techkonzernen auftauchen: Brunswick und FTI Consulting. Beide sind international aufgestellt und haben auch Standorte in China. Tiktok arbeitet mit FTI Consulting zusammen. Brunswick unterstützt Alibaba und Tencent bei der Lobbyarbeit in Brüssel. Huawei dagegen setzt auf die aus Spanien stammende, eher kleinen Lobbyagentur ACENTO. Sie verfügt über 5 Vollzeitlobbyist:innen in Brüssel vor Ort (Quelle).
Auch Anwaltskanzleien arbeiten im Auftrag chinesischer Techkonzerne. Bekannt ist das für die Kanzlei Albert & Geiger, die Huawei zu 5G-Lobbyarbeit unterstützt. (Quelle) Albert & Geiger arbeitet auch im Auftrag des Techkonzerns Xiaomi, dem weltweit drittgrößten Smartphonehersteller.
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Ob bei der Frage von 5G-Komponenten oder bei der problematischen Rolle von Tiktok bei der öffentlichen Meinungsbildung: Stets konnten sich chinesische Techkonzerne des Rückhalts der deutschen Industrie sicher sein. Bei der Frage etwa, ob Huawei vom 5G-Netzausbau ausgeschlossen werden solle, verhielten sich deutsche Konzerne auffällig zurückhaltend. Der Bundesverband der Deutschen Industrie hielt vor einigen Jahren wenig davon, einzelne Hersteller vom Aufbau der 5G-Infrastruktur auszuschließen (Quelle), sprach zwar von der Notwendigkeit von IT-Sicherheit, weigerte sich allerdings bis zuletzt die chinesischen Komponentenhersteller Huawei und ZTE als Sicherheitsproblem zu benennen. (Quelle).
Noch deutlicher ist die Position der Netzbetreiber: Telekom, Vodafone und O2 Telefónica machten so lange wie möglich Druck, chinesische Netzkomponenten weiter verbauen zu können, wie es politisch möglich schien. (Quelle).
Die Sorge deutscher Unternehmen, vom wichtigen chinesischen Markt ausgeschlossen zu werden, ist groß. Hinzu kommt, dass viele deutsche Unternehmen günstige Produkte aus China für ihre eigene Fertigung beziehen, so etwa die Netzbetreiber im Falle von Huawei. Diese Abhängigkeiten erklären die Zurückhaltung der Verbände und der Unternehmen selbst, wenn es um den Ausschluss chinesischer Unternehmen in Deutschland und Europa geht, trotz berechtigter sicherheitspolitischer Bedenken.
Weil deutsche Unternehmen nicht auf russisches Gas verzichten wollten und bis zuletzt Druck dafür machten es weiter zu beziehen, war Deutschland nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine in seiner Abhängigkeit von einem autokratischen Staat bloßgestellt. Das könnte auch bei digitaler Infrastruktur passieren, wenn die Bundesregierung jetzt nicht schnell gegensteuert.
Repräsentanten der KP in Brüssel und Berlin
Neben der deutschen Industrie können sich chinesische Unternehmen darauf verlassen, dass sie stets die chinesische kommunistische Partei und ihre verlängerten Arme vor Ort an ihrer Seite haben, wenn es um Expansion auf Auslandsmärkten geht. Insbesondere Europa ist zuletzt verstärkt in den Fokus chinesischer Konzerne geraten, nachdem es in den USA häufiger zu Ausschluss vom Markt kam, unter anderem für Huawei beim Netzausbau.
In Brüssel und Berlin gibt es diverse staatliche und staatsnahe chinesische Institutionen und Lobbyorganisationen, die Interessen der chinesischen Konzerne gegenüber der Politik vertreten. Generell haben private chinesische Unternehmen ein engeres Verhältnis zum Staat als im Westen, der viel mehr Steuerungs- und Zugriffsmöglichkeiten auf Unternehmen hat. Deshalb ist das Risiko, dass etwa Daten an die chinesische Regierung abfließen, selbst bei privaten Techkonzernen hoch.
Botschaften in Berlin und Brüssel
Gleichzeitig bedeutet das enge Verhältnis zum chinesischen Staat auch, dass Unternehmensinteressen teilweise von Staats- oder Parteiorganen vertreten werden – so auch in Europa. Die Grenze von Lobbyismus und Diplomatie ist also teilweise fließend. Dennoch kann man auch auch nicht sagen, dass jedes chinesische Unternehmen direkt der verlängerte Arm des Staates ist. Die dargestellten Akteure vertreten nicht allein die Interessen chinesischer Techkonzerne, sondern der chinesischen Wirtschaft ingesamt.
Dazu gehören die chinesischen Botschaften. Der chinesische Botschafter in Brüssel macht immer wieder damit auf sich aufmerksam, dass er der EU und ihren Mitgliedstaaten damit droht, Marktzugänge in China zu schließen, sollten irgendwelche chinesische Unternehmen in Europa ausgeschlossen werden. In der Regel führt die Botschaft auch europäische Unternehmen ins Feld, die gegen eine Erschwerung des Marktzugangs für chinesische Unternehmen seien. Das dürfte auch zutreffen, sind diese doch selbst besorgt selbst den Marktzugang in China zu verlieren (Quelle), sehr interessant ist auch der X-Account der Botschaft.
- Die chinesische Botschaft in Brüssel wies etwa noch Anfang Juli 2024 darauf hin, dass Huawei weiterhin der wichtigste Lieferant von Netzkomponenten weltweit sei trotz der westlichen Sanktionen (Quelle). Im Juli 2023 drohte die Botschaft, dass ein Ausschluss von Huawei aus dem 5G-Ausbau den eigenen Prinzipien widerspreche (Quelle). Das kommt einer unverhohlenen Drohung gleich entsprechende Konsequenzen auf dem chinesischen Markt zu ziehen.
- Auch eine Studie der Telekom als Netzbetreiber führt die chinesische Botschaft ins Feld gegen den Ausschluss von Huawei aus dem 5G-Ausbau. (Quelle)
Agressives Auftreten
Deutlich aggressiver als die EU-Botschaft tritt die chinesische Botschaft in Berlin auf. Nach der Ankündigung, dass Huawei und ZTE vom 5G-Netzausbau perspektivisch ausgeschlossen werden, drohte die Botschaft über den Nachrichtendienst X Konsequenzen an. Bislang beruhe demnach die Marktöffnung auf Gegenseitigkeit. China werde „notwendige Maßnahmen ergreifen, um die legitimen Interessen eigener Unternehmen zu schützen.“ (Quelle).
Auch die Chinesische Handelskammer in der EU vertritt die Interessen von chinesischen Unternehmen. Das ist zunächst nicht überraschend. Eine Besonderheit ist dabei jedoch, dass sie ausschließlich Interessen chinesischer Unternehmen vertritt und auch nur chinesische Unternehmen dort Mitglied sein dürfen. In der deutschen Handelskammer in China etwa sind sowohl chinesische als auch deutsche Unternehmen organisiert. Unter den Mitgliedern sind auch die Techkonzerne Huawei und ZTE, die Netzkomponenten für das 5G Netz bauen.
Die internationalen Anwaltskanzleien TMF Group und Clifford Chance sind assoziierter Partner der Chinesischen Handelskammer. Clifford Chance bot zuletzt Anfang Juni 2024 eine Weiterbildung für chinesische Unternehmen zur EU-Verordnung über Subventionen aus Drittstaaten an, gemeinsam mit der Wirtschaftsberatungsfirma CompassLexecon (Quelle). Die TMF Group stammt aus den Niederlanden und betreut unter anderem eine Vielzahl von Briefkastenfirmen im Auftrag internationaler Konzerne (Quelle).
Parlamentariergruppen und Freundschaftsvereine
Immer wieder in der Kritik standen Parlamentariergruppen in Brüssel und Berlin. Die „EU-China Friendship Group“ wurde zwar infolge des Korruptionsskandals im Europäischen Parlaments offiziell aufgelöst (Quelle). Es gibt allerdings Anzeichen dafür, dass mindestens informelle friendship groups auch in der neuen Legislatur fortbestehen.
In Berlin besteht die Deutsch-Chinesische Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag ohnehin fort. Vorsitzender ist einer der Gründer der China-Brücke, der ehemalige Innenminister und CSU-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Friedrich.
Daneben bestehen Freundschaftsvereine, die nicht direkt an die Parlamente gekoppelt sind. Sie sollen die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen Europa und China verbessern. In Deutschland existiert der Deutsch Chinesische Freundschaftsverein, der in direkter Verbindung zur Kommunistischen Partei Chinas steht (Quelle). Eng verbunden mit dem Deutsch-Chinesischen Freundschaftsverein ist die ICP International China Projects GmbH, ein Beratungsunternehmen, das laut eigenen Angaben Unternehmen wie Airbus und Siemens zu Chinafragen berät. Geschäftsführerin von ICP ist die Vorsitzende des chinesischen Freundschaftsvereins Luoding Lammel-Rath.
Die Rolle der China-Brücke in Berlin
In Deutschland fällt vor allem die China-Brücke ins Auge. Die China-Brücke ist ein im Jahr 2019 gegründeter Verein, der sich selbst als unabhängige und überparteiliche Dialogplattform für den Austausch zwischen Deutschland, der Europäischen Union und China beschreibt. Laut den Angaben des Vereins kommen hierfür führende Akteure aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik zusammen, die über jahrelange Erfahrungen und ein ausgebautes Netzwerk in China verfügen. In verschiedenen Formaten will der Verein über die deutsch-chinesischen Beziehungen informieren, diskutieren und hierbei die Gesprächskanäle in die chinesische Politik und Gesellschaft offen halten und pflegen.
Die Initiative zur Gründung der China-Brücke geht insbesondere auf Michael Schumann, den Vorstandsvorsitzenden des Bundesverbands für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft (BWA), und den ehemaligen Bundesinnenmister und Bundestagsvizepräsidenten Hans-Peter Friedrich (CSU) zurück. Michael Schumann ist aktuell sehr bemüht um die chinesischen Wirtschaftsbeziehungen und kritisierte zuletzt die Zölle auf chinesische Elektroautos (Quelle). Ebenfalls zu den Gründern gehört der Huawei-Deutschland Cheflobbyist Carsten Senz. Er ist auch weiterhin im Vorstand der China-Brücke (Quelle).
Die übrigen Mitglieder der China-Brücke werden nicht offengelegt. Der Verein erklärte jedoch gegenüber dem Tagesspiegel, dass es sich unter anderem um Politiker:innen fast aller Bundestagsfraktionen handele. Die Namen der Mitglieder hält der Verein geheim. (Quelle)
Diskrete Gespräche in angenehmster Atmosphäre
Die China-Brücke hat verschiedene Dialogforen eingerichtet, darunter auch ein Forum zur Digitalisierung, das von Vorstandsmitglied Markus Hoffmann geleitet wird. Markus Hoffmann arbeitet beim Elektronikunternehmen CMS Electronics und ist unter anderem Gastprofessor an einer technischen Hochschule in China (Quanzhou Vocational and Technical University). Neben den deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen macht er sich vor allem auch für die deutsch-ungarischen Wirtschaftsbeziehungen stark. Noch im Juni 2024 empfing Hoffmann eine chinesische Delegation aus Wirtschafts- und Politikvertretern in München. Thema waren unter anderem Wirtschaftssanktionen gegen China. Er meldete sich dazu kritisch zu Wort via Linkedin. (Quelle).
Die China-Brücke organisiert seit Ende 2023 zudem eine Webinarreihe, die Hoffmann ebenfalls über sein Linkedin-Profil bewarb. Präsenzveranstaltungen der China-Brücke finden unter anderem im exklusiven China-Club Berlin statt, einem zentralen Ort für diskrete Lobbygespräche im Berliner Regierungsviertel. Die Deutsche Welle berichtete unter anderem über den China Club (Quelle), über exklusive Veranstaltungen und legendäre Partys, die dort stattfinden. Der ehemalige Präsident des Wirtschaftsrats der CDU Kurt Joachim Lauk wird zitiert mit der Aussage, der China Club sei ein „idealer Treffpunkt [geworden] im politischen Zentrum der Stadt, für diskrete Gespräche zwischen Politik und Wirtschaft in angenehmster Atmosphäre.“ (Quelle). Die Aufnahme in den Club kostet laut Business Insider mindestens 10.000 Euro. (Quelle)
Die Lobbymacht der chinesischen Techkonzerne
Insgesamt zeichnet sich eine verstärkte Präsenz und Lobbyarbeit chinesischer Techkonzerne ab, die durch ein weit verzweigtes Netzwerk an Akteuren flankiert werden. Diese stehen teilweise dem chinesischen Staat nahe. Das Lobby-Netzwerk der Techkonzerne ist undurchsichtig, Kontakte zu Denkfabriken werden von Huawei und Tiktok teilweise nicht offengelegt.
Auch wenn chinesische Techkonzerne im Vergleich zu US-Big Tech noch nicht vergleichbar aggressiv auftreten, sind sie dennoch zunehmend aktiver und äußerst einflussreich. Sie können sich zusätzlich auf Rückendeckung staatlicher chinesischer Institutionen verlassen und auf die Lobbyarbeit der deutschen Industrie in Berlin und Brüssel verlassen.
Nach der massiven Werbung während der Fussball Europameisterschaft ist damit zu rechnen, dass weitere chinesische Techkonzerne in den kommenden Jahren auf den europäischen Markt streben und sich deren Lobbyarbeit ebenfalls bemerkbar machen wird, sobald die Politik ihre Interessen berührt. Wir bleiben hier dran und machen Druck für Transparenz und effektive Lobby- und Korruptionskontrolle.
Der Text wurde am 20.08.2024 aktualisiert.