Konzernmacht

Kartellrecht: BDI verteidigt Monopolinteressen und übergeht den Mittelstand

Industrielobby schießt gegen Kartellrechtsverschärfung und verteidigt Monopolmacht
von 6. Dezember 2022
Im "Haus der Deutschen Wirtschaft" in Berlin haben Lobbyverbände wie die "Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände" oder der "Bundesverband der Deutschen Industrie" ihren Sitz.
Assenmacher - CC-BY-SA 3.0
"Haus der Deutschen Wirtschaft" in Berlin
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Im "Haus der Deutschen Wirtschaft" in Berlin haben Lobbyverbände wie die "Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände" oder der "Bundesverband der Deutschen Industrie" ihren Sitz.
"Haus der Deutschen Wirtschaft" in Berlin

Bundeswirtschaftsminister Habeck hat einen Entwurf für die Verschärfung des Kartellrechts vorgelegt. Er umfasst unter anderem ein Instrument zur Entflechtung von Unternehmen mit zu viel Marktmacht. Dagegen läuft die Industrielobby Sturm, allen voran der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Unterstützt wird der BDI dabei durch weitere Verbände der Großindustrie, wie den Verband der Automobilindustrie (VDA) und den Handelsverband Deutschland (HDE). In einer Stellungnahme kritisierten sie die geplante Kartellrechtsverschärfung und bezeichnete sie als „fatales Signal für De-Investitionen und De-Industrialisierung.“

Habecks Initiative bedeutet genau das Gegenteil: Mit der Schärfung der Instrumente zur Bekämpfung von Monopolmacht bekommen Innovation und Investition künftig bessere Chancen. Denjenigen, die etwas wagen und nicht ihre Märkte abschotten, wird der Rücken gestärkt. Bedauerlicherweise bleibt der BDI jedoch seiner Linie treu: Stets hat der Industrieverband die Macht großer Unternehmen verteidigt, statt sich um das Fundament des Erfolgs der deutschen Wirtschaft, zu kümmern, die kleinen und mittelständischen Unternehmen.

Das könnte auch zum Problem der Politik werden, da sie dem BDI bisher zu viel Einfluss gewährte, anstatt ausgewogener die Interessen der gesamten Wirtschaft und auch der Gesellschaft zu berücksichtigen. Hier zeichnet sich derzeit ein nötiger und grundlegender Wandel ab: Bei Habecks Kartellrechtsverschärfung saß der BDI nicht von Anfang an mit am Tisch. Das ist richtig und überfällig. Monopolmacht kann man nur bekämpfen, wenn man ihr gleichzeitig keinen privilegierten Zugang zum politischen Prozess einräumt.

BDI als Speerspitze für Monopolinteressen

Bereits in den 1950er Jahren, als es um das erste Gesetz gegen Marktmacht (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschänkung, GWB) der Bundesrepublik ging, versuchte der BDI die Regeln um jeden Preis zu verhindern. Wäre es nach dem damaligen BDI-Präsidenten Fritz Berg gegangen, gäbe es heute weder ein grundsätzliches Kartellverbot noch das Bundeskartellamt mit seinen heutigen Befugnissen.

Stattdessen wollte die Großindustrie damals das lang tradierte deutsche Kartellwesen erhalten und wehrte sich gegen ein grundsätzliches Verbot von Kartellen. Sie wollte ein Gesetz, dass nur den Missbrauch von Marktmacht bestraft. Das Ergebnis einer achtjährigen Lobbyschlacht war trotz des Industriewiderstands ein Kartellverbot mit vielen Ausnahmen und geringen Strafen bei Vergehen, aber trotzdem mit der Anerkennung, dass Monopolmacht Demokratie und Wirtschaft schaden.

Franz Böhm, ein aufrechter Liberaler

Man kann von Glück reden, dass damals der federführende Bundestagsabgeordnete und Kartellrechtsprofessor Franz Böhm (CDU) unermüdlich für das Gesetz kämpfte. Dabei hatte er nur teilweise die Rückendeckung seiner eigenen Partei. Insbesondere Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) stand auf der Seite von BDI-Präsident Fritz Berg. Rückendeckung hatte Böhm allerdings von jemand anderem am Kabinettstisch. Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard, später Bundeskanzler, setzte sich ebenfalls für ein scharfes Kartellrecht ein.

Damals galt in liberalen Kreisen eine Politik gegen private Marktkonzentration in der Wirtschaft noch als wichtiges Instrument zur Verteidigung der Demokratie und gegen eine Wiederkehr des Faschismus. Diese machtsensible Strömung des deutschen Liberalismus ist leider verkümmert, braucht aber dringend eine Wiederbelebung. Zuletzt sprach sich mit Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) 2013 ein Liberaler für ein Instrument zur Entflechtung von Unternehmen mit zu viel Marktmacht aus. An diese Tradition sollten sich Christian Lindner (FDP) und Co jetzt dringend anknüpfen.

Unzureichende Berücksichtigung des Mittelstands

Große Leidtragende von Monopolmacht sind kleine und mittelständische Unternehmen, die oft durch die Macht der Großen vom Markt verdrängt oder ferngehalten werden. Es gab deshalb zwar vereinzelte positive Stimmen von Mittelstandsverbänden zur Kartellrechtsverschärfung. So bestärkte etwa der Mittelstandsverband BVMW Habeck darin, das Kartellrecht zu überarbeiten.

Der deutsche Mittelstand hat jedoch bisher keine ausreichend starke Stimme in der Berliner Politik. Obwohl fast alle Parteien im Bundestag stets den Mittelstand umgarnen und seine Innovationsfähigkeit loben, führte das bisher nicht dazu, dass es eine offensive Berücksichtigung seiner Interessen gibt – gerade in der Wettbewerbspolitik. Andernfalls gäbe es längst eine Wirtschaftspolitik, die dafür sorgt, dass Märkte weniger vermachtet sind als das derzeit der Fall ist.

Stattdessen kapern bislang Lobbyakteure der großen Unternehmen und Reichen oftmals die Agenda des Mittelstands. Ein gutes Beispiel dafür ist die „Stiftung Familienunternehmen“, die sich für die Anliegen der größten deutschen Familienunternehmen einsetzt. In der Öffentlichkeit wird die Stiftung zuweilen als Vertretung des Mittelstands wahrgenommen, da die Begriffe Familienunternehmen und Mittelstand häufig synonym verwendet werden. Die rund 500 Förder:innen der Stiftung stammen allerdings nach eigenen Angaben "aus dem Kreis der größten deutschen Familienunternehmen". Tatsächlich besteht das Kuratorium aus Vertreter:innen großer Unternehmen, aus Superreichen und Vermögensverwalter:innen. In ihrer politischen Arbeit konzentriert sich die Stiftung vor allem darauf, die stärkere Besteuerung von Reichtum abzuwehren (Vermögensteuer, Erbschaftsteuer). Zum Vorschlag des Bundeswirtschaftsministeriums zu einer Verschärfung des Kartellrechts äußerst sich die Stiftung Familienunternehmen hingegen nicht.

Die Politik ist dran: proaktive Einbindung von schwachen Interessen

Doch der Mittelstand ist auch weniger stark vertreten in Berlin, er wird von den mächtigen Industrieverbänden marginalisiert. Es gibt ein Ressourcenungleichgewicht beim Lobbying. Die Politik darf der Lobby der Großunternehmen nicht mehr so viel Bedeutung einräumen. Ihre privilegierten Zugänge gehören verschlossen. Ausgewogene Politik braucht ausgewogene Beratung.

Ähnlich marginalisiert in der Wettbewerbspolitik ist bislang die Stimme der Zivilgesellschaft. Auch sie beginnt sich verstärkt mit dem Thema Marktmacht zu befassen. Für uns ist klar: Mehr Marktmacht bringt mehr Lobbymacht mit sich. Lobbymacht ist nicht gleichzusetzen mit politischem Einfluss. Aber natürlich verbessern die größeren Ressourcen der Monopolunternehmen deren Einflussmöglichkeiten auf den politischen Prozess. Deshalb betrachten wir auch Monopolkontrolle als notwendigen Bestandteil der Machtkontrolle in der Demokratie.

Gemeinsam mit vielen anderen Organisationen bringen wir uns im Rahmen der „Initiative Konzernmacht beschränken“ in die Diskussionen um die Kartellrechtsverschärfung ein. Den Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums haben wir begrüßt und stärken dem Ministerium den Rücken. Nur mit neuen Instrumenten für das Bundeskartellamt wird die Politik gegen übermäßige private Marktkonzentration in unserer Wirtschaft und damit Machtkonzentration in unserer Gesellschaft vorgehen können.

Verschärfung des Kartellrechts als wichtiges Zeichen gegen Klientelpolitik

Notwendig dafür ist auch das vom BDI abgelehnte Entflechtungsinstrument. Es ermöglicht eine Verkleinerung von Unternehmen, wenn sie zu viel Marktmacht angesammelt haben - und damit Demokratie und Innovation unterminieren. Die Bundesregierung hat mit den Stimmen des Mittelstands und der Zivilgesellschaft Rückendeckung für eine echte Beschneidung von Marktmacht. Der Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums zeigt, dass sie die Interessen des Mittelstands und von Bürger:innen ernst nimmt. Sie kann mit einer Verschärfung des Kartellrechts ein Zeichen setzen gegen Klientelpolitik. Dazu muss Habeck standhaft bleiben gegenüber einseitigen Monopolinteressen der Industrielobby.

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