Konzernmacht

Seitenwechsel zu Microsoft: Beschwerde bei der EU eingereicht

Die EU-Kartellbehörde soll die Marktmacht großer Konzerne beschränken. Doch sie ist äußerst anfällig für Interessenkonflikte durch Seitenwechsel ihrer Beamten in die Privatwirtschaft. Wir haben gegen einen besonders skandalösen Fall Beschwerde eingereicht.
von 24. Oktober 2024
Alexander Mueller - CC-BY 2.0
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Regelmäßig wechseln Beamte der EU-Kartellbehörde die Seiten. Sie gehen zu den Konzernen, die sich gegen Beschränkungen ihrer Marktmacht wehren und die sie vorher im Auftrag Europas kontrolliert haben. Alternativ wechseln sie zu den Anwaltskanzleien, Beratungsfirmen und Lobbyverbänden, die diese Konzerne gegenüber der Kartellbehörde vertreten. Damit macht sich die Kartellbehörde selbst äußerst angreifbar.

Nicholas Banasevics Wechsel zu Microsoft

Ein besonders skandalöser Fall ist der Wechsel von Nicholas Banasevic. Der ehemalige hohe Beamte der EU-Kommission hat diese in vielen Fusionsverfahren gegenüber großen Techkonzernen vertreten, darunter Microsoft, Google und Qualcomm. Banasevic verließ die Kommission 2021 und wechselte Januar 2022 zur Anwaltskanzlei Gibson Dunn. Schon dieser Seitenwechsel war problematisch: Gibson Dunn zählt unter anderem Apple zu seinen Kunden. Banasevic beriet die Kunden von Gibson Dunn unter anderem zum Digital Markets Act (DMA) der EU. Da Banasevic kein Jurist ist, ist es sehr wahrscheinlich, dass er von der Kanzlei wegen seiner speziellen Wettbewerbskenntnisse und seines Insiderwissens zum DMA und zu den Fusionsverfahren mit großen Tech-Konzernen eingestellt wurde.

Im Juli 2024 wechselte er dann als Vizepräsident für Wettbewerb und Regulierung in Microsofts Lobbyabteilung in Brüssel. Banasevic arbeitet damit fortan bei dem Unternehmen, gegen das er im Namen der EU zuvor über viele Jahre hinweg vorgegangen ist. Brisant dabei: kurz nach Banasevics Wechsel zu Microsoft äußerte der Konzern sich kritisch zu einem beigelegten Streitverfahren mit der EU-Kommission, für das Banasevic als EU-Beamter in der Vergangenheit zuständig war. Laut Financial Times gehen Insider davon aus, dass Banasevic für Microsoft insgesamt von großem Wert sein dürfte in bevorstehenden Auseinandersetzungen um die Monopolposition in Europa.

Banasevics mögliche Interessenkonflikte sind offensichtlich. In einer Beschwerde an die EU-Kommission fordern wir deshalb, dass die Kommission den Wechsel zu Microsoft rückgängig macht, damit der Techkonzern nicht Banasevics Insiderinformationen ausnutzen kann, um Microsofts Monopolmacht zu verteidigen.

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Banasevic ist kein Einzelfall

Banasevic ist bedauerlicherweise kein Einzelfall. Noch im Oktober 2024 wechselte der hohe Beamte Nicholas Khan KC vom juristischen Dienst der EU-Kommission zur Anwaltskanzlei Monckton Chambers. Khan hat die EU in Wettbewerbsverfahren gegen Google vertreten, jetzt arbeitet er bei der Kanzlei, die Google gegen die Kommission vertrat.

Hinzu kommen dieses Jahr Hendrik Morch und Svend Aelbeek. Beide verließen die Wettbewerbsbehörde in den Privatsektor. Während Aelbeek aus dem Team des Chefökonomen der Wettbewerbsbehörde zur Wirtschafsberatungsfirma Charles River Associates (CRA) wechselte, ging Morch nach über 30 Jahren zur Anwalskanzlei Paul Weiss. Paul Weiss vertrat unter anderem Google, Apple und Amazon in Wettbewerbsverfahren und bejubelte den Wechsel von Morch als großen Gewinn für die Kunden der Anwaltskanzlei. Charles River Associates berät große Unternehmen bei Fusionen und reicht für diese Studien bei der Wettbewerbsbehörde ein.

Die Europäische Ombudsfrau setzt sich engagiert für mehr Transparenz in der EU ein.
European Union 2013 - European Parliament - CC-BY-NC 2.0
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Die Europäische Ombudsfrau setzt sich engagiert für mehr Transparenz in der EU ein.
Die Europäische Ombudsfrau setzt sich engagiert für mehr Transparenz in der EU ein.

Transparenz ist das Mindeste

Die Europäische Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly leitete ein Untersuchungsverfahren von Morchs Seitenwechsel ein und forderte eine Offenlegung der Bedingungen, unter denen sein Seitenwechsel genehmigt wurde. Die Kommission weigerte sich jedoch, die Bedingungen offenzulegen. Das ist ein Skandal. Vorbild für die EU sollte hier die Praxis der britischen Wettbewerbsbehörde CMA sein, die detailliert die Vorgaben für Ex-Beamte offenlegt.

Gleichzeitig muss klar sein, dass die ständigen Seitenwechsel von der Kartellbehörde zu denjenigen, die Monopolkonzerne gegen die Kartellbehörde vertreten, Reputation und Integrität der EU-Institutionen beschädigen. Derartige Seitenwechsel schwächen die Durchschlagskraft der EU gegen Monopolmacht – mit möglicherweise gravierenden Folgen für die europäischen Bürger:innen, weil Monopole zu einseitigen Abhängigkeiten und fehlender Wahlfreiheit führen. Die EU-Kommission muss ihre Ethikregeln für Beamte und Kommissar:innen deshalb viel konsequenter durchsetzen als bisher. Mit unserer Beschwerde wollen wir hier einen Stein ins Rollen bringen.

Weitere Infos:

  • Beschwerde zu Banasevics Seitenwechsel gemeinsam mit unseren Brüsseler Partnern von Corporate Europe Observatory (CEO).
  • Weitere Hintergründe zu Seitenwechseln bei der EU-Kartellbehörde.
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