Welche Unternehmen und Verbände geben am meisten für Lobbyarbeit in Brüssel aus? Wer beschäftigt die meisten Lobbyisten und welche Lobbyagenturen machen am meisten Umsatz mit Lobbydienstleistungen? Das heute in Brüssel vorgestellte Online-Recherchetool LobbyFacts.eu ermöglicht es erstmals, Antworten auf Fragen wie diese, einfach und unkompliziert zu recherchieren.
LobbyFacts richtet sich an alle, die mehr über die vielfältigen Lobbyaktivitäten von Unternehmen, Verbänden, Agenturen und Nichtregierungsorganisationen in Brüssel erfahren möchten. LobbyFacts nutzt die Daten des freiwilligen EU-Transparenzregisters, bereitet diese auf neue, übersichtliche Weise auf und bietet erweiterte Such- und Sortierfunktionen. Entwickelt haben wir LobbyFacts gemeinsam mit den Brüsseler Organisationen Corporate Europe Observatory und Friends of the Earth Europe.
LobbyFacts: Mehr Licht für den Brüsseler Lobbydschungel
LobbyFacts zeigt, wer in Brüssel wie viel ausgibt, um politische Entscheidungen zu beeinflussen und wer wie viele Lobbyisten beschäftigt. Mit dem Tool wollen wir der Öffentlichkeit die Möglichkeit bieten, sich mehr Überblick über die Aktivitäten von Unternehmen, Verbänden und Agenturen in der undurchsichtige Lobbyhauptstadt Europas zu verschaffen. LobbyFacts zeigt aber auch, dass ein verpflichtendes Lobbyregister dringend notwendig wäre. Das bisherige freiwillige Register ist gespickt mit unplausiblen oder schlicht falschen Angaben. Das liegt unter anderem daran, dass die Registranten für ihre Angaben zunächst selbst verantwortlich sind und Kontrollen von Seiten des Register-Sekretariats nur sehr oberflächlich erfolgen. Ein Beispiel dafür ist der italienische Verband Steuerberater-Verband „Italian National Association of Tax Consultants“, der nach eigenen Angaben eine Lobbyisten-Armee von 5.000 Lobbyisten bei Lobbyausgaben von gerade mal 50.000 Euro beschäftigt.
5.000 Steuerberater-Lobbyisten in Brüssel?
Auf Grund dieser schlechten Datenlage sind auch die Angaben bei LobbyFacts.eu mit Vorsicht zu genießen. Die Fehler im Originalregister der EU führen zu Problemen, wenn man sich beispielsweise die Liste der Unternehmen mit den höchsten Lobbyausgaben ansieht. Auf Platz 1 steht dort die französische Bankengruppe BPCE. Sicherlich betreibt BPCE Lobbying in Brüssel. Doch die Höhe der Ausgaben von knapp 8 Mio. Euro erscheint uns deutlich zu hoch. Auf Nachfrage bestätigte uns das Unternehmen, dass es sich um einen Fehler handele. Geändert sind die Daten im Transparenzregister aber immer noch nicht. Auf Platz 2 der Liste steht ebenfalls ein französisches Unternehmen: der Kühlketten-Dienstleister Cemafroid. Cemafroid gibt an, über 5 Mio. Euro für Lobbyarbeit im Jahr 2012 ausgegeben zu haben. Schaut man jedoch auf der Webseite des Unternehmens nach, erfährt man, dass der gesamte Umsatz gerade einmal 6,3 Mio. Euro beträgt. Cemafroid ist also ein Kleinunternehmen, erscheint aber als Lobbyriese in Brüssel, was ganz offensichtlich nicht der Realität entspricht.
Welche Unternehmen geben wie viel für Lobbyarbeit aus?
Eine erste Auswertung der zehn Unternehmen und Verbände aus Deutschland mit den jeweils höchsten Lobbyausgaben zeigt: Siemens ist bei den Unternehmen mit jährlichen Lobbyausgaben von 4,4 Mio. Euro deutlicher Spitzenreiter. Auf dem zweiten Rang folgt mit einigem Abstand der Chemie- und Pharma-Riese Bayer mit 2,8 Mio. Euro. Die Summe der Lobbyausgaben der zehn Unternehmen mit den höchsten Ausgaben beträgt 24 Mio. Euro.
Bei den Verbänden führt der Verband der Chemischen Industrie (VCI) mit 3,6 Mio. Euro die Liste an – noch vor dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der jährlich 3,1 Mio. Euro aufwendet. Zusammen geben die zehn deutschen Verbände mit den höchsten Lobbyausgaben in Brüssel jährlich knapp 21 Mio. Euro aus.
US-amerikanische Unternehmen und Agenturen zeigen starke Präsenz in Brüssel
Von allen Unternehmen geben drei US-amerikanische Konzerne aus den Bereichen Tabak, Öl und IT am meisten für Lobbying in Brüssel aus: Philip Morris (>5 Mio. Euro), ExxonMobil (4,8 Mio. Euro) und Microsoft (4,6 Mio. Euro).
Die Liste der Lobbyagenturen mit dem höchsten Umsatz wird von Fleishman-Hillard angeführt. Die Agentur erzielte im Jahr 2013 einen Umsatz von knapp über 11,5 Mio. Euro mit Lobbyarbeit und beschäftigt nach eigenen Angaben 59 Lobbyisten, von denen 35 einen Hausausweis für das Europäische Parlament besitzen. Zu den Kunden der Agentur gehören Pfizer, General Motors, Monsanto, Proctor & Gamble und Lukoil.
Trotz der oft unzuverlässigen Daten im EU-Transparenzregister, ermöglicht LobbyFacts.eu interessante Einblicke in die Brüsseler Lobbyszene. Wir hoffen, dass das Portal künftig von vielen Europäer/innen, Wissenschaftler/innen und Journalist/innen genutzt wird, um mehr über Lobbyismus in Brüssel zu erfahren. LobbyFacts.eu soll künftig noch erweitert werden: Neue Funktionen, Sprachen, weitere Datenquellen. Das alles kostet natürlich Geld. Daher freuen wir uns über Unterstützung.
Weitere Informationen:
- Das neue Rechercheportal LobbyFacts.eu finden Sie hier.
- Unsere Pressemitteilung zum Launch
- Das EU-Transparenzregister finden Sie hier.
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