Die Warnung könnte kaum deutlicher ausfallen: „Das öffentliche Bildungswesen droht mit den gegenwärtigen Lobbypraktiken seine demokratische Legitimation zu verlieren.“ Denn, so das Ergebnis einer neuen Studie der Otto Brenner Stiftung, gerate das Schulwesen durch die Lobbyaktivitäten der Unternehmen zu einem Handlungsfeld, in dem sie frei von Vorgaben durch Lehrpläne agieren können, so dass „ein Ungleichgewicht geschaffen wird, das sich in finanziellen und gegebenenfalls inhaltlichen Abhängigkeiten niederschlägt.“ Zudem würden die Unternehmen nahezu ausschließlich branchenaffine Methoden, Themen und Kompetenzen vorweisen. Aktivitäten finde also dort statt, wo es sich am meisten lohnt und nicht, wo der Bedarf am größten ist.
In der Studie untersucht Tim Engartner, Professor an der Goethe-Universität Frankfurt a. M., die Lehr- und Lernmaterialien aller deutschen DAX-Konzerne. Von den dort gelisteten 30 Unternehmen bieten demnach zwei Drittel Unterrichtsmaterialien an. Dieses Ergebnis zeigt, dass Unternehmen die Schulen längst als Ort der Meinungsmache für sich entdeckt haben. Dabei liegt es auf der Hand, dass der Kontakt zu Unternehmen für die Schüler*innen eine Bereicherung sein kann. Häufig geht es in den von Unternehmen organisierten Unterrichtsmaterialien, Schulwettbewerben oder Lehrerfortbildungen jedoch nicht um Erkenntnis oder Bildung, sondern um Meinungsmache. Das zeigt auch ein Blick darauf, wer in den Unternehmen für die Schulaktivitäten zuständig ist: In 28 der 30 untersuchten Unternehmen wurden sie „erkennbar unter dem Dach der jeweiligen PR- und Kommunikationsabteilungen […] durchgeführt oder jedenfalls von dort flankiert,“ so Engartner. Zurecht fordert der Autor der Studie daher die zuständigen Ministerien auf, gemeinsam aktiv zu werden, um Lobbyismus an Schulen entgegenzuwirken.
Vorschläge dafür, was Lehrkräfte, Eltern und SchülerInnen dagegen tun können und wie die Politik konkret handeln sollte, haben wir in unserer Broschüre „Lobbyismus an Schulen“ veröffentlicht. Darin zeigen wir außerdem, wie Lobbyismus an Schulen aussieht und warum er ein Problem ist. Denn hinter den scheinbar wohlmeinenden Schulaktivitäten von Unternehmen stehen konkrete Interessen, die dazu führen, dass die Inhalte einseitig werden. Kinder und Jugendliche als Wähler und Konsumenten von morgen werden zum Ziel einer langfristigen und umfassenden Lobbystrategie.
Weitere Informationen
- OBS-Arbeitsheft 100: Wie DAX-Unternehmen Schule machen. Lehr- und Lernmaterial als Türöffner für Lobbyismus
- LobbyControl-Broschüre: Lobbyismus an Schulen
- Artikel über Lobbyismus an Schulen in unserem kritische Lobbyismus-Lexikon
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