Lobbyismus an Schulen

Autoren von Unterrichtsmaterial bestätigen Einflussnahme der Deutschen Vermögensberatung

Einer der Kandidaten für die Lobbykratie-Medaille ist die Deutsche Vermögensberatung, weil sie PR-Material als seriöses Unterrichtsmaterial vermarktet und so ihre Lobbyarbeit in die Schulen ausdehnt. Konkret handelt es sich dabei um eine Unterrichtseinheit mit dem Titel „Finanzielle Allgemeinbildung“, die für den Wirtschaftsunterricht erstellt wurde. Geschrieben wurde das Unterrichtsmaterial von Mitarbeitern des Instituts für Ökonomische Bildung […]
von 30. November 2011

Einer der Kandidaten für die Lobbykratie-Medaille ist die Deutsche Vermögensberatung, weil sie PR-Material als seriöses Unterrichtsmaterial vermarktet und so ihre Lobbyarbeit in die Schulen ausdehnt. Konkret handelt es sich dabei um eine Unterrichtseinheit mit dem Titel „Finanzielle Allgemeinbildung“, die für den Wirtschaftsunterricht erstellt wurde.

Geschrieben wurde das Unterrichtsmaterial von Mitarbeitern des Instituts für Ökonomische Bildung (IÖB) in Oldenburg. In einem Beitrag des Medienmagazins ZAPP hat der Leiter des IÖB Hans Kaminski zugegeben, dass Material übernommen wurde: „wir haben diese letzten Materialien in der Tat von dem Sponsor der Unterrichtseinheit“. Der Sponsor, die Deutsche Vermögensberatung (DVAG), hat die Kosten für die Erstellung, den Druck und den Versand der Materialien übernommen.

Auch in unserem Artikel mit der ausführlichen Begründung für die Nominierung des Materials für die Lobbykratie-Medaille kommentierte ein Mitarbeiter des Instituts, wir hätten uns nicht nur „die drei Materialien der DVAG (4 von 127 Seiten!), sondern auch die 47 vorgeschalteten – und von uns unabhängig erstellten – Inhaltsmaterialien sowie die Hinweise für die Lehrkräfte“ anschauen sollen. Indirekt wird damit die Beeinflussung des Materials durch das Unternehmen zugegeben und das vermeintlich geringe Maß der Beeinflussung von sechs Prozent der Materialien als unproblematisch dargestellt.

Wenn die Beeinflussung von sechs Prozent des Materials kein Problem darstellt, muss die Frage gestellt werden, wo dann die Grenze gezogen wird. Wer legt diese Grenze fest? Ein Unternehmen wie die DVAG, je nachdem wie viel es bereit ist zu zahlen? Das IÖB macht sich selbst unglaubwürdig, wenn es versucht, die Seriosität des Materials über die vermeintlich geringe Einflussnahme („nur […] drei Materialien“) zu begründen.

Fest steht, dass mit den drei Materialien, die die DVAG im besten Licht darstellt, den SchülerInnen die Möglichkeit genommen wird, sich kritisch mit dem Unternehmen und ihrem Geschäftsmodell auseinander zusetzen. Es werden weder Gegenpositionen noch Alternativen dargestellt, sondern den SchülerInnen die Werbebotschaft der DVAG als Tatsachen vorgelegt.

Natürlich befindet sich in der Unterrichtseinheit auch für den Unterricht geeignetes Material. Das ist jedoch Teil der Strategie, denn ganz ohne geeignetes Material würde die Einheit kaum ihren Weg in die Klasse finden.

Mehr als nur vier Seiten

Doch auch außerhalb der von der DVAG vorgegebenen Texte lohnt eine nähere Betrachtung. Besonders interessant ist ein Vergleich mit einer älteren Ausgabe (PDF), in der die Deutsche Bank Praxispartner ist. Die meisten der Materialien sind gleich. Neu hinzugekommen sind jedoch Materialien mit den Titeln: Bausparen, Die Aktie, Investmentfonds, Lebensversicherungen, Riester-Rente und Rürup-Rente (Basis-Rente). Diese Themen entsprechen den Produkten, die von der DVAG vermarktet werden und sind besonders unkritisch. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen, der die Unterrichtseinheit ausführlich bewertet hat, schreibt zu diesen Materialien daher nicht ohne Grund:

Insbesondere dort, wo hohe Provisionen oder Ausgabeaufschläge fällig werden (Versicherungen, Bausparen, Investmentfonds) sind die Informationen oberflächlich und einseitig. Den Schülern werden die notwendigen Kriterien für die eigenständige Bewertung von Finanzprodukten nicht gegeben. Und das, obwohl eine der genannten Kompetenzen, die mit diesem Material ausdrücklich erworben werden sollen, eben die Bewertung ist.

Weiter schreibt die Verbraucherzentrale zur Selbstdarstellung der DVAG:

Dies lässt vermuten, dass die hinter dem Material stehenden Interessen zum einen der Verkauf von Finanzdienstleistungs-Produkten, zum anderen die Anwerbung von zukünftigen Vermögensberatern sind.

Politik muss Einflussnahme auf Schulen stoppen

Angesichts des zunehmenden Engagements von Unternehmen, Wirtschaftsverbänden und den ihnen nahestehenden Denkfabriken an Schulen und der damit verbunden Einflussnahme auf die Inhalte von Unterrichtsmaterialien, ist die Politik dringend aufgefordert zu handeln. Einige Vorschläge zur Diskussion:

  • Unterrichtsmaterialien sollten, wie Schulbücher auch, durch die Kultusministerien kontrolliert werden.
  • Die Finanzierung von Unterrichtsmaterialien sollte detailliert offen gelegt werden.
  • Direkte Kontakte von SchülerInnen mit Mitarbeitern von Unternehmen müssen von der Schule kritisch begleitet werden und dürfen nur dann stattfinden, wenn sie für die SchülerInnen einen wirklichen Erkenntnisgewinn darstellen.

Weitere Informationen

Das IÖB hat als Reaktion auf die Bewertung der Verbraucherzentrale und der Kritik von LobbyControl eine Stellungnahme (PDF) veröffentlicht.

Für unsere Arbeit sind wir auf Hinweise angewiesen. Wenn Ihnen besonders einseitiges Engagement an Schulen auffällt, wenden Sie sich an uns.

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