Im Februar haben wir aufgedeckt, dass Ex-EU-Kommissionspräsident Barroso im vergangenen Herbst mehrere Lobbytreffen für Goldman Sachs, darunter eines mit EU-Kommissionsvizepräsident Jyrki Katainen hatte. Ziemlich dreist von ihm, war ihm doch der Seitenwechsel zur Investmentbank nur genehmigt worden, weil er behauptet hatte, er werde keine Lobbyarbeit machen.
Bürgerbeauftragte überprüfte „Barrosogate“ nach Beschwerde von ALTER-EU
Nun hat sich auch die EU-Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly dazu geäußert. Sie hat den Fall ausführlich untersucht, nachdem wir mit unserem europäischen Netzwerk ALTER-EU bereits vergangenes Jahr Beschwerde gegen die Genehmigung des Wechsels von Barroso zu Goldman Sachs bei ihr eingereicht hatten.
Ihre deutliche Kritik bestätigt unsere auf ganzer Linie. Ziemlich peinlich für die EU-Kommission, die gerade erst einen neuen Verhaltenskodex beschlossen hatte. O’Reilly fordert, die Kommission müsse den Fall nun erneut dem für Seitenwechsel von Kommissaren zuständigen Ethikkomitee vorlegen. Zur Erinnerung: Das Gremium hatte dem Seitenwechsel zugestimmt, weil Barroso seinem Nachfolger Jean-Claude Juncker in einem Brief versprochen hatte, er werde keine Lobbyarbeit für Goldman Sachs machen. Dieses Versprechen hat er nun offensichtlich gebrochen.
Die Grenze zwischen Privatem und Politik
Der Versuch Katainens und Barrosos, das Treffen nun als privates Treffen unter Freunden hinzustellen, ist unglaubwürdig. Schließlich hat Katainen selbst auf seiner Website kurz nach dem Treffen ein „Lobbytreffen mit Goldman Sachs“ bekannt gegeben. Er ist dazu verpflichtet, denn die EU-Kommission macht seit 2014 ihre Lobbytreffen öffentlich. Nur der Name Barroso wurde nicht genannt. Katainen hat auch bereits bei einer Anhörung im EU-Parlament die Themen genannt, über die er und Barroso bei dem Treffen gesprochen haben: Es sei unter anderem um die Finanzierung militärischer Forschung und um EU-Handelsverträge gegangen. Nicht gerade das, was man bei einem Bier unter Freunden als erstes erwarten würde. Aber das ist ja auch häufig das Problem bei Seitenwechseln: Die Grenzen zwischen Privatem und Politik verschwimmen, in der Regel zugunsten der Auftraggeber.
Ethik-Gremium zu handzahm
Weiterer Kritikpunkte der Bürgerbeauftragten:
- Derzeit ist das dreiköpfige Ethikgremium mit zwei Sonderberatern der EU-Kommission besetzt. Das kann zu Interessenkonflikten führen.
- Dass dem Komitee der Brief Barrosos an Juncker gereicht hat, um den Seitenwechsel als vereinbar mit den EU-Verträgen zu bezeichnen, sei unzureichend. Nicht mal Nachfragen wurden gestellt. Laut O´Reilly hätte es einen formalen Beschluss geben sollen, der Barroso die Lobbyarbeit in seiner neuen Tätigkeit nicht erlaubt.
O’Reilly fordert nun, den Verhaltenskodex erneut zu überarbeiten. Das Ethikkomitee soll um neutrale Personen erweitert und gestärkt, die Karenzzeiten sollen verlängert werden. Bis zum 6. Juni muss die EU-Kommission antworten.
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