Spätestens seit der Finanzkrise weiß eigentlich jede*r, dass die Verbindungen zwischen Banken, Aufsichtsbehörden und Politik zu eng sind. Zustande kommt diese unheilvolle Nähe zum Beispiel durch Seitenwechsel zwischen Behörden und Finanzlobby. Einige Wechsel sind besonders dreist: Der Gang durch die Drehttür von Ex-Kommissionspräsident Barroso zu Goldman Sachs war so einer.
In der gleichen Liga spielt nun ein neuer Fall: Am 31. Januar 2020 verlässt Adam Farkas seine Position als Exekutivdirektor der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA). Ein neuer Job wartet schon auf ihn. Wo? Bei der Association for Financial Markets in Europe, kurz AFME. Sie ist eine der einflussreichsten und ressourcenstärksten Finanzlobby-Gruppen der Welt. Der Regulierer wechselt also zu dem Verband, der die Interessen der Regulierten vertritt. Es müsste ein politisches No-Go sein, wurde aber vom obersten Entscheidungsorgan der EBA genehmigt.
LobbyControl unterstützt auf Grund des offensichtlichen Interessenkonflikts den Aufruf der Initiative Change Finance, die Genehmigung des Wechsels zu widerrufen.
EBA und AFME – Nähe statt Distanz
EBA und AFME, auf dem Papier sind das eindeutig Gegensätze. Die EBA ist eine EU-Agentur, deren primäre Aufgabe die Überwachung und Regulierung von Banken ist. Darunter fällt zum Beispiel die Entwicklung von technischen Standards und Richtlinien, um die Implementierung von EU-Gesetzen sicherzustellen. Außerdem berät die EBA das Europäische Parlament und die EU-Kommission bei der Entwicklung von Gesetzen und koordiniert die Arbeit der nationalen Bankenaufsichten. AFME repräsentiert dagegen mehr als 180 Banken, darunter Goldman Sachs, JPMorgan, Deutsche Bank und BNP Paribas, einige der größten US-amerikanischen und europäischen Finanzmarktakteure. Das Ziel des Verbands: EU-Institutionen und Gesetze entsprechend ihrer Interessen zu beeinflussen. Um die 5 Millionen Euro gibt AFME jährlich für Lobbyaktivitäten laut EU-Lobbyregister (Quelle: Lobbyfacts) aus. Als hauptveranwortliche Behörde für die Regulierung von Banken ist die EBA für AFME als Lobbyziel natürlich höchst relevant. Es liegt also auf der Hand, dass eine gewisse Distanz zwischen EBA und AFME geboten wäre. Dass die EBA das anders sieht, wurde schon im Mai 2019 klar. Damals machte die Behörde den Santanderbank-Cheflobbyisten José Manuel Campa zu ihrem neuen Chef.
Interessenkonflikt Fehlanzeige?
Diesen Job wollte angeblich auch Farkas. Als er ihn nicht bekam, hat er sich einen neuen Job gesucht. Nun wirkt es fast, als habe er die Definition von Interessenkonflikten studiert, um sicher zu gehen, dass sein Seitenwechsel so problematisch wie möglich wird. Um seinen neuen Job anfangen zu können, musste Farkas die Zustimmung des obersten Beschlussorgans der EBA einholen: dem sogenannten "Rat der Aufseher" unter dem Vorsitz von José Manuel Campa. Der Rat überprüfte, ob ein Interessenkonflikt vorlag, fand aber keinen Grund, den Wechsel zu untersagen.
Auflagen reichen nicht
Zwar sah er offenbar, dass mit dem Wechsel Risiken einhergehen. Allerdings hielt er es für ausreichend, wenn Farkas in seiner neuen Position zwei Auflagen erfüllt. Erstens: Der Spitzenbeamte darf die ersten zwei Jahre nicht an Lobby-Aktivitäten gegenüber seinem ehemaligen Arbeitgeber, also der EBA, beteiligt sein. Zweitens: Er darf die ersten anderthalb Jahre AFME bei Themen, die im direkten Zusammenhang mit seinen Tätigkeiten der letzten drei Jahre stehen, nicht beraten. Schaut man sich Farkas neues Arbeitsfeld aber genauer an, wird klar: Die Auflagen sind nicht mehr als Worthülsen. Es sei denn, AFME hat ihren neuen Chef zum Nichtstun angeheuert. Zudem: Wie will die Bankenbehörde überprüfen, zu welchen Themen und Sachverhalten er seine neue Organisation berät?
Mehr als nur ein Seitenwechsel
Dieser Seitenwechsel ist aus Sicht von LobbyControl ein Politikum. Seit 2011, dem Gründungsjahr der EBA, ist Adam Farkas ihr Exekutivdirektor. In diesen acht Jahren hat er einzigartiges Insider-Wissen und ein weitreichendes Netzwerk aufgebaut – das nun direkt an die Bankenlobby übergeht. Der Wechsel beschädigt aber auch die Glaubwürdigkeit, Integrität und Autorität der Behörde, die sie eigentlich braucht, um ihren Auftrag – die Kontrolle der Banken – zu erfüllen. Längst haben Banken laut der Organisation Financewatch begonnen, gegen die strengeren Regeln, die den Banken nach der Finanzkrise auferlegt wurden, Lobbyarbeit zu betreiben. Die neuerlichen Seitenwechsel könnten diese Entwicklung beschleunigen.
EU-Agenturen brauchen gemeinsame Karenzzeitregeln
Es ist nicht nachvollziehbar, dass EU-Agenturen wie die EBA keine gemeinsamen Regeln für Interessenkonflikte und Seitenwechsel haben. Die Agenturen dienen dem Schutz der EU-Bürger*innen. Sie prüfen zum Beispiel, ob neue Zusatzstoffe in Lebensmitteln oder bestimmte Chemikalien unserer Gesundheit schaden - oder Banken die nötigen Voraussetzungen erfüllen, um bei einer Krise nicht gleich zu kollabieren, wie im Fall der EBA. Derartige Sicherheit kann man aber nicht gewährleisten, wenn die jenigen, die eigentlich kontrolliert werden sollen, ehemalige Beamte der Behörden aufkaufen und über sie die Kontrollprozesse massiv beeinflussen können. Zwei Jahre Karenzzeit vor Seitenwechsel in Lobbyorganisationen für die Beamten dieser Behörden sind das Minimum.
Neben diesem längerfristigen Ziel wollen wir erreichen, dass der "Rat der Aufseher" seine Entscheidung zurücknimmt. Wir schließen uns deshalb einem Aufruf der Initiative „Change Finance“ an und fordern mit ihr von der EBA in einer offenen Erklärung:
- Überprüfen Sie Ihre Entscheidung im Fall Farkas, machen Sie diese rückgängig.
- Überdenken und implementieren Sie Ihre Regeln zu Seitenwechseln und Interessenkonflikten.
- Sorgen Sie für mehr Transparenz bei Ihren Beziehungen zur Finanzlobby.
Am morgigen Donnerstsag gibt es eine Debatte dazu im EU-Parlament. Wir bleiben für Sie dran.
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