Lobbyismus in der EU

EU-Kommission will weniger Unternehmenslobbyisten in Expertengruppen

Die Europäische Kommission hat eingestanden: Die Expertengruppen, von denen sie sich beraten lässt, sind von Vertretern großer Unternehmen dominiert. Konkret spricht sie von 17 Gruppen bei der Generaldirektion Industrie und Unternehmen. Sie hat zugesagt, die Anzahl der Industriemitglieder in den nächsten sechs Monaten zu reduzieren und weitere Reformen vorzunehmen. Ein Erfolg unserer Allianz ALTER-EU und […]
von 25. Juli 2012

Die Europäische Kommission hat eingestanden: Die Expertengruppen, von denen sie sich beraten lässt, sind von Vertretern großer Unternehmen dominiert. Konkret spricht sie von 17 Gruppen bei der Generaldirektion Industrie und Unternehmen. Sie hat zugesagt, die Anzahl der Industriemitglieder in den nächsten sechs Monaten zu reduzieren und weitere Reformen vorzunehmen. Ein Erfolg unserer Allianz ALTER-EU und den Druck, den wir gemeinsam mit dem EU-Parlament ausgeübt haben.

Vorstellung der Expertengruppen-Studie in Brüssel

Vorstellung der Expertengruppen-Studie in Brüssel, rechts außen Lluís Prats von der EU-Kommission

Es war eine Überraschung für alle Anwesenden bei der vollgestopften ALTER-EU-Pressekonferenz am 10.Juli: Nach der Vorstellung der ALTER-EU-Studie, wonach zwei Drittel der Expertengruppen bei der Generaldirektion Industrie und Unternehmen von Vertretern großer Unternehmen dominiert sind, ergriff der eigens erschienene Vertreter dieser Generaldirektion, Lluís Prats, das Wort: Tatsächlich sei in 17 der Expertengruppen, die seine Generaldirektion berieten, die Industrie überrepräsentiert, gab er zu. In den kommenden sechs Monaten werde man sehen, ob man das Ungleichverhältnis beheben könne, indem man die Anzahl der Industrievertreter verringert.

Weitere Reformen angekündigt

Das ist ein erfreulicher Schritt. Aber die Europäische Kommission will noch mehr tun. In einem Brief an das Europäische Parlament hatte sie – offenbar just am gleichen Tag – weitere Schritte angekündigt, um die Beratung durch die etwa 800 Expertengruppen ausgeglichener zu machen: So sollen Industrievertreter nicht mehr als „neutrale Experten“ herangezogen werden. Auch soll es einheitliche Regeln in allen Abteilungen für die Auswahl der Expertinnen und Experten geben: Ausschreibungsverfahren sollen dabei deutlich häufiger angewendet werden als bisher, die Transparenz des gesamten Verfahrens sowie um der schließlich ausgewählten Beraterinnen und Berater soll vergrößert werden.

Das Parlament darf nicht zu schnell nachgeben

Die Zugeständnisse der Kommission erfolgen nicht auf rein freiwilliger Basis: Mit ihrem Arbeitspapier, das sie dem Parlament geschickt hat, will die Abgeordneten davon überzeugen, die im Okober 2011 verhängte Sperre für Teile des Budgets der Expertengruppen aufzuheben. Diese Sperre ist auch ein Erfolg für unser europäisches Netzwerk ALTER-EU (Allianz für Lobby-Transparenz und ethische Regeln). Seit Jahren machen wir auf die Problematik der einseitigen Besetzung vieler Expertengruppen aufmerksam. Das EU-Parlament hatte auf unsere Recherchen und Öffentlichkeitsarbeit hin bereits mehrere Versuche gestartet, die EU-Kommission zu Maßnahmen zu bewegen – immer ohne Erfolg. Im Oktober 2011 hatte das Parlament dann genug davon, sich von der Kommission auf der Nase herumtanzen zu lassen. Nun haben unser öffentlicher Druck und der finanzielle Druck des Parlaments zusammen etwas bewirkt. Das Parlament darf jetzt jedoch nicht vorschnell nachgeben. Die Kommission muss erst wirkliche Verbesserungen vorweisen können – noch sind die in Aussicht gestellten Maßnahmen der Kommission reine Absichtserklärungen.

Kommission zählt nur 17 unausgewogene Expertengruppen, ALTER-EU 32

Rätselhaft bleibt auch, warum die Europäischen Kommission lediglich 17 Gruppen mit Überrepresäntanz von Unternehmen in der Generaldirektion Unternehmen und Industrie gefunden hat – ALTER-EU kommt auf 32. In der Liste der 17 Gruppen, die die Kommission ausgemacht hat, fehlen so fragwürdig zusammengesetzte Gruppen wie die  „FP7 Security Advisory Group“. Diese Gruppe spielt eine entscheidende Rolle in der Mittelvergabe für Sicherheitsforschung. 9 der 14 Nicht-Regierungsmitglieder vertreten Konzerninteressen. Manche dieser Konzerne gehören gleichzeitig zu den Begünstigten der diskutierten Mittelvergabe. Auch die European Business Organisation Worldwide fehlt: eine Lobbygruppe, die den Status einer Expertengruppe erhalten hat. Beide Gruppen haben wir als Fallbeispiele in der jüngsten Studie untersucht. Die Auseinandersetzung mit der EU-Kommission ist also noch nicht zu Ende – aber wir freuen uns über die jüngsten Teilerfolge und werden weiter dran bleiben.

Videos und weitere Details zur Vorstellung der Studie in einem englischen Bericht des Corporate Europe Observatory

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