Der Europäische Bürgerbeauftragte hat vergangene Woche einer Beschwerde der Organisation Testbiotech gegen die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA stattgegeben und unzureichende Regeln gegen Interessenkonflikte bei der Behörde angemahnt. Wir hatten die Beschwerde gemeinsam mit CEO und Friends of the Earth Europe unterstützt. Konkret geht es um den Fall Dr. Suzy Renckens. Renckens war bis 2008 bei der EFSA Leiterin der Abteilung, die für die Risikobewertung gentechnisch modifizierter Organismen zuständig ist. Nur zwei Monate nach Beendigung dieser Tätigkeit wechselte Renckens zu dem Agro-Unternehmen Syntegma, das eben solche gentechnisch modifizierten Pflanzen herstellt (wir berichteten).
Die EFSA hat nun bis Ende März Zeit, auf die Empfehlungen des Bürgerbeauftragten (Ombudsmann) zu reagieren. Der Bürgerbeauftragte, P. Nikiforus Diamandouros, hat darüber hinaus die Kompetenz, den Fall dem Europäischen Parlament vorzulegen.
Konkret kritisiert der Ombudsmann in seiner Empfehlung mehrere Punkte, auch unabhängig von dem konkreten Fall:
- Die EFSA solle strengere Regeln und Verfahren zu Verhandlungen ihrer Mitglieder über Tätigkeiten nach ihrem Ausscheiden aus der Behörde entwickeln und anwenden. Die Behörde solle anerkennen, dass solche Verhandlungen mit ernsthaften Interessenkonflikten verbunden sein können.
- Die EFSA solle anerkennen, dass sie im Fall Renckens darin versagt hat, die entsprechenden Regeln anzuwenden und nicht zu einer ausreichend gründlichen Einschätzung des potentiellen Interessenkonflikts gelangt ist.
- Bei zukünftigen Fällen solle die EFSA darauf achten, ausreichende Informationen einzuholen, eine möglichst gründliche Einschätzung des Potentials für Interessenkonflikte vorzunehmen und die Ergebnisse dieser Einschätzung ordentlich zu dokumentieren.
Tatsächlich hat die EFSA bereits neue Regeln zur Stärkung der Unabhängigkeit, zum Umgang mit Interessenkonflikte und zur besseren Kontrolle der Drehtür zwischen Nahrungsmittelindustrie und der Behörde eingeführt. Weitere Regeln wurden bei einer Sitzung des Verwaltungsrats gestern in Warschau beschlossen. Daher argumentiert die EFSA in einem Brief an den Ombudsmann, dass sie nun wesentlich bessere Regeln hätte als 2009 und dass die Regeln weiter verbessert würden, so dass es keine derartigen Fälle mehr geben sollte.
Neue Regeln = bessere Regeln?
Allerdings zeigt der Wechsel von David Carlander vor einigen Wochen zum Nanotechnologie-Industrieverband (Nanotechnology Industry Association), dass die neuen Regeln nicht ausreichen. Carlander war bei der EFSA für die Risikobewertung von Nanotechnologie in Nahrungsmitteln zuständig. Nun ist er Cheflobbyist (Director of Advocacy) bei einem Verband, der die Interessen eben jener Unternehmen vertritt, deren Produkte Carlander bei EFSA unter die Lupe nehmen sollte. Zwar hat die EFSA Carlander entlang ihrer neuen Regeln ein einjähriges Kontaktverbot zur EFSA in Bezug auf Nanotechnologie auferlegt. Unserer Einschätzung nach hätte der Wechsel jedoch für mindestens 2 Jahre vollständig untersagt werden müssen um Interessenkonflikte auszuschließen, insbesondere da es sich um eine Lobbytätigkeit handelt. Fraglich ist auch, zu welchem Zeitpunkt Carlander Verhandlungen mit NIA über seinen Job aufnahm.
Bleiben Sie informiert über Lobbyismus.
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter.
Datenschutzhinweis: Wir verarbeiten Ihre Daten auf der Grundlage der EU-Datenschutz-Grundverordnung (Art. 6 Abs. 1). Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Zur Datenschutzerklärung.