Lobbyismus in der EU

Ex-Kommissar McCreevy pfeift auf Loyalität: Aufsichtsratsposten bei Bank

Kaum läuft die einjährige Berichtspflicht für den ehemaligen EU-Kommissar Charles McCreevy gegenüber der Europäischen Kommission aus, übernimmt der Ire den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden bei der Dubliner „Bank of New York Mellon Clearing International“. Dabei handelt es sich um eine Tochter der Bank of New York Mellon für das Derivate-Geschäft. Als Binnenmarktkommissar war er für die […]
von 13. April 2011

Charlie McCreevy

Kaum läuft die einjährige Berichtspflicht für den ehemaligen EU-Kommissar Charles McCreevy gegenüber der Europäischen Kommission aus, übernimmt der Ire den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden bei der Dubliner „Bank of New York Mellon Clearing International“. Dabei handelt es sich um eine Tochter der Bank of New York Mellon für das Derivate-Geschäft. Als Binnenmarktkommissar war er für die Regulierung der Finanzmärkte während und nach der Krise zuständig. Die Kommission muss mit ihrem neuen Verhaltenskodex derartige Seitenwechsel klar untersagen, anstatt lediglich auf die Integrität ehemaliger Amtsträger zu setzen.

Verbot für einen Posten bei einer Investmentbank im Oktober 2010
Die Europäische Kommission hatte McCreevy im Herbst 2010 nicht gestattet, innerhalb seiner einjährigen „Karenzzeit“ nach Niederlegung seines Amtes als EU-Kommissar für die Investmentfirma NBNK Investments PLC zu arbeiten. Das Ethik-Komitee der Kommission sah erstmals seit seinem Bestehen die Gefahr eines Interessenkonfliktes mit seinem ehemaligen Amt als EU-Kommissar als real gegeben an. „Für uns ist klar, dass ein ehemaliger Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen nicht für eine Investmentbank arbeiten kann“, erklärte damals ein Vertreter der Kommission. Die „Karenzzeit“ – in der Ex-Kommissare der Kommission über neue Tätigkeiten berichten müssen – ist nun allerdings seit dem 10. Februar 2011 abgelaufen.

Gerade acht Tage später, am 18. Februar, hat ihn die  Dubliner Bank of New York Mellon Clearing International als Direktor des Aufsichtsrates für Dublin berufen. Der neue Posten steht im klaren Interessenkonflikt zu seinem ehemaligen Amt als Binnenkommissar. Als Aufsichtratchef der BNY Mellon Clearing ist er nun für eine Abteilung verantwortlich, die Derivate und Wertpapiere verwaltet. Als Kommissar war er dafür verantwortlich, im Zuge der Finanzkrise neue Regeln für den Finanzmarkt und den Derivatehandel einzuführen. Er wurde dafür kritisiert, erst katastrophal spät auf die Probleme reagiert und eine Regulierung des Derivatehandels vorgeschlagen zu haben. Auch dann plädierte er für Selbstregulierung und setzte zwei Arbeitsgruppen ein, die von der Derivatelobby dominiert wurden. In seiner neuen Tätigkeit wird er von seinen laxen Regeln möglicherweise profitieren.

McCreevy verhöhnt die Kommission
Die Übernahme dieses Postens kommt einer Verhöhnung der EU-Kommission gleich. In den Debatten um die vielen Seitenwechsel ehemaliger Kommissare des vergangenen Jahres hatte sie den zivilgesellschaftlichen Forderungen nach einer dreijährigen Abkühlphase immer wieder die eigene Integrität und Loyalität der ehemaligen Amtsträger entgegengestellt. Der geltende Verhaltenskodex für Kommissarinnen und Kommissare besagt: „Bei der Aufnahme ihrer Tätigkeit übernehmen sie die feierliche Verpflichtung, während der Ausübung und nach Ablauf ihrer Amtstätigkeit die sich aus ihrem Amt ergebenden Pflichten zu erfüllen, insbesondere die Pflicht, bei der Annahme gewisser Tätigkeiten oder Vorteile nach Ablauf dieser Tätigkeit ehrenhaft und zurückhaltend zu sein.“ Auf diese Ehrenhaftigkeit und Loyalität „bis zum Ende ihrer Karriere“, wie Sprecherinnen und Sprecher der EU-Kommission mehrmals betonten, scheint McCreevy offensichtlich zu pfeifen.

Er profitiert dabei von den schwachen Regeln des Verhaltenskodex für EU-Kommissare. Dieser befindet sich soeben in einer letzten Phase der Neufassung. Konservative und Liberale haben im Europäischen Parlament verhindert, dass noch einmal Nachbesserungen auf den Tisch kommen – zum Beispiel eine Verlängerung der Berichtspflicht auf zwei Jahre statt nur auf anderthalb (wie von der Kommission geplant). Die EU-Kommission muss sich nach dreisten Fällen wie Günter Verheugen und Charles McCreevy endlich klarmachen, dass es nicht reicht, auf die Integrität ihrer ehemaligen Kommissarinnen und Kommissare zu setzen. Sie braucht auch wirksame Mittel, mit denen sie vorgehen kann, falls Ex-Kommissare auf diese Charaktereigenschaften zugunsten eines Postens pfeifen. Sie muss die Gelegenheit wahrnehmen und den Wechsel in Lobbytätigkeiten oder andere Tätigkeiten, bei denen es zu Interessenkonflikten kommen kann, klar für drei Jahre verbieten.

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