Lobbyismus in der EU

Fragwürdiger Seitenwechsel: EU-Kommissarin wechselt zur Bertelsmann Stiftung

Die Ex-Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft Viviane Reding wechselt in die Wirtschaft: In die Leitung des mexikanischen Minen- und Metallkonzerns Nyrstar und in das Kuratorium der Bertelsmann Stiftung. Ein brisanter Wechsel, der einige Fragen aufwirft.
von 13. November 2014
Viviane Reding bei einer Podiumsdiskussion auf dem Weltwirtschaftsforum

Viviane Reding bei einer Podiumsdiskussion auf dem Weltwirtschaftsforum

Die Ex-Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft Viviane Reding wechselt in die Wirtschaft: In die Leitung des Minen- und Metallkonzerns Nyrstar und in das Kuratorium der Bertelsmann Stiftung. Das Kuratorium der Bertelsmann Stiftung ist personell eng verzahnt mit dem globalen Medien und- Dienstleistungsunternehmen Bertelsmann. Besonders fragwürdig: Reding bleibt trotz ihrer Wechsel weiterhin Mitglied im Europäischen Parlament und dort im handelspolitischen Ausschuss.

Reding bringt immens viel politisches Insiderwissen mit

Reding kann als äußerst erfahrene Europapolitikerin gelten. Seit 1989 war sie bereits mehrfach für die luxemburgischen Konservativen im Europaparlament. 1999 wechselte sie dann zur EU-Kommission und wurde unter Romano Prodi Kommissarin für Bildung, Kultur, Medien und Sport. Sie war infolge sowohl Kommissarin in der Barroso I als auch in der Barroso II Kommission. In der Barroso I Kommission hatte sie das Ressort für Medien und Informationsgesellschaft inne. In den darauf folgenden fünf Jahren war sie Justizkommissarin und Vizepräsidentin der EU-Kommission und beschäftigte sich unter anderem mit Datenschutzfragen.

Bertelsmann profitiert als Medien- und Dienstleistungsunternehmen enorm vom politischen Insiderwissen Redings. Die Ex-Kommissarin bringt politisches Know-How im Medien-, Datenschutz- und Bildungsbereich mit, das für Bertelsmanns Geschäftsfelder von höchstem Interesse ist. Reding ist zudem Vizepräsidentin derjenigen EU-Kommission gewesen, die das TTIP-Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU initiiert hat. Wie wir bereits vor einiger Zeit berichtet haben, ist Bertelsmann als globales Dienstleistungsunternehmen möglicher Nutznießer des TTIP und unterstützt Lobbygruppen, die sich für das Freihandelsabkommen einsetzen. Die Bertelsmann-Stiftung hat massiv für TTIP geworben. Wir haben diese Engagement der Bertelsmann Stiftung zu TTIP infrage gestellt, da es eigentlich der Selbstlosigkeit und damit der Gemeinnützigkeit der Stiftung zuwiderläuft.

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Bertelsmann Stiftung und Bertelsmann AG eng verzahnt

Das Kuratorium der Bertelsmann Stiftung, in das Reding wechselt, ist ein Beratungs- und Kontrollgremium, das eng in die strategische Entscheidungen der Stiftung eingebunden ist. Auch die Vergütung bei der gemeinnützigen Stiftung lässt sich durchaus sehen. In Paragraph 21 der Satzung der Stiftung heißt es dazu: „Die Mitglieder des Kuratoriums erhalten von der Aufnahme ihrer Tätigkeit an, und solange die Erträge der Stiftung dies zulassen, eine jährliche Grundvergütung von 30 Prozent der Grundvergütung eines Aufsichtsratsmitglieds der Bertelsmann AG.“ Im Jahr 2012 waren dies durchschnittlich 60.000 Euro.

Auch wenn das Kuratorium nicht direkt zum Unternehmen gehört, ist es doch eng mit Bertelsmann verbunden. Denn die Stiftung hält 77,6% der Aktien des Bertelsmannkonzerns und das Kuratorium ist personell mit dem Aufsichtsrat der Bertelsmann SE & Co. KgaA verzahnt. Sowohl im Aufsichtsrat als auch im Kuratorium der Stiftung sind unter anderem Liz Mohn, Christoph Mohn und Werner Bauer vertreten.

Reding von Ex-Kollegen durchgewunken

Auf europäischer Ebene gibt es bereits eine Karenzzeit von 18 Monaten für EU-Kommissare, die im Rahmen eines Verhaltenskodex geregelt ist. Ein sogenanntes „Ethik-Kommittee“ spricht demzufolge Empfehlungen hinsichtlich des Umgangs mit möglichen Interessenkonflikten aus. Es scheint so, als hätte das Kommittee Redings Posten nicht infrage gestellt. Pikant ist ferner, dass die Überprüfung der künftigen Jobs von Kommissaren bereits im Oktober stattfand. Dies beweist das Protokoll der Kommissionssitzung vom 29. Oktober. Mit anderen Worten: Redings künftige Tätigkeiten wurden von ihren Ex-Kollegen abgenickt.

Laut dem Protokoll der Sitzung bekam Reding nur eine Auflage für ihre Wechsel: Sie darf die ersten 18 Monate keine Lobbyarbeit für die Bertelsmann Stiftung und den Minen- und Metallkonzerns Nyrstar betreiben. Die Auflage gilt nur für die EU-Kommission, nicht für die anderen EU-Institutionen. Ihre Arbeit im handelspolitischen Ausschuss des Europaparlaments ist davon nicht erfasst.

Karenzzeiten auf EU-Ebene effektiver gestalten

Hier zeigen sich die Defizite bei Karenzzeiten für EU-Kommissare. Erstens ist es fragwürdig, wenn Kommissarskollegen sich gegenseitig durchwinken können. Zweitens sind die Kriterien für Interessenkonflikte offensichtlich nur vage gefasst. Und drittens muss eine effektive Karenzzeit länger als 18 Monate sein. Wir fordern eine Abkühlungsphase von drei Jahren, so wie wir das auch von der deutschen Bundesregierung fordern. Das gilt, zumal die Voraussetzung eines dreijährigen Übergangsgeld für EU-Kommissare bereits besteht und Kommissare so finanziell ausreichend versorgt wären.

Weitere Infos:

Bildquelle: World Economic Forum; Foto: Women in Economic Decision-making – Viviane Reding at World Economic Forum; Lizenz: CC BY-SA 2.0

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