Lobbyismus in der EU

Industrie weicht EU-Vorschlag über Berichtspflichten auf

Vergangene Woche hat die EU-Kommission einen Richtlinienvorschlag vorgelegt, mit dem Unternehmen zur Berichterstattung über die sozialen und ökologischen Auswirkungen ihres Handelns verpflichtet werden sollen. Ein neuer Bericht unserer Partnerorganisation Corporate Europe Observatory zeigt auf, wie die Industrie die ursprünglich ambitionierten Pläne der EU-Kommission torpedierte. So sind nun laut Studie nur noch 0,3% aller europäischen Unternehmen davon betroffen. Die deutschen Arbeitgeberverbände haben das Vorhaben massiv bekämpft – mit starker Unterstützung der deutschen Bundesregierung.
von 24. April 2013

Cover der Studie Refusing to be accountableVergangene Woche hat die EU-Kommission einen Richtlinienvorschlag vorgelegt, mit dem Unternehmen zur Berichterstattung über die sozialen und ökologischen Auswirkungen ihres Handelns verpflichtet werden sollen. Ein neuer Bericht unserer Partnerorganisation Corporate Europe Observatory zeigt auf, wie die Industrie die ursprünglich ambitionierten Pläne der EU-Kommission torpedierte. So sind nun laut Studie nur noch 0,3% aller europäischen Unternehmen davon betroffen. Die deutschen Arbeitgeberverbände haben das Vorhaben massiv bekämpft – mit starker Unterstützung der deutschen Bundesregierung.

Ursprünglich sollten europäische Unternehmen mit der Richtlinie verpflichtet werden, neben ihren üblichen finanziellen Berichtspflichten auch regelmäßig über nicht-finanzielle Daten zu berichten. Sie sollten anhand von für alle verpflichtend gültigen Indikatoren darlegen müssen, welche Auswirkungen ihre Unternehmenspolitik zum Beispiel auf Umwelt und Klima, Arbeitsstandards und Menschenrechte hat. Ein Vorhaben, das der Industrie wohl angesichts des Arbeitsaufwands, vor allem aber auch angesichts der damit einhergehenden Transparenz über ihr Tun missfallen hat.

Zwar geben immer mehr Unternehmen so genannte Corporate Social Responsibility-Berichte heraus – in ihnen berichten sie über soziale oder ökologische Auswirkungen ihres Unternehmens, über Positivprojekte und ihr gesellschaftliches Engagement. Dabei können sie allerdings freiwillig selbst gewählte gute Taten darstellen und die Berichte eher zu Zwecken des Marketings nutzen. Die EU-Richtlinie hätte in der ursprünglichen Planung erstmals systematische Berichtspflichten eingeführt, wie sie beispielsweise das Netzwerk für Unternehmensverantwortung Cora seit Langem fordert. Die Richtlinie hätte mehr Transparenz über die Unternehmensauswirkungen entlang der gesamten Lieferkette bedeutet – auch in Bereichen, die bisher unter den Teppich gekehrt werden.

Deutsche Bundesregierung unterstützt die Industrie

Die Studie „Refusing to be accountable: Business hollows out new EU corporate social responsibility rules“ zeigt auf, wie die Lobbyarbeit dagegen vor allem an drei entscheidenden Punkten ansetzte: Die Frage, anhand welcher Kriterien berichtet werden soll, die Frage, ab welcher Unternehmensgröße zu berichten ist und die Frage nach dem verpflichtenden Charakter der Berichte.

Bei der Frage, anhand welcher Kriterien berichtet werden soll, spielte laut der Studie eine Expertengruppe (Expert Group on social and environmental impacts reporting) eine Rolle, die sich allerdings lediglich dreimal traf – und sich offenbar durch große Intransparenz bei der Entscheidungsfindung auszeichnete. Einen Abschlussbericht gibt es nicht. Mitgliedern von Nichtregierungsorganisationen ist, so berichtet es die CEO-Studie, bis heute unklar, auf welche Weise Entscheidungen getroffen wurden. Ergebnis ist jedenfalls, dass die Berichtspflicht nicht anhand von Schlüsselindikatoren und vordefinierten Prinzipien stattfindet, wie von den Vertretern der NGOs gefordert. Sondern dass Unternehmen sich aus internationalen Standards den aussuchen dürfen, der ihnen am besten gefällt.

Die deutsche Bundesregierung hat sich laut der Studie deutlich für die Interessen der Industrie eingesetzt, etwa bei der Unternehmensgröße und der Frage Verpflichtung versus Freiwilligkeit. In zwei Briefen – einer von Staatssekretär und Mittelstandsbeauftragtem Ernst Burgbacher und ein weiterer von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, stellte die Bundesregierung im Herbst 2011 klar, dass sie sich entschieden gegen den verpflichtenden Charakter von Corporate Responsibility-Berichten stellt. Und dass die geplante Berichtspflicht  für Unternehmen ab 250 Mitarbeitern eine zu hohe brüokratische Last bedeutet. Im Ergebnis gilt die Richtlinie erst für Unternehmen ab 500 Mitarbeitern.

Richtlinie betrifft nur einen Bruchteil der Unternehmen

Alles in allem lautet die Vorgabe der Richtlinie nun wie folgt: Bestimmte große Unternehmen müssen in ihren jährlichen Berichtspflichten ein „Statement“ abgeben, das Informationen zu sozialen, Umwelt- und Mitarbeiter-Aspekten enthält, des weiteren zur Korruptionsbekämpfung und zu Menschenrechtsfragen. Dies soll anhand international akzeptierter Rahmenvorgaben geschehen. Unternehmen, die dies nicht tun, werden gehalten sein, ihre Gründe dafür zu erklären. Kleine und mittlere Unternehmen bis 500 Mitarbeiter sowie Tochterfirmen müssen nicht selbst berichten – die Annahme ist aber, dass sie in den Berichten der Großunternehmen vorkommen, sofern sie Teil einer Lieferkette sind. Wer bereits einen eigenen CSR-Bericht zum entsprechenden Bilanzjahr verfasst, wird von der Verpflichtung ausgenommen, vorausgesetzt, dass die Anforderungen der Richtlinie eingehalten werden. Die CEO-Studie rechnet vor, dass die Berichtspflicht letzten Endes nur noch 0,3% aller europäischen Unternehmen betrifft.

Bei der Freiwilligkeit haben sich Industrie und deutsche Bundesregierung formal nicht vollständig durchsetzen können. Allerdings ist die Richtlinie durch die Möglichkeit, den Berichtsstandard selbst zu wählen, extrem aufgeweicht. Zudem fehlen klare Sanktionen bei Nichteinhaltung. Die European Coalition for Corporate Justice kritisiert den Vorschlag insgesamt als unzureichend. Nun geht der Richtlinienvorschlag weiter ins Parlament und die Beratungen mit dem Ministerrat.

Hier finden Sie die Studie Refusing to be accountable: Business hollows out new EU corporate social responsibility rules.

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