Die neue EU-Kommission unter Präsident Juncker hat zum 1. Dezember neue Transparenzregeln eingeführt. Alle Kommissare und ihre Kabinette müssen nun ihre Kontakte mit Lobbyisten innerhalb von zwei Wochen nach einem Treffen oder Telefonat veröffentlichen. Zudem hat Handelskommissarin Malmström mehr Transparenz bei den Verhandlungen zum TTIP-Freihandelsabkommen angekündigt. Und ein verpflichtendes Lobbyregister für alle EU-Institutionen soll nun auch kommen. Das sind erfreuliche Schritte in Richtung einer transparenteren Europäischen Union.
Sofortmaßnahmen begrüßenswert
Zunächst zu den Sofortmaßnahmen. Dass fortan Lobbykontakte der obersten Kommissare und obersten Beamten innerhalb von zwei Wochen veröffentlicht werden, ist erfreulich. Juncker hat sein Team zudem dazu aufgefordert, sich nur noch mit Interessenvertretern zu treffen, die sich im freiwilligen Lobbyregister der EU eingetragen haben. Man kann also künftig einen Eindruck davon gewinnen, mit wem sich die oberste Ebene der Kommission trifft.
Allerdings handelt es sich dabei um eine reine Selbstverpflichtung. Es gibt kein Gremium, das die Umsetzung kontrollliert und gegebenenfalls Sanktionen ausspricht. Ferner gilt die Regelung, sich ausschließlich mit registrierten Lobbyisten zu treffen, nur für die EU-Kommissare selbst. Hinzu kommt, dass ohne die Erlaubnis von Lobbyisten deren Namen nicht auf der Website der Kommissare erscheinen dürfen. Schließlich werden gerade die unteren Arbeitsebenen der Kommission, in der oft Gesetzesentwürfe entstehen, nicht mit einbezogen. Man darf also gespannt bleiben, wieviel Wirkung diese gut gemeinte Maßnahme in der Realität zeigt.
EU-Handelspolitik: Mehr Transparenz nur bei TTIP?
Eine Extradosis Transparenz hat sich die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström verordnet. Infolge der europaweiten Proteste gegen die Geheimverhandlungen zu einem Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU will die Handelsdirektion bei TTIP nun mehr Einblick gewähren.
Zwei Dinge sind hier besonders hervorzuheben. Erstens dürfen sich fortan alle EU-Parlamentarier die TTIP-Verhandlungstexte anschauen – zuvor war dies nur den unmittelbar damit befassten Parlamentariern erlaubt. Die Texte stehen weiterhin in einem eigens dafür vorgesehenen Leseraum zur Verfügung. Zweitens werden regelmäßig die Verhandlungsstände in einzelnen Bereichen auf der Webseite der EU-Kommission veröffentlicht. Das bedeutet, dass detailliertere Zwischenstände bekannt gegeben werden – einen weitergehenden Zugang zu den Verhandlungstexten bekommt die Öffentlichkeit aber nicht.
Enttäuschend ist, dass die Transparenzmaßnahmen ausschließlich für TTIP gelten und nicht für andere derzeit laufende Verhandlungen, wie beispielsweise für das sektorale Dienstleistungsabkommen TISA.
Vorschlag zum Lobbyregister braucht gesetzliche Grundlage
Die EU-Kommission schreitet unterdessen bei ihren Bemühungen um mehr Transparenz und mehr Bürgernähe voran. Sowohl EU-Kommissionspräsident Juncker als auch der zuständige Kommissar für interinstitutionelle Beziehungen, Frans Timmermans, haben ein verpflichtendes Lobbyregister für alle drei EU-Institutionen (Rat, Kommission und Parlament) angekündigt. Alle Lobbyisten müssten demnach künftig Angaben über ihre Lobbytätigkeiten machen, um Zugang zur Politik zu bekommen. Das ist ein Bruch mit der Blockadehaltung der Barroso-Kommission bei diesem Thema – und ein Erfolg unserer Arbeit.
Das EU-Parlament forderte noch Ende der letzten Legislaturperiode (im Frühjahr 2014), dass die EU-Kommission nun endlich ein verpflichtendes Lobbyregister auf gesetzlicher Grundlage einführen soll. Die Kommission selbst tendiert den bisherigen Verlautbarungen zufolge eher zu einer sogenannten interinstutitionellen Vereinbarung. Der größte Unterschied besteht darin, dass nur mit einer gesetzlichen Grundlage Sanktionen gegen Lobbyisten verhängt werden können, wenn diese gegen die Eintragungspflicht verstoßen oder Falschangaben machen. Deshalb ist es wichtig, dass EU-Parlamentarier den Druck auf die Kommission erhöhen und erneut eine gesetzliche Basis für das Register fordern.
Transparenzinitiative ist ein positives Signal für Europa
Die Sofortmaßnahmen und Ankündigungen der EU-Kommision sind durchaus ernstzunehmen. Als ehemaliger Chef der Eurogruppe scheint sich Juncker bewusst zu sein, dass die EU-Institutionen in den letzten Jahren insbesondere durch die Eurokrise in eine verstärkte Legitimitätskrise geraten sind. Juncker will offensichtlich dagegen vorgehen. Es gilt zu hoffen, dass der Beamtenapparat ihm dabei folgt. Die zusätzlichen Maßnahmen von Malmström sind hingegen nur halbherzig und sollten mindestens auf Verhandlungen zu weiteren Handelsabkommen ausgeweitet werden.
Dann könnte auch die Kommission ihr jahrzehntelang gepflegtes Image eines intransparenten Beamtenapparates im fernen Brüssel loswerden und zu einem Ort werden, den man künftig mit mehr Bürgernähe, Transparenz und einer lebendigen Demokratie verbindet.
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