Bei den Gesprächen zum Freihandelsabkommen zwischen EU und Indien hat die Politik auf beiden Seiten die politische Agenda faktisch an die großen Unternehmenslobbys übergeben. Ergebnis ist ein Abkommen mit Vorfahrt für die Großkonzerne, das die Existenzen von Millionen von Bauern, Straßenhändlern und Bauern aufs Spiel setzt, wie eine aktuelle Studie unserer EU Partner-Organisation Corporate Europe Observatory (CEO) zeigt.
Das geplante Handelsabkommen soll den europäischen Großkonzernen in erster Linie Zugang zu Indiens rasant wachsendem Absatzmarkt verschaffen. Es geht um eine eine vollständige Liberalisierung des Handels innerhalb der nächsten sieben Jahre.
Zudem sollen bisherige Barrieren für europäische Beteiligungen an indischen Unternehmen entfallen. Besonders für den Dachverband BusinessEurope, welcher 40 europäische Arbeitgeberverbände unter sich vereint, hatten die EU-Kommissare ein offenes Ohr.
Business Europe hatte bereits 2007 intensiven Kontakt mit dem damaligen EU-Handelskommissar Peter Mandelson – bevor dieser sich mit dem indischen Wirtschaftsminister Kamal Nath zu Gesprächen traf. Die großen europäischen Einzelhandelsketten wie Carrefour oder Metro erhalten durch das Abkommen die Möglichkeit, auf dem indischen Subkontinent zu expandieren, wodurch die Existenz von Millionen an Kleinbauern und Händlern in Indien gefährdet wird.
FTA-Verhandlungen: Intransparent und interessensgesteuert
Wie ein interner Brief beweist, der in der CEO-Publikation dokumentiert wird, war man im Haus des EU-Kommissars über diese Zusammenarbeit mit dem Industrieverband BusinessEurope durchaus erfreut und sprach mit ihm sogar die Außendarstellung des Freihandelsabkommens ab. Ein Mitarbeiter von BusinessEurope meinte hierzu: „Wir können die Kommission als unser Sprachrohr in der FTA benutzen.“
Ähnlich verhielt es sich auch auf indischer Seite, wo vor allem die Confederation of Indian Industry (CII) Einfluss auf das Papier nehmen durfte. Währenddessen erhielten allerdings Vertreter anderer Interessensgruppener keine Möglichkeit, Einsicht in die FTA-Dokumente zu nehmen. Soziale Ambitionen wurden bewusst ignoriert, um den Erfolg des Abkommens nicht zu gefährden.
Rohstoffe und Pharma-Patente
Neben einer Liberalisierung von Handel und Beteiligungen soll es den europäischen Unternehmen erleichtert werden, indische Rohstoffe auszubeuten, da auch dafür die Handelsbarrieren aufgehoben werden.
Weitere Punkte sind der Patent- und Markenrechtsschutz, die es vor allem europäischen Pharmakonzernen ermöglichen sollen, ihre weitaus teureren Präparate auf dem indischen Markt abzusetzen.
Menschenrechtsorganisationen befürchten, dass es durch solch eine Vereinbarung zu weiteren Verschlechterung im Bezug auf den Arbeitsmarkt, das Gesundheitswesen und die Ökologie in Indien kommen wird. Denn dem indischen Staat werden in Folge dessen die nötigen Ressourcen genommen, Teile seiner Bevölkerung adäquat zu versorgen.
Barbara Specht vom Frauen-Netzwerk wide, meint hierzu: „Die europäischen und indischen Verantwortlichen nehmen hin, dass durch nahezu jeden Aspekt der Vereinbarungen die Lebensverhältnisse der indischen Frauen und Männer beeinträchtigt werden.“
Darüber hinaus klagen viele der Organisationen über die mangelnde Transparenz und stellen die demokratische Legitimation des Papiers in Frage. Beide Seiten müssen daher an ihre soziale Verantwortung erinnert werden. Corporate Europe Observatory fordert deshalb, dass die Verhandlungen gestoppt werden, bis alle Dokumente öffentlich gemacht wurden. Nicht etwa die Interessen der Industrie sollten die Agenda bestimmen, sondern Anforderungen wie Umweltverträglichkeit, Nahrungsversorgung der Bevölkerung und soziale Gerechtigkeit.
Die Studie „Trade Invaders. How big business is driving the EU-India free trade negotiations“ (englisch) finden Sie hier.
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