Die EU-Ombudsfrau hat den Umgang der EU-Kommission mit Seitenwechseln ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kritisiert. Die Kommission müsse künftig mehr tun, um Interessenskonflikte bei Seitenwechseln zu verhindern. Auslöser war eine gemeinsame Beschwerde von LobbyControl, Corporate Europe Observatory, Friends of the Earth Europe, Greenpeace und SpinWatch.
Wir hatten die Beschwerde bereits 2012 eingereicht. Heute hat die Europäische Ombudsfrau, Emily O’Reilly, ihr Untersuchungsergebnis vorgestellt. „Diese auf die Beschwerde einiger NGOs zurückgehende Untersuchung hat gezeigt, dass der Umgang der Kommission mit dem so genannten Drehtür-Phänomen systemische Missstände aufweist“, so ihr Urteil.
Ombudsfrau fordert strikteren Überprüfungsprozess
Die Ombudsfrau fordert deshalb von der EU-Kommission einen umfassenden und sauber dokumentierten Überprüfungsprozess, wenn Mitarbeiter in externe Jobs wechseln. Das ist ein wichtiges Signal. Denn das Abwerben von Kommissionsmitarbeitern ist eine der wichtigsten Taktiken für Brüsseler Lobbyisten. Wie unsere Beschwerde zeigte, ging es dabei in der Vergangenheit recht lax zu. Seitenwechsler vergaßen um Erlaubnis für ihre neuen Jobs zu fragen oder Auflagen wurden erst erteilt, als es öffentliche Kritik an den Seitenwechseln gab (siehe die konkreten Fälle in unserer Beschwerde).
Nun fordert die Ombudsfrau eine andere Gangart ein. Die Kommission sollte aus Sicht von O’Reilly sicherstellen, dass die Genehmigung von Seitenwechseln und die Einschätzung möglicher damit verbundener Interessenkonflikte nicht von Kommissionsbediensteten durchgeführt, die in einer direkten beruflichen Verbindung zu dem Seitenwechsler stehen. Zudem solle die Kommission daran erinnern, dass ihre Mitarbeiter zu größter Integrität und Diskretion verpflichtet sind und diese Verpflichtung zeitlich unbegrenzt ist. Wenn ehemalige Mitarbeiter gegen diese Prinzipien verstoßen, indem sie ein problematisches Jobangebot annehmen, solle die Kommission alle passende Maßnahmen ergreifen.
Auch mehr Transparenz fordert die Ombudsfrau. So sollen insbesondere die Wechsel von höheren Mitarbeitenden („senior officials“) im Internet veröffentlicht werden. Das ist von besonderer Bedeutung, da mit den höheren Positionen mehr Entscheidungskompetenzen einhergehen und damit mögliche Interessenkonflikte schwerer wiegen. Zusätzlich soll die Kommission ein internes Register führen, in dem alle Wechsel in externe Positionen erfasst werden ebenso wie Einschätzungen zu Interessenkonflikten bei Wechseln in die Kommission hinein. Damit wäre eine nachträgliche Überprüfung von Entscheidungen und eine bessere Übersicht über alle Seitenwechsel möglich.
Empfehlungen sind wichtige Schritte zur Kontrolle von Seitenwechseln
O’Reilly fordert außerdem, dass sie informiert werden sollte, falls die Kommission sich entscheidet, einen Seitenwechsel-Fall eines höheren Beamten oder Mitarbeiters nicht zu veröffentlichen. Sie kündigte an, nicht davor zurück zu schrecken alle Maßnahmen zu ergreifen, die ihr Amt ihr erlaubt, falls es berechtige Zweifel an einer ordnungsgemäßen Anwendung der Regeln zur Vermeidung von Interessenkonflikten gibt.
Die Empfehlungen sind wichtige Schritte zu einer strikteren Kontrolle von Seitenwechseln. Es kann tatsächlich nicht sein, dass die Kommissions-Mitarbeiter gegenseitig beurteilen sollten, ob es bei einem Seitenwechsel zu Interessenkonflikten kommt. Mehr Transparenz und damit öffentliche Kontrolle von Seitenwechseln war lange überfällig. Insbesondere begrüßen wir die Ankündigung der Ombudsfrau künftig dauerhaft einen wachen Blick auf potentielle Interessenkonflikte bei hohen Kommissionsmitarbeitern zu haben und die Umsetzung der überarbeiteten Regeln im Jahr 2015 zu überwachen.
Zusätzlich zu der Entscheidung der Ombudsfrau halten wir weitere Änderungen für nötig wie etwa ein unabhängiges Revolving Door Review Committee und eine breitere Sicht von Interessenkonflikten.
Ein Urteil mit Signalwirkung
Wir werden weiterhin wachsam sein, wenn die Drehtür weiter schwingt. Das heutige Urteil bezieht sich auf die Kommissionsmitarbeiter. Aber es ist auch ein wichtiges Signal für den Umgang mit den Seitenwechseln von EU-Kommissaren und Kommissarinnen. Im November wird die alte Kommission aus dem Amt scheiden. Es ist wichtig, dass dann Seitenwechsel in Lobbyjobs konsequent unterbunden werden. Für EU-Kommissare gilt dabei eine Karenzzeit von 18 Monaten.
Der Spruch der EU-Ombudsfrau hat auch Signalwirkung für die deutsche Debatte. Hier steht ja noch ein Vorschlag der Bundesregierung aus, wie sie in Zukunft mit den Seitenwechseln von Regierungsmitgliedern umgehen will. Sie sollte sich dabei an den Standards orientieren, die sich international entwickeln. Die Bundesregierung sollte sich von dem heutigen Schiedsspruch abgucken, dass die Seitenwechsel von Regierungsmitgliedern nicht vom Bundeskabinett selbst beurteilt werden können.
Weitere Informationen:
- Aktuelle Fälle von Seitenwechseln listet das Projekt RevolvingDoorWatch des Corporate Europe Observatory.
- Seitenwechsel in Deutschland dokumentieren wir in der Lobbypedia
- Unsere Pressemitteilung zur heutigen Entscheidung.
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