Lobbyismus in der EU

Verschleierte Interessenkonflikte bei Europäischer Behörde für Lebensmittelsicherheit

Wie gestern bekannt wurde, sind erneut ExpertInnen, die die Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in Fragen der Sicherheit von Nahrungsmittelzusätzen beraten, von Interessenkonflikten betroffen. Bereits in den vergangenen Monaten wurde die EFSA mehrmals wegen ihres mangelhaften Umgangs mit Interessenkonflikten kritisiert. Recherchen der belgischen Organisation Corporate Europe Observatory (CEO) und des französischen Netzwerks für Gesundheit und […]
von 14. September 2011

Wie gestern bekannt wurde, sind erneut ExpertInnen, die die Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in Fragen der Sicherheit von Nahrungsmittelzusätzen beraten, von Interessenkonflikten betroffen. Bereits in den vergangenen Monaten wurde die EFSA mehrmals wegen ihres mangelhaften Umgangs mit Interessenkonflikten kritisiert.

Recherchen der belgischen Organisation Corporate Europe Observatory (CEO) und des französischen Netzwerks für Gesundheit und Umwelt (RES) zeigen, dass zwei der neu in das EFSA-Expertengremium für „Lebensmittelzusatzstoffe und Lebensmitteln zugesetzte Nährstoffquellen“ (ANS) berufene ExpertInnen es versäumten, ihre bisherigen Tätigkeiten für die Lebensmittelindustrie offenzulegen. Beide Experten waren in beratender Funktion für die industrienahe Denkfabrik und Lobbyorganisation ILSI (International Life Sciences Institute) tätig.

ILSI wird unter anderem getragen von Coca-Cola, Danone, Kraft, Unilever, Nestlé, McDonalds, BASF, Monsanto und einem führenden Hersteller von Aspartam, Ajinomoto. Das betroffene ANS-Gremium der EFSA befasst sich neben anderen Lebensmittelzusätzen auch mit dem synthetischen Süßstoff Aspartam. Nachdem neue Studien zu Aspartam mögliche Gesundsheitsgefährdungen nahelegten, wurde die EFSA von der EU-Kommission beauftragt, Aspartam bis Juli 2012 neu zu bewerten. Das ANS-Gremium würde bei einer solchen Neubewertung eine wichtige Rolle spielen.

Im Dienste der Lebensmittelindustrie

Bei den beiden in der Kritik stehenden ExpertInnen handelt es sich um Riccardo Crebelli, Forschungsdirektor am italienischen Istituto Superiore di Sanità (ISS), und Ursula Gundert-Remy, die ehemalige Leiterin des Fachbereichs Chemikalienbewertung im Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Gundert-Remy wurde 2005 zur wissenschaftlichen Beraterin bei der ILSI Research Foundation in Washington berufen (pdf, S.6). Crebelli war Mitglied (pdf, S.8) eines wissenschaftlichen Komittees für die Sicherheit von Nahrungsmittelverpackungen, welches von ILSI 2008 eingerichtet wurde.

CEO und RES verlangen in einem offenen Brief an die EFSA (pdf) die Abberufung der beiden Experten. In einem weiteren offenen Brief (pdf) fordern die Organisationen den EU-Verwaltungskommissar Maroš Šef?ovi? auf, strengere Regeln für den Umgang mit Interessenkonflikten in EU-Behörden durchzusetzen.

Die neuen Vorfälle stehen in einer Reihe mit ähnlichen Vertrauensbrüchen (pdf) im Juni diesen Jahres. Vier Mitglieder des ANS-Gremiums aktualisierten ihre Interessenerklärungen erst, nachdem CEO auf nicht angegebene Beratungstätigkeiten für ILSI hingewiesen hatte. Die damalige Studie der Nichtregierungsorganisation zeigte darüber hinaus, dass bei 11 von 20 Experten des Gremiums ein Interessenkonflikt gemäß der OECD-Definition (pdf) vorlag.

Nicht dazugelernt

Nina Holland vom Corporate Europe Observatory kommentiert: „EFSA hat aus vergangenen Skandalen nicht gelernt. Gemäß den eigenen Regeln der Behörde sind die Mitglieder der wissenschaftlichen Gremien dazu verpflichtet, potentielle Interessenkonflikte anzugeben. Nun scheinen zwei neue Mitglieder des ANS-Gremiums gegen diese Regeln verstoßen zu haben – wir meinen, dass sie deswegen abgesetzt werden sollten.“

Die Regeln der EFSA zu Interessenkonflikten (pdf) verlangen, dass Mitglieder der Expertengremien jede Arbeit für die Industrie innerhalb der letzten fünf Jahre, welche ihre Unabhängigkeit beeinträchtigen könnte, angeben müssen. Nach diesen Regeln müssen auch unbezahlte Beratungstätigkeiten angegeben werden.

„Bereits im letzten Jahr ist die Vorsitzende der EFSA, Diána Bánáti, von ihrer Führungsposition bei ILSI nach laut gewordener Kritik aus der Zivilgesellschaft und dem europäischen Parlament zurückgetreten“, so Timo Lange von LobbyControl. „Die EU-Kommission muss endlich sicherstellen, dass wichtige Entscheidungen der EFSA für die europäischen VerbraucherInnen nicht von Experten mit engen Industriekontakten getroffen werden.“

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