Das CDU-Mitglied Luke Neite hatte im September 2023 eine Klage gegen den CDU-Vorstand eingereicht, weil dort ein Lobbyverband dauerhaft mitreden darf. Das widerspricht laut einem von uns beauftragten Rechtsgutachten sowohl dem Parteiengesetz als auch der Satzung der CDU.
LobbyControl begleitete die Klage eng und finanziert sie auch. Eine erste Klage vor dem CDU-internen Parteigericht wurde notwendig, um überhaupt vor ein öffentliches Gericht ziehen zu können.
Protestaktion am Verhandlungstag
Am Tag der Verhandlung waren wir mit Plakaten und Transparenten vor Ort, um unsere Botschaft sichtbar zu machen: Ein Lobbyverband gehört nicht in den Parteivorstand. Wir forderten Friedrich Merz noch einmal lautstark auf, den Wirtschaftsrat endlich aus dem CDU-Vorstand zu entlassen – gleich wie das Urteil ausgehen würde. Rund 30.000 Menschen hatten bis dato unseren Online-Appell mit der entsprechenden Forderung unterstützt. Das WeiterSo!-Kollektiv war ebenfalls mit einer satirischen Aktion vor Ort.
Die Gerichtsverhandlung konnten wir dann auf den Zuschauerbänken gemeinsam mit Pressevertreter:innen mit verfolgen. Strittig war in der Verhandlung des Landgerichts Berlin nun vor allem, ob ein einfaches CDU-Mitglied befugt sei, eine solche Klage einzureichen. Das hatte das CDU-Parteigericht zuvor abgelehnt. Da die Rechtsauffassung in dieser Frage allerdings nicht eindeutig ist, wollten wir die Frage von einem öffentlichen Gericht entscheiden lassen.
Aus formalen Gründen abgewiesen
Richterin Linn Dahms verkündete das Urteil direkt im Anschluss an die Verhandlung. Sie bestätigte das Urteil des Parteigerichts – und äußerte sich zu dem Dauergaststatus des Lobbyverbands Wirtschaftsrat im CDU-Parteivorstand der CDU nicht. Damit wurde die Klage aus rein formalen Gründen abgewiesen. Demnach bräuchte es als Kläger eine:n Delegierte:n auf einem Bundesparteitag, um gegen den Bundesvorstand oder die Bundespartei vorgehen zu können.
Das CDU-Parteigericht hatte sich in seiner damaligen Urteilsbegründung zum eigentlichen Inhalt der Klage geäußert – und damit anerkannt, dass die jetzige Aufstellung des Parteivorstands rechtswidrig sein könnte. Es ist enttäuschend, dass das Landgericht sich nun überhaupt nicht dazu äußerte. Die Rechtslage dazu ist laut dem von uns beauftragten Rechtsgutachten, aber auch laut führender Expert:innen zu dem Gebiet, sehr klar: Das Parteiengesetz verbietet es, parteiexterne Vertreter:innen dauerhaft im Parteivorstand mitreden zu lassen.
Zwei mögliche weitere Wege
Wie geht es weiter? Es bleibt die Erfahrung, dass nicht jeder rechtswidrige Zustand auch gerichtlich beklagt werden kann – frei nach dem Motto: „Wo kein richtiger Kläger, da kein Richter“. Klagen sind langwierig und teuer. Daher können und wollen wir nicht das Risiko eingehen, dass auch eine nächste Klage wieder abgewiesen wird, ohne dass wir in der Sache weiterkommen.
Es gibt nun zwei mögliche Wege: Zum einen könnte sich ein Delegierter oder eine Delegierte für den CDU-Bundesparteitag finden, um gegen die rechtswidrige Aufstellung des Parteitags vorzugehen. Das erscheint schwierig, weil sich eine solche Person damit Karrierechancen innerhalb der Partei verbauen könnte. Aber es ist nicht unmöglich – und uns haben bereits entsprechende vorsichtige Signale erreicht. Wir bleiben also verhaltend optimistisch, dass der Rechtsweg noch nicht abgeschlossen ist.
Wird Merz’ Lobbynähe zum Problem im Wahlkampf?
Zum anderen bleibt der öffentliche Druck: In einem sehr ähnlichen Fall bei der FDP reichte der öffentliche Druck: Die FDP entließ den Lobbyverband „Liberaler Mittelstand“ aus dem Bundesvorstand, nachdem wir dies im Jahr 2022 öffentlich gemacht hatten und es entsprechende Medienberichte gegeben hatte. Wir werden auf jeden Fall auch an dem Thema Wirtschaftsrat der CDU dranbleiben.
Insbesondere im Wahlkampf könnte Friedrich Merz’ allzu enge Nähe zu dem Lobbyverband Wirtschaftsrat für ihn zum Problem werden. Merz hatte selbst jahrelang Spitzenfunktionen im Wirtschaftsrat und nutzte den Verband als Unterstützerbasis während seiner mehrfachen Kandidaturen zum CDU-Parteivorsitz.
Merz muss nun selbst aktiv werden
Er könnte nun als Parteichef selbst aktiv werden und seinen früheren Lobbyverband aus dem Parteivorstand entlassen. Tatsächlich ist er ähnliche Schritte vor wichtigen Wahlen bereits mehrfach gegangen. Seine Tätigkeit als Lobbyist bei Blackrock beendete er anlässlich seiner zweiten Kandidatur zum Parteivorsitz. Seine Funktion als Vizepräsident beim Wirtschaftsrat legte er ab, kurz bevor er schließlich zum Parteichef gewählt wurde.
Merz täte sich selbst und seiner Partei einen Gefallen, wenn er das Thema noch vor der Bundestagswahl abräumen würde. Er ist in den letzten Jahren immer wieder durch einen unrühmlichen Umgang mit Interessenkonflikten und Lobbykontakten aufgefallen. Daran werden wir ihn immer wieder öffentlichkeitswirksam erinnern – und hoffen, dass der öffentliche, aber auch der parteiinterne Druck auf ihn weiter wachsen wird.
Schluss mit Privilegien für die Wirtschaftslobby!
Seit Jahren gewährt die CDU einem Lobbyverband illegal Zugang zum Vorstand. Wir fordern Parteichef Friedrich Merz auf, diesem Rechtsbruch ein Ende zu setzen.
Jetzt Appell unterschreiben!Kampagnenerfolge
Die Klage vor dem Landgericht war ein zentraler Meilenstein unserer Arbeit zum Wirtschaftsrat. Trotz Dämpfer durch das Landgerichtsurteil blicken wir auf viele Kampagnenerfolge in den vergangenen vier Jahren zurück. Im Frühjahr 2021 hatten wir erstmals auf die problematische Rolle des Wirtschaftsrats aufmerksam gemacht – und seitdem für einigen Wirbel gesorgt.
Damals waren selbst viele Politik-Insider:innen überrascht, dass der Wirtschaftsrat kein Parteigremium, sondern ein Lobbyverband ist. Ein Erfolg unserer Arbeit ist es, dass dies mittlerweile viel bekannter ist und der Wirtschaftsrat in der Berichterstattung nun viel häufiger als Lobbyverband bezeichnet wird.
Wirtschaftsrat raus aus dem Parteivorstand: Wir bleiben dran!
Unser Rechtsgutachten hatte einer breiteren Öffentlichkeit zudem gezeigt, dass Lobbyverbände in Parteivorständen nicht nur undemokratisch, sondern auch noch rechtswidrig sind. Zentral für unsere Kampagne war auch die breite Unterstützung, die wir von vielen Seiten bekommen haben – allen voran die mittlerweile über 30.000 Unterschriften unserer Online-Petition. Wir bleiben dran – bis der Lobbyverband endlich aus dem Parteivorstand entlassen ist!
Meilensteine seit 2021
- Januar 2021: Merz Rolle als Vizepräsident des Lobbyverbands Wirtschaftsrat erstmals angesichts seiner Kandidatur zum Parteivorsitz thematisiert
- März 2021: Studie: Wirtschaftsrat als Klimabremser mit übergroßer CDU-Nähe; dazu viel Berichterstattung
- Juni 2021: Recherche: Wirtschaftsrat als Instrument für intransparente Finanzierung im Umfeld der CDU
- Januar 2022: Veröffentlichung Rechtsgutachten; dazu viel Berichterstattung
- März 2022: Recherche zu anderen wirtschaftsnahen Vorfeldorganisation im Umfeld von Parteien
- März 2022: Start Online-Aktion „Schluss mit Privilegien für die Wirtschaftslobby!“
- Juni 2022: Nach unserer Kritik: FDP entlässt Lobbyverband aus dem Parteivorstand
- Mai 2022: Klage beim CDU-Parteigericht eingereicht
- Mai 2023: Teilerfolg beim CDU-Parteigericht erzielt
- September 2023: Klage beim Landgericht eingereicht
- April 2024: Recherche zum Wirtschaftsrat als Einfallstor für Klimaleugner-Kreise
- Mai 2024: Protestaktion beim CDU-Bundesparteitag in Berlin, im Anschluss erneute Kooptation des Wirtschaftsrats in den CDU-Parteivorstand
- Dezember 2024: Protestaktion vor der Verhandlung des Landgerichts Berlin, anschließendes Urteil
Wichtige Medienberichte seit 2021
- März 2021: ZEIT Online: LobbyControl erklärt CDU-Wirtschaftsrat zur Lobbygruppe
- März 2021: Süddeutsche Zeitung: Wenn Wirtschaftsvertreter im Vorstand mitreden
- Januar 2022: Spiegel: Juristische Bedenken gegen die Rolle des Wirtschaftsrats in der CDU
- Januar 2022: Süddeutsche Zeitung: Lobbyistin mit exklusivem Zugang zur CDU-Spitze
- Februar 2022: Deutschlandfunk Die Wirtschaft im CDU-Vorstand – warum ein junges Parteimitglied mit Klage droht
- Mai 2022: Die ZEIT: CDU-Mitglied klagt gegen Parteivorstand
- Mai 2022: Stuttgarter Nachrichten: Markus Lanz zwiebelt FDP-Generalsekretär (Lanz thematisiert Lobbyverband im FDP-Vorstand)
- April 2024: ZDF-Doku: Mensch Merz (mit Beitrag von Christina Deckwirth)
- Dezember 2024: Frankfurter Rundschau: CDU darf Lobbyverein im Vorstand behalten
- Dezember 2024: Süddeutsche Zeitung (dpa-Meldung): Klage von CDU-Mitglied gegen Parteivorstand erfolglos