Lobbyismus und Klima

Lobbyverflechtungen in der CDU: Nun geht es vor Gericht

Die CDU muss sich wegen Lobbyismus-Vorwürfen nun vor Gericht erklären: Mit unserer Unterstützung klagt ein CDU-Mitglied gegen seine eigene Partei, weil dort der Lobbyverband Wirtschaftsrat dauerhaft im Parteivorstand sitzt. Die CDU hat die schwerwiegenden Vorwürfe bisher ausgesessen. Deswegen unterstützen wir nun die Klage. Parteichef Friedrich Merz muss die Sonderrechte für den Lobbyverband in seiner Partei endlich beenden!
von 10. Mai 2022

Update vom 6.3.2023: Die Verhandlung des CDU-Parteigerichts fand am 3.3.2023 im Konrad-Adenauer-Haus statt. Das Urteil soll "zeitnah" veröffentlicht werden.

Die CDU muss sich wegen Lobbyismus-Vorwürfen nun vor Gericht erklären: Mit unserer Unterstützung klagt ein CDU-Mitglied gegen seine eigene Partei, weil dort der Lobbyverband Wirtschaftsrat dauerhaft im Parteivorstand sitzt. Solche Sonderzugangsrechte für einen parteiexternen Lobbyverband sind rechtswidrig - aus guten Gründen. Doch die CDU hat die schwerwiegenden Vorwürfe bisher ausgesessen. Deswegen unterstützen wir nun die Klage. Parteichef Friedrich Merz muss die Sonderrechte für den Lobbyverband in seiner Partei endlich beenden!

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Sonderzugang für Lobbyverband Wirtschaftsrat

Die CDU bietet dem Lobbyverband Wirtschaftsrat Sonderzugänge zu ihrem Parteivorstand: Die Präsidentin des Wirtschaftsrats sitzt als Dauergast im Parteivorstand, obwohl dies nur für gewählte Vertreter:innen und parteiinterne Organisationen vorgesehen ist. Dass ein Dauersitz im Parteivorstand rechtswidrig ist, zeigt ein umfangreiches Rechtsgutachten, das wir in Auftrag gegeben haben und im Januar 2022 veröffentlicht haben. Renommierte Parteienrechtler:innen wie Prof. Sophie Schönberger haben sich dieser Rechtsauffassung angeschlossen.

Zum Hintergrund: Der Wirtschaftsrat der CDU ist – anders als sein Namen vermuten lässt – kein Parteigremium, sondern ein unternehmerischer Berufsverband, sprich: ein Lobbyverband für Unternehmenschefs zum Beispiel von Mercedes Benz, RWE oder Deutsche Bank. Der Wirtschaftsrat fällt immer wieder als scharfer Bremser von Klimaschutzmaßnahmen auf oder als lautstarker Kritiker von Menschenrechtspflichten für Unternehmen.

Verstoß gegen demokratische Grundsätze

Ein Lobbyverband im Parteivorstand? Das ist rechtswidrig.

Aus guten Gründen verbietet das Parteigesetz, dass Lobbyverbände ständiges Teilnahmerecht an Parteivorständen haben. Doch die Partei verstößt offenbar weiterhin gegen die demokratischen Grundsätze des Parteiengesetz – und noch dazu auch gegen ihre eigene Satzung. Immer wieder haben wir die CDU zum Handeln aufgefordert, doch die CDU hat sich seit Veröffentlichung unseres Rechtsgutachtens nicht dazu geäußert. Stattdessen hat sie den Wirtschaftsrat auch in den neu gewählten Vorstand wieder als Dauergast eingeladen.

Deswegen gehen wir nun einen Schritt weiter. Wir selbst sind als Verein nicht klageberechtigt. Umso erfreulicher ist es, dass sich ein CDU-Parteimitglied bereit erklärt hat, gegen die eigene Partei zu klagen. Luke Neite ist ein junges Parteimitglied aus Leipzig, das sich über die Lobbyverflechtungen in seiner eigenen Partei empört. Doch Klagen sind teuer und aufwändig, deswegen unterstützen wir die Klage nicht nur ideell, sondern auch finanziell.

Die nächsten Schritte

Wie passiert nun? In den nächsten Tagen wird in der CDU-Parteizentrale im Konrad-Adenauer-Haus die ausführliche Klageschrift eintreffen. Dann muss sich die CDU vor ihrem Bundesparteigericht erklären. Das Parteigericht besteht aus fünf CDU-Mitgliedern, die für eine Amtszeit von vier Jahren ernannt werden und von denen drei – einschließlich der oder des Vorsitzenden – die Befähigung zum Richteramt innehaben müssen. Das Verfahren ist in der Parteisatzung geregelt und entspricht den Vorgaben des Parteigesetzes. Wie lange es bis zu einem Urteil dauern wird, ist unklar.

Ein rechtswidrig zusammengesetzter Parteivorstand ist ein großer Schaden für die Demokratie. Lobbyverbände gehören nicht in Parteivorstände! Politik im Sinne des Gemeinwohls muss immer wieder abwägen, wem sie wieviel Gehör schenkt. Ziel muss es sein, dass alle Stimmen und Perspektiven berücksichtigt werden. Doch noch immer bekommen ohnehin mächtige und finanzkräftige Akteure wie Großkonzerne und ihre Verbände bessere Zugänge als andere gesellschaftliche Gruppen – und können ihre Interessen damit leichter durchsetzen. Das muss sich ändern. Dazu soll unsere Klage gegen den CDU-Parteivorstand beitragen.

Die CDU hat immer noch die Möglichkeit, selbst einzulenken. Wir erwarten endlich eine Reaktion auf unsere Kritik und wir erwarten klare Aussagen dazu, ob Frau Hamker weiterhin dauerhaftes Gastrecht mit Rederecht hat. Die CDU täte gut daran, den ersten Schritt zu gehen und nicht erst eine Klage bei offensichtlich klarer Rechtslage abzuwarten. Deswegen fordern wir Friedrich Merz auch weiterhin auf: Beenden Sie die Sonderrechte für einen Lobbyverband in Ihrem Parteivorstand!

Ähnlicher Fall auch in der FDP

Die Klage gegen die CDU reicht über den Partei-Bundesvorstand hinaus. Denn auch in der FDP sitzt ein Lobbyverband rechtswidrig im Parteivorstand. Der "Liberale Mittelstand" ist ebenfalls rechtlich als Berufsverband außerhalb der Partei organisiert, genießt aber ebenfalls den Status der beratenden Mitgliedschaft. Die FDP reagiert auch hier nicht auf die schwerwiegenden Vorwürfe, auch hier hätte ein FDP-Parteimitglied die Möglichkeit zu klagen. Auch auf Landesebene sind sowohl Vertreter vom Liberalen Mittelstand als auch vom Wirtschaftsrat in den Landesvorstände der jeweiligen Parteien vertreten. Wird der CDU-Bundesvorstand nun zum Handeln gezwungen, hat diese Klage also auch Rückwirkungen auf die Landesebene und auf die FDP.

Auch im Vorfeld der Parteien SPD, Grüne und CSU gibt es wirtschaftsnahe Lobbyverbände – auch diese bieten Unternehmen und Wirtschaftsverbänden direkte Lobbykanäle in die jeweilige Partei. Im Unterschied zu CDU und FDP haben diese Lobbyverbände aber keine ständigen Teilnahmerechte am Parteivorstand – eine Klagemöglichkeit besteht hier also nicht. Die Verbände sind zudem wesentlich kleiner als der Wirtschaftsrat, fragwürdig sind sie allerdings trotzdem.

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