Die UN-Klimakonferenz (auch Weltklimakonferenz oder Weltklimagipfel genannt) ist eine jährlich stattfindende Konferenz der Staaten, die die UN-Klimarahmenkonvention von 1992, das Kyoto-Protokoll von 1997 und das Pariser Klimaabkommen von 2015 beschlossen haben. Aktuell gibt es 196 Vertragsstaaten und die Europäische Union.
Kern der Konferenz ist es, mit Vereinbarungen den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Auf der zweiwöchigen Konferenz feilschen die Regierungen der Vertragsstaaten in internen Gesprächen um Fortschritte und Zugeständnisse. Zum Beispiel soll seit Jahren ein Enddatum für den Ausstieg aus den fossilen Energien festgelegt werden. Es ist sinnbildlich für die Weltklimakonferenz, dass das bisher nicht geklappt hat.
Ein Ausstiegsbeschluss aus fossilen Energien scheitert immer wieder
Erstmals wurde 2021 auf der Klimakonferenz in Glasgow begonnen, über einen endgültigen Ausstiegstermin aus Kohle, Öl und Gas zu diskutieren. Dabei weiß man seit den 1970er Jahren, dass es vor allem die fossilen Brennstoffe sind, die den Klimawandel so stark befördern. Hier konnte man sich aber einzig auf den Kohleausstieg einigen – Öl und Gas fanden kein Erwähnung. Und auch in den Jahren darauf hat es nicht geklappt, ein Datum für den Ausstieg aus den fossilen Energien festzulegen.
Fossile Industrie sieht ihre Geschäftsmodelle gefährdet
Es ist natürlich nicht überraschend, dass fossile Unternehmen versuchen Einfluss zu nehmen, wenn es darum geht, ihr fossiles Geschäftsmodell zu beenden. Unter das Label fossile Unternehmen fallen zum einen die Förder-, Speicher- und Versorgungsunternehmen für Kohle, Öl und Gas. Wir zählen dazu aber auch Unternehmen, die die fossilen Brennstoffe im großen Stil für ihre Produktion nutzen – die Chemieindustrie oder die Agrarindustrie, die Düngemittel mithilfe fossiler Energien herstellt.
Denn auch die sehen ihre Geschäftsmodelle gefährdet und nehmen Einfluss, um den Ausstieg aus diesen Energieformen noch so lange wie möglich herauszuzögern. In den vergangenen Jahren ist auch der Beitrag der Milch- und Fleischproduktion zum Klimawandel stärker in den Vordergrund gerückt, und so finden sich auch diese Unternehmen und ihre Verbände als Lobbyist:innen vor Ort.
Mehr Lobbyist:innen als Vertreter:innen der am meisten betroffenen Staaten
Auf der Weltklimakonferenz in Glasgow 2021 waren mehr als 500 Lobbyist:Innen der fossilen Brennstofflobby registriert. Wäre dies eine Regierungsdelegation, die Brennstofflobby wäre das größte Land auf der COP gewesen, doppelt so groß wie Gastgeber Großbritannien. Auf der Konferenz 2022 in Ägypten waren mehr Lobbyist:innen der Industrien mit fossilen Geschäftsmodellen als Vertreter:innen der zehn am meisten vom Klimawandel betroffenen Länder dabei, wie das NGO-Netzwerk Kick Big Polluters Out ermittelt hat. Und ein Jahr später auf der COP28 vervierfachte sich die Menge der akkreditierten Lobbyist:Innen dann nochmal.
Weil die Anzahl der Teilnehmer:innen ständig gewachsen ist und sehr intransparent war, wer eigentlich an den Konferenzen teilnimmt, hat das Sekretariat der Weltklimakonferenz mit einer Transparenzinitiative reagiert. An der Klimakonferenz in Dubai im vergangenen Jahr mussten alle zum ersten Mal beim Registrieren ihre Interessenbindungen offenlegen.
Was machen die Lobbyist:innen eigentlich bei der Weltklimakonferenz? Wie nehmen sie Einfluss? Unternehmen können nicht als solche teilnehmen, aber sie können sich den Delegationen von Wirtschaftsverbänden und Unternehmensvereinigungen anschließen – oder gar auf dem Ticket von Regierungsdelegationen dabei sein.
Einflussstrategie 1
Mitreise in einer Regierungsdelegation
Den meisten Einfluss hat, wer in einer Regierungsdelegation mitreist. Denn das verschafft Lobbyist:innen ein rosa Bändchen und damit den begehrten Zugang zu den offiziellen Regierungsgesprächen und deren Teilnehmer:innen. Das kommt regelmäßig vor: So brachte Russland in seiner Delegation zur COP27 unter anderem sechs Lobbyist:innen des Staatskonzerns Gazprom mit, ebenso wie Vertreter:innen von Lukoil und dem Bergbauunternehmen Severstal. Zur selben COP brachte Brasilien das weltgrößte Fleischunternehmen JBS in seiner Delegation mit. Auch europäische Delegationen hatten mehr als 130 Lobbyist:innen mit klimaschädlichen Geschäftsmodellen dabei: 2023 nahmen Führungskräfte von Exxon Mobil, BP und Eni mit offiziellen Bändchen der Europäischen Union an der Weltklimakonferenz teil.
Dank eines derartigen Insider-Tickets wissen Unternehmen, welche Länder sich für strenge Klimaziele einsetzen und wer Dinge sagt, die ihren Interessen zuwiderlaufen. Diese Länder kann man sich dann für gezielte Gespräche herauspicken oder die Verhandlungsführer:innen der „eigenen“ Regierungsdelegation auf sie ansetzen, so erklärt es der Experte unserer Partnerorganisation Corporate Europe Observatory auf der Rechercheplattform Desmog. Auf diese Weise können Unternehmen einen realen Einfluss ausüben. Sie können sogar die eigene Regierung dazu bringen, andere Staaten politisch unter Druck zu setzen, um zu ihrem Ziel zu kommen.
Fossile Lobbyist:innen in Regierungsdelegationen halten wir aus diesem Grund für nicht tragbar. In einem offenen Brief haben EU-weit Organisationen ihre Regierungen aufgefordert, diese Praxis nicht weiter zu ermöglichen und darauf hinzuwirken, dass sie verboten wird. Auch wir haben die Bundesregierung in einem offenen Brief dazu aufgefordert. Wir beziehen hier ausdrücklich auch die so genannten Party Overflow-Ausweise mit ein. Auf diesen werden Teilnehmer:innen mitgenommen, für die für die in der offiziellen Delegation ihres Landes kein Platz mehr war. Sie haben dennoch vollen Zugang zu den meisten Regierungsverhandlungen – zur blauen Zone, dem offiziellen Konferenz- und Verhandlungsbereich. Sie dürfen lediglich nicht für die Regierung sprechen.
Einflussstrategie 2
Beobachter der Klimagespräche
Eine weitere Möglichkeit für Lobbyist:innen ist, als Teil einer Handelsgruppe zu reisen, die beim Sekretariat der Klimarahmenkonvention registriert ist. Diese Teilnehmer:innen kommen als so genannte „Beobachter:innen“ zu den Gesprächen. Dazu gehören globale Lobbygruppen wie der Hauptverband der Pestizidindustrie Crop Life oder die International Fertilizer Association, aber auch Nichtregierungsorganisationen der Zivilgesellschaft. Auch Unternehmen können mit diesen Gruppen – den so genannten „Bingos“ (Business and Industry NGOs) Vertreter:innen zur Weltklimakonferenz schicken.
Diese Gruppen haben zwar keinen Zugang zu den Verhandlungen. Sie können dennoch Einfluss auf die Konferenz nehmen, indem sie mit den Entscheidungsträger:innenn sprechen, wenn diese zu den hochrangigen Gesprächen kommen und gehen. Sie verfolgen außerdem die Verhandlungen und stellen sicher, dass die Interessen der Mitglieder vertreten werden – z.B. durch das Herausgeben von Positionspapieren.
Der europäische Ölgigant Shell hat den Handelsverband International Emissions Trading Association (IETA) 2016 öffentlich gelobt, den endgültigen Text des Pariser Abkommens auf der COP21 zu seinen Gunsten gestaltet zu haben.
Einflussstrategie 3
Pavillons in der Konferenzhalle
Pavillons sind Bereiche in der Konferenzhalle, in denen Unternehmen und Gruppen Stände einrichten, Ausstellungen veranstalten und Veranstaltungen abhalten, um ihre Anliegen den politischen Entscheidungsträger:innen und der Öffentlichkeit zu präsentieren. Sie bieten eine zentrale PR-Möglichkeit und die Chance, mit Entscheidungsträger:innen ins Gespräch zu kommen.
Diese Aktivitäten haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Heute erinnern Weltklimagipfel oft eher an Messen. Ob politische Entscheidungsträger:innen, Unternehmenschef:innen und Lobbyist:innen, Diplomat:innen oder Medienvertreter:innen: Sie alle tummeln sich hier zwischen ihren Gesprächen. Daher sind die Pavillons sehr beliebt, um Lobbyarbeit zu betreiben, gemeinsame Positionen zu finden und Legitimität zu schaffen.
Unternehmen oder Handelsgruppen können dazu entweder mit Regierungen zusammenarbeiten, zum Beispiel indem sie an Veranstaltungen des offiziellen Pavillons einer Regierung teilnehmen. Sie können sich des Weiteren selbst um die Ausrichtung eines Pavillons bewerben – laut der Rechercheorganisation Desmog kostet das etwa eine Million Dollar, ist also eher etwas für die gut ausgestatteten Lobbyorganisationen. Der Desmog-Recherche zufolge hat die International Emissions Trading Association - ein Lobbyverband, dem einige der weltweit größten Produzenten fossiler Brennstoffe und Treibhausgasemittenten angehören – vergangenes Jahr in Dubai einen so genannten Business Hub veranstaltet, der Rednern aus ihren Mitgliedsunternehmen eine Plattform bot. Dazu gehörten der Pestizidhersteller Bayer, das Düngemittelunternehmen Nutrien und der Fleischverpacker Cargill.
Eine dritte, etwas kostengünstigere Option ist das Sponsoring von Pavillons, die von anderen COP-Beobachtergruppen ausgerichtet werden. Auch damit können Lobbyakteure für sich werben und ihre Inhalte darstellen, indem sie sich für etwa 200.000 Dollar Möglichkeiten zur Gestaltung von Veranstaltungen und Medienbeiträgen kaufen.
Einflussstrategie 4
„Initiativen“ ins Leben rufen, Narrative verbreiten
Auf den UN-Klimakonferenzen werden viele „Initiativen“ ins Leben gerufen und gefördert, oft in den verschiedenen Länderpavillons. Diese freiwilligen Initiativen können schneller voranschreiten als Verhandlungen. Sie zielen darauf ab, Unterstützung zu gewinnen und neue Finanzmittel für klimabezogene Themen zu beschaffen.
Solche Initiativen gehen aber häufig auf mächtige Wirtschaftsakteure zurück. Ein Beispiel ist Aim for Climate: Diese Initiative zu angeblich nachhaltiger Landwirtschaft wurde von den Vereinigten Arabischen Emiraten und den USA ins Leben gerufen. Zu den Partnern gehören neben 40 Staaten auch große Agrarunternehmen wie der brasilianische Fleischriese JBS und der Verband der Pestizidindustrie Crop Life International. Sie hat nach eigenen Angaben bisher 13 Milliarden Dollar für klimafreundliche Investitionen aufgebracht.
Die Partnerschaft wurde kritisiert, weil sie Geschäftsinteressen über Klimaschutzmaßnahmen stellt und die Stimmen der Kleinbäuer:innen übergeht. Eine Analyse von Desmog ergab 2022, dass von den rund 300 Partner:innen nur sieben Prozent in Afrika ansässig waren. Ernährungsorganisationen werfen ihr vor, in erster Linie für industriefreundliche und unbewiesene Klima-„Lösungen“ zu werben.
Beispiele für solche Lösungen sind die Herstellung von synthetischem Dünger auf Basis des knappen und teuren grünen Wasserstoffs oder die Kohlenstoffabscheidung. Mit diesen technologischen Maßnahmen – die sich in der Realität noch nicht als im großen Maßstab effizient erwiesen haben – versuchen Agrar- und Chemiekonzerne, ihre fossilen Geschäftsmodelle am Leben zu erhalten und von einer Umstellung auf eine nachhaltige Landwirtschaft abzulenken. Initiativen, die auf dieser Art von Narrativen beruhen und viel Geld an fossile Konzerne ausschütten, sind für die Ziele der Konferenz gefährlich – aber sehr präsent.
Bleiben Sie informiert über die fossile Lobby!
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter.
Datenschutzhinweis: Wir verarbeiten Ihre Daten auf der Grundlage der EU-Datenschutz-Grundverordnung (Art. 6 Abs. 1). Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Zur Datenschutzerklärung.
Fragwürdige Rollen von Gastgeberländern
Mit Aserbaidschan fiel die Wahl für die Ausrichtung der Weltklimakonferenz 2024 nach den Vereinigten Arabischen Emiraten erneut auf ein Land, dessen Reichtum zentral auf den großen Öl- und Gasvorkommen beruht. Letztes Jahr in Dubai war der Präsident zugleich Chef des staatlichen Ölkonzerns des Gastgeberlandes. Und auch in seinem Team und der staatlichen Delegation der Regierung saßen offenbar zahlreiche ehemalige und aktuelle Mitarbeiter:innen von Adnoc. An einem wirklichen Ausstieg aus Öl und Gas hat dieses Land natürlich kein Interesse. Laut internen Briefings, die die BBC gesehen hat, wollten Al Jaber und sein Team Treffen im Vorfeld der Klimakonferenz nutzen, um mit verschiedenen Ländern neue Gas- und Ölförderprojekte voranzubringen. Ähnliches wird auch für dieses Jahr in Aserbaidschan befürchtet.
Fossile Brennstoffe machen in Aserbaidschan nach Angaben der Internationalen Energieagentur IEA 90 Prozent der Exporteinnahmen aus. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine ist Aserbaidschan außerdem ein wichtiger Erdgaslieferant für die Europäische Union. Der Gasexport in die EU soll laut einem Abkommen bis 2027 auf 20 Milliarden Kubikmeter pro Jahr ansteigen – mehr als doppelt so viel wie heute.
Der diesjährige Präsident arbeitet zwar mittlerweile bei der Regierung, war aber bis 2010 beim staatlichen Gas- und Ölkonzern SOCAR. Laut einem aktuellen Bericht von der NGOs Urgewald und CEE Bankwatch ist SOCAR eine „zutiefst politische Organisation“ und eng verbunden mit dem Alijew-Regime Aserbaidschans. Der Konzern war auch an der Bestechung und Beeinflussung von Politiker:innen in der EU beteiligt, über die auch LobbyControl jahrelang recherchiert und berichtet hat.
Eine Recherche von Transparency International und dem Anti-Corruption Data Collective zeigt, dass SOCAR offenbar eng in die COP involviert ist, da sein Präsident und Mitglieder seines Aufsichtsrats bei der Organisation der Konferenz mitwirken. Der Präsident von SOCAR wurde bereits bei der Vermischung von COP- und Unternehmensgeschäften beobachtet, als er neue Kooperationsvereinbarungen mit internationalen Partnern unterschrieb.
Formelkompromisse gehören immer zur COP, aber wenn die Leitung der Konferenz von der fossilen Industrie unterwandert ist, ist das ein Riesenproblem: Sie führt durch die Konferenz, vermittelt Kompromisse und hat damit eine zentrale Rolle. Da braucht es jetzt eine Vorreiterrolle anderer Staaten. Was auf die Forderung zurückführt, die wir gemeinsam mit vielen anderen Organisationen an die Bundesregierung gerichtet haben: sich dafür einzusetzen, dass die Verhandlungen der COP29 frei von den Interessen der fossilen und agrarindustriellen Konzerne geführt werden. Für den Ausstieg aus Gas und Öl sowie für ein klima- und sozial gerechtes Ernährungssystem braucht es Abstand von fossiler und agrarindustrieller Lobby.
Unsere Forderungen
Die Politik muss:
- Maßnahmen unterstützen, die die Politik vor dem unverhältnismäßigen Einfluss von Lobbyist:innen der fossilen Energien schützen
- sich dazu verpflichten, Lobbyist:innen der fossilen Industrie grundsätzlich nicht als Teil der Regierungsdelegation zu den UN-Klimagesprächen mitzunehmen, auch nicht über die so genannten „Party Overflow-Ausweise“
- sich beim Sekretariat der UN-Klimakonferenz dafür einsetzen, dass auch andere Regierungen diesen Lobbyist:innen grundsätzlich keinen Platz mehr in Regierungsdelegationen überlassen
- Vorsicht bei der Einbeziehung von Unternehmen in COP-Präsidentschaftsinitiativen walten lassen. Auch hier gilt: Abstand von den eigenen Interessen und Lösungsnarrativen großer Konzerne.
Die Macht der Gaslobby in Deutschland
In unserer Studie zeigen wir, wie die Gaslobby massiv Einfluss auf die Politik nimmt, um ihre fossilen Geschäfte zu erhalten.
Jetzt Studie herunterladen