In Niedersachsen ging es hoch her in der letzten Woche. Anlass war die Regierungserklärung des niedersächischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD), die er nach Bekanntwerden des Dieselgate-Skandals im September 2015 mit VW abgestimmt hatte. Lesen Sie hier, wie wir die Vorgänge bewerten.
Rechtliche Fragen klären ist in Ordnung
Was zunächst als „Schönschreiben“ und Lobbyskandal durch die Medien ging, entpuppte sich im Nachhinein eher als Nebenschauplatz in der Dieselaffäre. Für uns ist klar: Eine komplette Regierungserklärung mal eben im Wortlaut an den VW-Cheflobbyisten herüberzuschicken, ist nicht in Ordnung. Denn zu einer Regierungserklärung gehören auch Bewertungen, die sich die Politik nicht von dem betroffenen Konzern umschreiben lassen darf. Einzelne rechtliche Fragen oder Fakten mit dem betroffenen Konzerne abzustimmen, ist dagegen nicht nur in Ordnung, sondern war in der damaligen Situation sogar angebracht.
Doppelrolle Aufsichtsrat: Umwelt- und Gesundheitsschutz berücksichtigen
Die Dokumente, die die niedersächsische Staatskanzlei vorgelegt hat, entlasten Weil weitgehend. Gleichzeitig erweist sich die Empörung aus der dortigen Oppositionspartei CDU als heuchlerisch, weil auch die Weil-Vorgängerregierungen offenbar in enger Abstimmung mit VW standen. Aus dem „Skandal“ ist also ein üblicher Vorgang geworden.
Alles in Ordnung also? Keineswegs, denn was üblich ist, muss nicht gleich gut sein. Die Aufsichtsräte aus der Politik müssen ihre Aufgaben verantwortungsvoll wahrnehmen. Sie befinden sich in ihrer Doppelrolle als Aufsichtsratsmitglied und Politiker in einem schwierigen Spagat. Vorrang gegenüber kurzfristigen rein wirtschaftlichen Interessen müssen aber immer die Interessen der gesamten Bevölkerung haben – und dazu gehören wie die Dieselaffäre gezeigt hat, auch der Gesundheitsschutz sowie der langfristige wirtschaftliche Perspektive. Erst vor wenigen Tagen hat eine ARD-Umfrage gezeigt: Zweidrittel der Deutschen finden, dass der „Umwelt- und Gesundheitsschutz“ Vorrang bei der Regulierung der Autokonzerne haben sollte.
Enge Verflechtungen nicht nur in Niedersachsen
Wichtig ist uns aber auch, über die Vorgänge in Niedersachsen nicht die anderen Verflechtungen der Autoindustrie aus dem Blick zu verlieren – gerade die mit der Bundesregierung. Über die Aktualität des VW-Gesetzes oder die schwierige Doppelrolle von Politiker/innen in Aufsichtsräten zu diskutieren, ist nicht falsch, sollte aber nicht von anderen Themen ablenken. Die Abgasaffäre ist schon längst kein VW-Skandal mehr, sondern betrifft die gesamte Branche. Die engen Verflechtungen zwischen Autoindustrie und Politik – und zwar nicht nur in Niedersachsen und auch längst nicht nur durch Aufsichtsratsposten – haben sowohl der Gesundheit vieler Menschen als auch der Autoindustrie selbst einen enormen Schaden zugefügt. Das Verhältnis zwischen Politik und Autoindustrie bedarf einer Generalüberholung: in Hannover, in Stuttgart, in München und vor allem auch in Berlin und Brüssel. Lobbyregulierung ist dazu ein wichtiger erster Schritt. Dazu werden wir in den nächsten Tagen konkrete Vorschläge vorlegen.
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