Lobbyregister

Apotheker-Lobbyist vor Gericht: Datenklau im Gesundheitsministerium

Es ist ein Fall für die Justiz: Anfang Januar hat am Berliner Landgericht der Prozess gegen Thomas Bellartz, Ex-Kommunikationschef der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), und einen IT-Dienstleister begonnen. Bellartz zahlte dem IT-Mitarbeiter Geld, um an interne Ministeriumsunterlagen zu gelangen. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf intransparente Lobbystrukturen – und verdeutlicht, wie dringend wir ein Lobbyregister brauchen.
von 19. Januar 2018

Ein Lobbyist der Apothekerschaft soll sich jahrelang geheime Unterlagen aus dem Gesundheitsministerium beschafft haben. Foto: Wikipedia/ Public Domain

Es ist ein Fall für die Justiz: Anfang Januar hat am Berliner Landgericht der Prozess gegen einen IT-Dienstleister und Thomas Bellartz, Ex-Kommunikationschef der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), begonnen. Es geht um Spionage im Gesundheitsministerium. Bellartz wird vorgeworfen, gemeinsam einen IT-Mitarbeiter bezahlt zu haben, um an interne Ministeriumsunterlagen zu gelangen. Darunter sollen laut Medienberichten auch E-Mails an die damaligen Gesundheitsminister Philipp Rösler und Daniel Bahr (beide FDP) gewesen sein. Es besteht der Verdacht, dass die Apothekerlobby dadurch Einfluss auf laufende Gesetzgebungsprozesse nehmen konnte. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf intransparente Lobbystrukturen – und verdeutlicht, wie dringend wir ein Lobbyregister brauchen.

Die Kosten des Informationsvorsprungs

Lobbyist zu sein bedeutet, informiert zu sein – und zwar frühzeitig. Wer als erstes mitbekommt, was die Regierung plant, kann besser intervenieren. In der Frühphase lassen sich politische Vorhaben einfacher verändern oder verhindern, als wenn bereits viele Details ausgearbeitet und wichtige Eckpunkte festgezurrt sind. Die Beobachtung des politischen Geschehens ist deshalb ein grundlegendes Element von Lobbyarbeit. Auch externe Lobbydienstleister bieten diesen Service an. Denn frühzeitige Informationen sind im Lobbygeschäft viel Wert.

Im jetzt vor dem Landgericht verhandelten Fall wurden für den Informationsvorsprung mutmaßlich sogar kriminelle Methoden angewandt. Ein IT-Mitarbeiter hat über mehrere Jahre immer wieder sensible Daten aus dem Gesundheitsministerium an den damaligen ABDA-Pressesprecher Bellartz verkauft. Insgesamt flossen zwischen Januar 2009 und November 2012 26.550 Euro. Die Geschichte schlug politisch und medial hohe Wellen, als sie Ende 2012 bekannt wurde.

Ulrich Müller kommentiert den Prozessauftakt in den Tagesthemen. Foto: ARD/ Tagesthemen.

Daten nur als Journalist verwendet?

Bellartz und der IT-Mitarbeiter stehen nun vor Gericht, der Prozess begann Anfang des Jahres. Der Fall gibt Einblick in Lobbystrukturen der Informationsbeschaffung und Verflechtungen zwischen großen und kleinen Lobbyakteuren und -dienstleistern. Denn der nun angeklagte Thomas Bellartz baute neben seinem Job als ABDA-Pressesprecher das Online-Portal „apotheke adhoc“ auf. Betreiber des Portals ist die Firma El Pato – eine Agentur, bei der Bellartz heute als Geschäftsführer tätig ist. Kenner der Szene berichteten, dass „apotheke adhoc“ in dem Zeitraum des Datenklaus immer wieder durch Insider-Informationen aus dem Gesundheitsministerium überraschte.

Im laufenden Gerichtsprozess beruft sich die Verteidigung nun darauf, dass Bellartz als Journalist für „apotheke adhoc“ und nicht als Lobbyist gehandelt hätte. Diese Argumentation erscheint uns wenig glaubhaft – vor allem wegen der engen finanziellen und personellen Verbindungen zwischen dem einflussreichen Lobbyverband ABDA, der die Interessen von rund 59 000 Apothekern vertritt, und El Pato/apotheke adhoc. ABDA zahlte El Pato zwischen 2008 und 2011 rund 2,5 Millionen Euro, unter anderem für die Unterstützung der Öffentlichkeits- und Kampagnenarbeit. El Pato war also eng mit der politischen Einflussnahme von ABDA verbunden.

Was wusste der Apotheker-Lobbyverband?

Saal 736 im Berliner Landgericht: Hier streiten sich Anklage und Verteidigung über die Rolle des Apotheker-Lobbyisten Bellartz.

Das genaue Zusammenspiel von El Pato/apotheke adhoc, Bellartz und dem Apotherverband wird eine wichtige Frage im Prozess sein. Bis heute ist deren Zusammenarbeit nicht genau ausgeleuchtet. Der Apothekerverband hat seine Rolle in der Datenklau-Affäre nur unzureichend aufgearbeitet und transparent gemacht. Es gab zwar eine Untersuchung durch einen Wirtschaftsprüfer, die relevanten Fragen blieben jedoch offen. So klärten die Prüfer zum Beispiel nicht, inwiefern ABDA über El Pato/apotheke adoc an vertrauliche Informationen aus dem Gesundheitsministerium gelangte und wie der Verband diese nutzte. Laut der 2013 veröffentlichten Kurzzusammenfassung stützte sich die Untersuchung zudem nur auf schriftliche Unterlagen. Gespräche, wie sie Anwaltskanzleien bei internen Ermittlungen in Korruptionsfällen durchführen, fanden nicht statt.

Aufklärung ungenügend

Medienberichte liefern aber zumindest Anhaltspunkte, dass ABDA in seiner Lobbyarbeit Zugang zu vertraulichen Unterlagen aus dem Gesundheitsministerium hatte und somit von der Spionage profitierte. Die taz berichtete schon 2013, dass ABDA-Vertreter bei einem Treffen im Gesundheitsministerium eine vertrauliche Ministeriumsunterlage dabei hatten. Diese hätten sie gar nicht kennen dürfen.

Die Anklage wirft Bellartz vor, die unrechtmäßig erworbenen Daten sowohl für apotheke adhoc als auch für die ABDA genutzt zu haben – ohne genauer auszuführen, in welcher Weise. Der Versuch des Apothekerverbands, den Spionagevorwurf als individuellen Fall von Bellartz hinzustellen, wird der Lage jedenfalls nicht gerecht. Der Verband sollte endlich die eigene Rolle umfassend aufarbeiten und darüber öffentlich aufklären.

Lobbyregister dringend gebraucht!

Ein Verband, eine Agentur, ein Lobbyist – die Lobbystrukturen in der Datenklauaffäre sind undurchsichtig. Hier zeigt sich noch einmal sehr deutlich, dass wir dringend ein Lobbyregister brauchen. Da es auch die Beziehungen zwischen großen Verbänden und externen Lobbydienstleistern offenlegen würde, hätten wir frühzeitig nachvollziehen können, ob El Pato einen Auftrag zur Informationsbeschaffung von der ABDA bekommen hat.

Im Lobbygeschäft ist es durchaus üblich, dass große Lobbyakteure mit externen Dienstleistern zusammenarbeiten. Es kommt immer wieder vor, dass problematische Methoden an kleinere und unbekanntere Dritte ausgelagert werden (vgl. etwa der Bahnskandal von 2009). Fliegt das auf, können die Großen ihre Hände in Unschuld waschen. Mehr Transparenz würde solche Strategien erschweren.

Der Prozess ist bis Ende April angesetzt. Mit Spannung erwarten wir die Zeugenaussagen des früheren ABDA-Präsidenten Heinz-Günter Wolf. Wir halten Sie auf dem Laufenden.

Update zum 3. Prozesstag am 19.1.2018: Hier ein ausführlicher Artikel aus der Deutschen Apotheker Zeitung zur Vernehmung eines Zeugen aus dem Gesundheitsministeriums: „Ein ungeheuerlicher Vorgang“

 

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