Lobbyregister

FDP fordert Lobbyregister – Altmaier mehr Demokratie

Mehr Transparenz durch ein Lobbyregister, mehr Demokratie durch Bürgerbeteiligung: Solche Forderungen kommen in der Regel aus der Zivilgesellschaft. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel: In der letzten Woche gab es für diese Anliegen Unterstützung von ungewohnter Seite.
von 20. November 2019

Mehr Transparenz durch ein Lobbyregister, mehr Demokratie durch Bürgerbeteiligung: Diese Forderungen kommen in der Regel aus der Zivilgesellschaft von Organisationen wie LobbyControl oder Mehr Demokratie. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel: Letzte Woche veröffentlichte die FDP-Bundestagsfraktion einen Beschluss mit dem Titel "Mehr Transparenz bei Lobbyismus herstellen" , in dem sie die Einführung eines Lobbyregisters fordert. Und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) plädierte in einem viel beachteten Gastbeitrag für "eine grundlegende Politikreform".

Alle sind dafür - und nichts geschieht?

CDU Kreisverband Saarlouis - CC-BY-SA 3.0
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier forderte "grundlegende Politikreformen". Bild: CDU Kreisverband Saarlouis/Jan Kopetzky, Wiki Commons, CC BY-SA 3.0 DE

Die Forderung nach mehr Transparenz und Regeln beim Lobbyismus erhält mit der FDP-Initiative weiteren Auftrieb. Damit spricht sich nun fast das gesamte Parlament - im Prinzip - für ein Lobbyregister aus. Darauf geeinigt hatten sich Grüne, Union und FDP im Grundsatz ohnehin schon bei den "Jamaika"-Sondierungsgesprächen 2017. In den Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD hat es das Lobbyregister aber dann doch nicht geschafft, obwohl sich auch die SPD seit Langem dafür ausspricht. Erst Ende vergangenen Jahres kam wieder Bewegung in die Sache: Aus der Union war zu hören, man wolle das Projekt Lobbyregister nun doch vorantreiben und arbeite sogar schon an einem Gesetzentwurf. Doch dieser steht immer noch aus. Der anfängliche Wille scheint erschlafft, obwohl die große Mehrheit der Wähler*innen (auch der Union) mehr Lobbytransparenz will. Vielleicht trägt die Initiative der FDP dazu bei, dass sich nun auch wieder in der Koalition etwas tut. Ein erstes Signal war bereits von Eva Högl, der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der SPD, zu vernehmen, indem sie den Koalitionspartner jetzt erneut zur Eile mahnte: "Ich hoffe, dass die Union sich endlich bewegt", so Högl gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Nach fortgeschrittenen Gesprächen zwischen den Koalitionspartnern klingt das allerdings noch nicht.

Vorsicht vor Etikettenschwindel

Wo Lobbyregister drauf steht, ist nicht immer auch ein Lobbyregister drin: Das zeigt etwa die Erfahrung in Österreich, wo sich Lobbyisten zwar seit einigen Jahren registrieren müssen, das Register aber nicht öffentlich einsehbar ist. Das Problem mangelnder Lobbytransparenz wurde damit also nicht gelöst. Entscheidend ist also nicht allein, dass sich etwas bewegt - sondern dass wir tatsächlich vernünftige Regeln für den Lobbyismus bekommen: Auf welcher Grundlage soll das Lobbyregister stehen, wer soll erfasst werden, welche Regeln sollen gelten? Der FDP-Beschluss lässt vieles davon noch offen. Sorgen macht dabei, dass die FDP sich offenbar lediglich eine Weiterentwicklung der seit 1972 beim Bundestagspräsidenten geführten Verbändeliste wünscht. Dies, obwohl die FDP die Mängel dieser Liste ganz zutreffend diagnostiziert: Die Eintragung ist freiwillig, die Angaben werden nicht überprüft. Vor allem sind kaum relevante Informationen enthalten. Vor allem aber erfasst die Liste nur einige Lobbyakteure, nämlich hauptsächlich Verbände (und einige NGOs, darunter auch LobbyControl). Unternehmen und Lobbydienstleister, wie Agenturen und Kanzleien, bleiben hingegen völlig außen vor.

Beschluss der FDP-Bundestagsfraktion: "Mehr Transparenz bei Lobbyismus herstellen!" (pdf)

Gut also, wenn die FDP die Verbändeliste durch ein Transparenzregister ersetzen will, das solche Mängel behebt, Finanzierungsquellen von Lobbyakteuren offenlegt und "wirksame Sanktionen" vorsieht, die "keinen Raum für Umgehungspraktiken bieten". Da haben wir nichts einzuwenden.

Problematisch aber, wenn die Verbändeliste zugleich als rechtliche Grundlage für ihren künftigen Ersatz dienen soll. Denn damit bliebe das Transparenzregister weiterhin lediglich in der Geschäftsordnung des Bundestags verankert. Die Regierung, an die sich ein großer Teil der Lobbyaktivitäten richtet, bliebe weiterhin außen vor. Zudem geht es beim Lobbyismus nicht nur um Einflussnahme auf Gesetze. Lobbyismus kann auf alle möglichen Entscheidungen von Regierung und Parlament zielen, die sich nicht unbedingt in Gesetzen oder Verordnungen niederschlagen. Dies könnte auf Grundlage der Bundestagsgeschäftsordnung kaum erfasst werden. Auch sind berechtigte Zweifel angebracht, ob in der Geschäftsordnung hinreichend klar abgegrenzt werden kann zwischen denen, die sich eintragen müssten und jenen, die das explizit nicht sollten. Mit einem Lobbyregister, dass am Ende doch wieder nur einen Teil der Akteure erfasst, ist niemandem geholfen. Aus dieser Vielzahl von Gründen braucht ein Lobbyregister, das seinen Namen verdient, eine eigenständige gesetzliche Grundlage.

Alle Lobbyisten sind gleich, und manche sind gleicher?

Die FDP betont, dass "alle Formen der Interessenvertretung gleichbehandelt und erfasst werden" sollen. Besonders wichtig scheint der Fraktion zu sein, dass unbedingt auch NGOs, Stiftungen und Gewerkschaften in dem Lobbyregister erfasst sein sollen. Das ist auch richtig. Aber: Die Gleichbehandlung aller Formen der Interessenvertretung hört für die FDP offenbar bei Anwälten auf.

Die "Vertraulichkeit der Beziehung zwischen einem Rechtsanwalt und seinem Mandanten" dürfe nicht beeinträchtigt werden, so das Papier. Das ist grundsätzlich richtig - wenn es denn um anwaltliche Tätigkeiten für Mandanten im Rahmen der Rechtspflege geht. Geht es aber um Lobbyarbeit, also um die Einflussnahme auf Gesetze, Verordnungen oder andere politische Vorgänge, handelt es sich nicht mehr um Tätigkeiten, die dem besonderen anwaltlichen Vertrauensschutz zu unterliegen haben. Anwälte und Anwaltskanzleien, die Lobbyarbeit als Dienstleistung anbieten, müssten für diese Tätigkeiten genauso vom Lobbyregister erfasst werden wie andere Lobby-Dienstleister. Die dafür erforderliche Abgrenzung ist ein weiterer Grund, das Lobbyregister auf solide gesetzliche Füße zu stellen.
Bei aller Kritik ist es insgesamt erfreulich, dass die FDP-Fraktion mit ihrem Beschluss die Debatte auf parlamentarischer Ebene wieder anschiebt. Mehr Transparenz und klare Regeln beim Lobbyismus wären ein wichtiger Beitrag zur Weiterentwicklung und Stärkung unserer Demokratie. Ob Wirtschaftsminister Altmaier das ebenfalls so sieht?

Altmaier will "verlorenes Vertrauen zurückgewinnen"

In seinem Beitrag spricht Altmaier einige wichtige Punkte an: Die großen Parteien, gemeint sind hier CDU/CSU und SPD, sollten von sich aus zu Erneuerung und Veränderung bereit sein, um "verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen". Was dann an konkreten Vorschlägen folgt, ist aber zum Teil wenig zielführend. So mag eine Verkleinerung der Anzahl an Abgeordneten, wie von Altmaier vorgeschlagen, zwar aus verschiedenen Gründen sinnvoll sein. Eine vertrauensbildende Maßnahme lässt sich darin allerdings kaum erkennen. Auch eine Verlängerung der Wahlperiode auf fünf Jahre und eine Bündelung von Wahlterminen kann zwar gegen Wahlkampfmüdigkeit helfen, nicht aber beschädigtes Vertrauen wieder herstellen.

Schon eher des Pudels Kern trifft es, wenn Altmaier feststellt, dass die Menschen, auch auf Grund digitaler Kommunikationsmöglichkeiten, mehr Transparenz und „Interaktionsfähigkeit“ von Regierungen erwarten. Problematisch sei auch, wenn "die allermeisten Entscheidungen hinter verschlossenen Türen" an den eigentlichen Entscheidungsorganen vorbei getroffen werden. Zur Lösung schlägt Altmaier vor, Online-Anhörungen zu Gesetzen einzuführen und Beteiligungsmöglichkeiten zu finden, in denen die Bedenken und Vorschläge der Menschen "auch tatsächlich Berücksichtigung finden können".

Bürgerrat: Ein Experiment für mehr Beteiligung

Mehr Demokratie - CC-BY-SA 2.0
Bundestagspräsident Wolfang Schäuble nimmt die Empfehlungen des Bürgerrats Demokratie entgegen.
Bild: Mehr Demokratie, Flickr, CC BY-SA 2.0

Anregungen für erweiterten Beteiligungsmöglichkeiten könnte sich Altmaier bei seinem Parteifreund Wolfgang Schäuble holen. Der Bundestagspräsident nahm nämlich am vergangenen Freitag die Ergebnisse des ersten Bürgerrats in Deutschland entgegen. Der Bürgerrat wurde von der Organisation Mehr Demokratie ins

Leben gerufen. Kernidee: Bürger*innen werden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt, arbeiten sich in politische Themen ein, diskutieren miteinander und entwickeln eine gemeinsame Position. Der erste Bürgerrat hat nun ein Bürgergutachten entwickelt, das auf Demokratiethemen fokussiert und viele gute Vorschläge enthält: Mehr Beteiligungsmöglichkeiten als Ergänzung zur repräsentativen Demokratie, direkt-demokratische Verfahren und nicht zuletzt ein Lobbyregister.

Mehr Transparenz beim Lobbyismus wäre in der Tat ganz essenziell, um das von Altmaier formulierte Ziel zu erreichen: verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Das haben wir in den letzten Jahren immer wieder der Politik "gepredigt" - und inzwischen sieht es offenbar auch die FDP-Fraktion so, die mit einem Register und klaren Regeln für die Interessenvertretung "Legitimations- und Akzeptanzverlusten" begegnen will.

Der FDP-Beschluss und der Beitrag Altmaiers zeigen, dass sich bei Liberalen und Konservativen allmählich ein Umdenken in Sachen Transparenz und Beteiligung vollzieht. Dem müssen nun aber konkrete Schritte folgen.

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