Lobbyregister

Hausausweise: Wer nimmt die Hintertür in den Bundestag?

CDU/CSU verschweigen immer noch die Namen der rund 700 Lobbyisten, die über die Unionsfraktion Hausausweise für den Bundestag erhalten haben. Aufschlussreich sind dagegen die Hausausweis-Listen der anderen drei Fraktionen, die wir hier auswerten. Wer geht im Bundestag auf Einladung der Fraktionen ein und aus? Und welche Schlüsse lassen sich aus den Informationen ziehen?
von 4. November 2015

Immer noch wollen CDU/CSU die Namen der rund 700 Lobbyisten nicht nennen, die über die Unionsfraktion Hausausweise für den Bundestag erhalten haben. Aufschlussreich sind dagegen bereits die Hausausweis-Listen der anderen drei Fraktionen, die wir hier auswerten. Schon letzte Woche hatte die Plattform abgeordnetenwatch.de eine Liste von rund 600 Organisationen veröffentlicht, die über Hausausweise verfügen. Die Listen zeigen aber auch: Es bleiben viele Fragen offen. Echte Lobbytransparenz kann eine Liste der Hausausweise nicht bieten – notwendig wäre ein umfassendes, verpflichtendes Lobbyregister.

 

Partei-Funktionäre und Pizza-Boten

Die Auswertung der Listen zeigt: Ein großer Posten Hausausweise ging jeweils an Funktionsträger der Bundestagsparteien sowie deren Jugendorganisationen, parteinahen Stiftungen und verwandten Organisationen wie parteieigener Verlage. Hierbei handelt es sich also nicht um Lobbyisten. Gleiches gilt für Lieferanten, vom Getränke-Bringdienst bis zum Fahrradkurier.

Unternehmen lobbyieren „im Interesse des Parlaments“

31 Unternehmen – Dienstleister wie Getränke-Lieferanten und Fahrradkuriere rausgerechnet – haben dank Grünen und SPD rund um die Uhr direkten Zugang zum Parlament bekommen. Darunter Facebook, Shell und Metro, Rheinmetall und ThyssenKrupp Marine Systems, E.ON und RWE. Hewlett Packard bekam Hausausweise sowohl von SPD als auch den Grünen. Die parlamentarischen Geschäftsführer bescheinigten dazu den Unternehmensvertretern, dass sie die Bundestagsgebäude „nicht zuletzt im Interesse des Parlaments häufig aufsuchen müssen“.  Anders als Verbände können Unternehmen keine Hausausweise über die Eintragung in der Verbändeliste des Bundestages erhalten. Ihnen bleibt daher nur der intransparente Weg über die Parlamentarischen Geschäftsführer. Schon deshalb sollte die Verbändeliste dringend durch ein Lobbyregister ersetzt werden, das alle Lobbyakteure umfasst und transparent macht.

Verbände mit Fraktionsausweis – warum?

86 Verbände haben über SPD, Grüne und Linke Hausausweise bekommen. Drei davon gleich von mehreren Fraktionen. 41 stehen zugleich auf der rund 2200 Organisationen umfassenden Verbändeliste des Bundestags, darunter der Verband der privaten Krankenversicherungen, der Bundesverband der Wohnungs- und Immobilienunternehmen und der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (der auf den Listen von SPD und Grünen als „Die forschenden Pharmaunternehmen“ geführt wird). Der Eintrag in die Verbändeliste gibt Verbänden das Recht, bis zu fünf Hausausweise direkt bei der Bundestagsverwaltung zu beantragen. Warum wählen Verbände stattdessen den Fraktionskanal? Ein möglicher Grund ist, dass sich mancher Verband mit fünf Lobbyisten im Parlament nicht begnügen will. Verbände wiederum, die sich Fraktionsausweise besorgen, ohne sich in die Verbändeliste einzutragen, müssen sich fragen lassen: Möchten Sie nicht in den Ruch geraten, Lobbyismus zu betreiben – und wählen deshalb den intransparenten Weg? Die Einführung eines echten Lobbyregisters könnte so etwas unterbinden. Denn dann wäre öffentlich einsehbare Eintrag in das Register eine unumgehbare Bedingung für alle Lobbyisten, ob mit oder ohne Hausausweis.

Berater, Think Tanks, PR- und Lobbyagenturen

Wenn Verbandsvertreter die Nähe von Abgeordneten suchen, ist in der Regel klar, welche Interessen sie dort vertreten: die ihres Verbandes. Unklarer ist das bei als „Berater“ deklarierten Personen und Mitarbeitern von PR- und Lobbyagenturen. Diese bekommen über das Verbänderegister ebenfalls keinen Zugang zum Bundestag. Elfmal haben Grüne und SPD ihre Fraktions-Hintertür für Vertreter dieser Kategorie geöffnet – wobei auf Basis der knappen Angaben nicht auszuschließen ist, dass es sich im Einzelfall um Dienstleister für die Abgeordneten oder Fraktionen selbst handelt. Dass nicht nur Verbände, sondern auch PR- und Lobbyagenturen den Weg ins Abgeordnetenbüro suchen, ist jedoch Ausdruck eines allgemeineren Wandels in der Lobbyszene. Die antiquierte Verbändeliste kann diesen Wandel nicht abbilden. Doch ganz egal ob Verbände, Unternehmen oder beauftragte Agenturen Lobbyarbeit betreiben: Die Öffentlichkeit hat stets das Recht zu wissen, wer in welchem Auftrag die Volksvertreter bearbeitet. Das kann nur ein umfassendes Lobbyregister gewährleisten.

Öffentlich-rechtlich heißt: Ab durch die Hintertür?

Öffentlich-rechtliche Körperschaften stellen eine weitere Gruppe von Akteuren, der der Weg über die Verbändeliste versperrt ist und bei denen es sich zum Teil nicht um Lobbyakteure im engeren Sinne handelt. Dazu gehören die Bundesagentur für Arbeit, Universitäten, öffentlich-rechtliche Versicherungssträger und Rundfunkanstalten sowie die Kirchen. 17 solcher Körperschaften (sowie einem Mitarbeiter des Bundesverteidigungsministeriums) haben Grüne und SPD Hausausweise verschafft. Öffentlich-rechtlich heißt natürlich nicht frei von Eigeninteressen für die gegebenenfalls Lobby-Hebel in Bewegung gesetzt werden. So geht es beispielsweise der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Apothekerkammer und der Barmer-GKV (alle über die SPD im Bundestag) darum, vom Beitragskuchen möglichst große Anteile zu bekommen. Allerdings ist nicht einzusehen, dass öffentlich-rechtliche Körperschaften wie die Deutsche Rentenversicherung sich ihren Zugang zum Parlament gewissermaßen erschleichen müssen, während privaten Rentenversicherungen (über ihre Branchenverbände) der Weg über die offizielle Verbändeliste freisteht. Auch hier wäre ein Lobbyregister auf gesetzlicher Grundlage hilfreich, da es klar stellen würde, wer eigentlich Lobbyist ist und wer nicht. Körperschaften, die wie z. B. Ministerien oder Bundesbehörden eindeutig keine Lobbyakteure sind, sollten von der Bundestagsverwaltung Zugang erhalten, soweit das für die institutionelle Zusammenarbeit notwendig ist.

Kryptische Einträge: Erraten Sie den Lobbyisten?

Kennen Sie die „Vereinigte Dienstleistungsgesellschaft“? Oder nur eine Gewerkschaft ähnlichen Namens? Die rätselhafte Gesellschaft wird von der SPD in ihrer Hausausweis-Liste geführt. Ein Tippfehler – vermutlich. Kryptisch auch der SPD-Eintrag „Genius GmbH“: Handelt es sich um den mittelständischen Hersteller von Küchenutensilien – oder um die gleichnamige Kommunikations-Agentur mit Hauptstadtbüro am Schiffbauerdamm?

Die Firma „Polimediea GmbH“ auf der SPD-Liste ist in Internet und Handelsregister hingegen überhaupt nicht auffindbar. Eine Fantasie-Firma, oder wer verbirgt sich dahinter? Vielleicht das Berliner Facharztzentrum „Polimedica“ – oder die Lobbyagentur „Polimedia“ von Hans-Roland Fäßler, einem engen Vertrauten von Peer Steinbrück. Fäßler war u. a. in die undurchsichtige Finanzierung des „Peerblogs“ involviert,  der 2013 um Stimmen für Steinbrück warb und wegen mangelnder Transparenz eine Rüge vom Deutschen PR-Rat kassierte.

Solche Fehler und Unklarheiten zeigen noch einmal: Geheime Listen in den Schubladen parlamentarischer Geschäftsführer sind kein akzeptables Mittel, um Lobbyzugänge zum Bundestag zu regulieren. An einem verpflichtenden Lobbyregister, öffentlich einsehbar und verbindlich kontrolliert, führt kein Weg vorbei.

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Die veröffentlichten Hausausweis-Listen der Bundestagsfraktionen im Einzelnen:

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