Lobbyregister

Lobbyregister: Wie weiter nach enttäuschendem Koalitionsvertrag?

Gestern stand wieder das Thema Lobbyregister auf der Tagesordnung des Bundestags. Während sich Union, FDP und Grüne bei ihren Jamaika-Gesprächen sogar auf die Einführung eines Registers einigen konnten, flog es bei den Verhandlungen zwischen SPD und Union aus dem Koalitionsvertrag. Daher waren wir gespannt darauf, wie die Redner der Union diesen Sinneswandel erklären würden.
von 23. Februar 2018

Im Einsatz für mehr Transparenz und Demokratie während der Koalitionsverhandlungen. Bild: Christian Mang/LobbyControl von LobbyControl Alle Rechte vorbehalten

Gestern Abend stand zum ersten Mal seit den Bundestagswahlen das Thema Lobbyregister auf der Tagesordnung des Bundestags. Ob Lobbyisten verpflichtend in einer öffentlichen Datenbank Angaben machen müssen, war bereits in den letzten Monaten ein Dauerstreitthema. Während sich Union, FDP und Grüne bei ihren Jamaika-Sondierungsgesprächen sogar auf die Einführung eines verpflichtenden Registers einigen konnten, flog der Punkt bei den Verhandlungen zwischen SPD und Union in letzter Minute aus dem Koalitionsvertrag. Daher waren wir sehr gespannt darauf, wie die Redner der Union diesen Sinneswandel erklären würden. Die SPD kündigte bereits im Vorfeld an, sich weiter für ein Lobbyregister einzusetzen und mit der Union trotz fehlender Koalitionsvereinbarung darüber weiter zu verhandeln. Anlass der Debatte waren Anträge der Fraktionen von Linken und Grünen.

Debatte mit vielen bekannten Argumenten – und einigen Neuen

Während der Debatte zeigte sich, dass weder Union noch FDP – trotz ihrer Zustimmung bei Jamaika – nun offener für mehr Lobbytransparenz sind. Die Redner der Union gingen auf die Zustimmung ihrer Parteien bei Jamaika gar nicht ein. Den Anfang für die Union machte Patrick Schnieder (CDU). Er wiederholte die bereits aus den letzten Wahlperioden bekannten Argumente der Unionsfraktion. In den Anträgen sah er eine „Diskreditierung zulässiger Interessenvertretung“. Dabei betonen beide Anträge, dass politische Interessenvertretung zur Demokratie gehört und der Austausch mit der Politik auch wichtig ist. Nur transparent solle es dabei zugehen. Weiter sorgte sich Schnieder um das freie Mandat der Abgeordneten und um zu viel Bürokratie. Auffällig ist dabei, dass in der Debatte in Deutschland meist unter den Tisch fällt, dass das EU-Parlament inzwischen recht strenge Regeln zum Umgang mit Lobbyisten verabschiedet hat – und das freie Mandat gibt es dort ebenso. Erklärungsbedürftig bleibt: Warum soll das, was dort funktioniert, hier in Deutschland nicht gehen? Zumal die Regeln des EU-Parlaments über die Inhalte der hiesigen Anträge in Teilen sogar hinausgehen.

Groko in spe ist sich nicht einig

Der nachfolgende Redner, Matthias Bartke (SPD), ging auf deutliche Distanz zum künftigen Koalitionspartner. Die SPD befürworte weiterhin ein Lobbyregister. Die derzeitige Verbändeliste sei nicht ausreichend. Bartke erläuterte detailliert, wo die Defizite liegen: Die Eintragung ist freiwillig, die Angaben rudimentär und überhaupt wird nur ein Teil der Lobbyakteure erfasst. In Richtung seines Vorredners forderte Bartke, das freie Mandat nicht zu missbrauchen, um „irgendwelche Mauscheleien“ zu rechtfertigen. Stattdessen solle die Union ihre Haltung überdenken und trotz fehlender Koalitionsvereinbarung das Lobbyregister umsetzen, damit würde die Union auch ihren Wählern „eine Freude machen“. In der Tat sprechen sich in Umfragen rund Dreiviertel der Unionsanhänger für ein verpflichtendes Lobbyregister aus.

FDP bleibt bei ihrer ablehnenden Haltung

Von der FDP gab es dagegen Kritik an den Anträgen von Linken und Grünen. Insofern nichts Neues. Die Rednerin der FDP-Fraktion, Katharina Kloke, warnte ebenfalls vor Bürokratie und vor Kosten für Steuerzahler. Zudem sei die Trennung zwischen anwaltlicher und politischer Vertretung nicht klar zu ziehen, deswegen sollten Anwälte von der Registrierungspflicht ausgenommen werden. Diese Debatte gibt es in allen Ländern, die ein Lobbyregister eingeführt haben oder einführen wollen. Es gibt also gute Beispiele für Lösungen. Das sollte auch in Deutschland möglich sein. Aber es ist sicherlich richtig, diese Frage weiter zu vertiefen und darüber zu diskutieren. Bei den Jamaika-Verhandlungen hatte Christian Lindner noch verkündet, keinen „ideologischen Widerstand“ gegen ein Lobbyregister mehr leisten zu wollen. Offenbar heißt das im Umkehrschluss nicht, dass man sich konstruktiv der Frage nähert, wie denn Lobbyregulierung aussehen kann.

Grüne an SPD: „Warum habt ihr das nicht auf die Kette gekriegt?“

Britta Haßelmann von Bündnis 90/Die Grünen nahm sich ein aktuelles Beispiel für undurchsichtige Einflussnahme vor, um den Handlungsbedarf zu verdeutlichen. Tatsächlich war das seit langem geplante Tabakwerbeverbot – ähnlich wie das Lobbyregister – in letzter Minute aus dem Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD gefallen. Das sei doch Beweis genug, dass wir über Einflussnahme reden müssen, so Haßelmann vor allem in Richtung Union. Schnieder hatte zuvor nicht nur Bedenken gegenüber dem Instrument Lobbyregister geäußert, sondern auch den Handlungsbedarf an sich bestritten, da der Bundestag doch transparent sei. Dabei verwies Schnieder auf Transparency International, die allerdings gerade einen Tag zuvor weitere Schritte gefordert hatten, unter anderem die Einführung eines Lobbyregisters. Haßelmann kritisierte aber auch die SPD: „Warum haben Sie das denn nicht auf die Kette gekriegt?“ fragte sie in Richtung SPD, die Grünen hätten in den Verhandlungen mit Union und FDP das Lobbyregister doch auch durchbekommen.

Eine überzeugende Antwort bekam Haßelmann nicht. Sonja Steffen (SPD) bestätigte lediglich, dass die SPD bei den Verhandlungen alles versucht hätte, letztlich aber die CSU deutlich gemacht habe, dass „das mit ihnen nicht zu machen ist“. Insofern stellt sich weiterhin die Frage: Wer oder was hat eigentlich bei der CSU für einen Meinungsumschwung gesorgt?

Kritische Punkte der CSU

Die schärfste Kritik insbesondere am Gesetzentwurf der Linken kam entsprechend auch aus der CSU. Ihr Redner, Volker Ullrich, kritisierte unter anderem die mögliche Höhe von Bußgeldern für Lobbyakteure, die in schwerwiegender Weise gegen die Regeln verstoßen. Erstaunlicherweise schien Ullrich mit der Registrierungpflicht und den zu machenden Angaben der Lobbyakteure an sich weniger Probleme zu haben als mit der konkreten Durch- und Umsetzung. So wies er auf verfassungsrechtliche Probleme im Entwurf hin, etwa weil der dort vorgesehene Bundesbeauftragte für politische Interessenvertretung zu weitgehende Kompetenzen hätte und Lobbyakteuren Klagemöglichkeiten fehlen würden. Kritisch fand Ullrich zudem, dass die Linke ihren Gesetzentwurf weitgehend „bei LobbyControl abgeschrieben“ habe.

Zum Gesetzentwurf der Linken

Das gibt uns die Gelegenheit uns hierzu zu äußern. Wir können bestätigen, dass die Linksfraktion unseren gemeinsam mit Abgeordnetenwatch.de im letzten Jahr vorstellten Gesetzentwurf in weiten Teilen übernommen hat. Allerdings haben wir weder darum gebeten, noch hat die Linke uns dazu kontaktiert. In der Tat waren wir überrascht, als die Linke den Entwurf in großen Teilen unverändert kurz nach den Wahlen ins Parlament einbrachte. Unsere Erwartung an die Parteien war eigentlich, dass sie sich unseren – modellhaften – Entwurf vornehmen, um daraus etwas eigenes zu machen. Das hat die Linke nur in einigen Punkten getan, zum Beispiel bei der angesprochenen Höhe der Bußgelder. Auch an anderen Stellen geht der Entwurf nun über das hinaus, was wir vorgeschlagen haben. Unser Ziel mit dem Entwurf war es, die Diskussion über ein Lobbyregister voranzubringen. Insofern ist es gut, dass Volker Ullrich auch konkrete Kritikpunkte vorgetragen hat, die wir gerne zum Anlass zu nehmen, um unseren eigenen Entwurf daraufhin zu prüfen. In der Tat war unsere Erwartung, dass der Gesetzgeber grund- und verfassungsrechtliche Fragen genau prüfen würde.

Wie weiter: Lobbytransparenz als Thema für Expertenkommission

Wir werden die Debatte weiter aufmerksam verfolgen und sind vor allem gespannt, ob die SPD ihren eigenen Gesetzentwurf für ein Lobbyregister einbringen wird und tatsächlich mit der Union darüber weiter verhandelt. Immerhin sieht der Koalitionsvertrag eine Expertenkommission zur Bürgerbeteiligung vor. Diese soll „Vorschläge zur Stärkung demokratischer Prozesse erarbeiten“. Ein Lobbyregister sehen wir hier an erster Stelle. Das Thema ist daher so oder so noch nicht vom Tisch – und wir bleiben dran.

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