Der „Cash-for-law“ Skandal (zum Lobbypedia-Eintrag), in den unter anderem auch der ÖVP-Europaparlamentsabgeordneten Ernst Strasser involviert war, hat in Österreich hohe Wellen geschlagen. Drei Monate nach dem Bekanntwerden der Bestechungsaffäre einigte sich die österreichische Regierung gestern (21.6.11) auf einen Gesetzentwurf zu einem nationalen Lobbyregister. Im Herbst soll das Gesetz vom Nationalrat beschlossen werden.
Schneller Beschluß nach EU-Affäre
Nach gegenseitigen Zugeständnissen der Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP enthält das Lobbyregister jetzt eine Eintragungspflicht für Lobbyisten von Agenturen, Unternehmen, Verbänden und gesetzlichen Kammern. Was die erforderlichen Angaben betrifft, gelten unterschiedliche Maßstäbe. So berichtet die Wiener Zeitung, dass das Register unterschiedliche Transparenzanforderungen an Lobby-Agenturen, Unternehmens-Lobbyisten, gesetzlich eingerichtete berufliche Interessenvertretungen und Interessenverbände stellt. Am weitgehendsten sind dabei die Anforderungen an Lobbyagenturen. Sie sollen für jeden Auftrag die damit betrauten Mitarbeiter, den Auftraggeber, den Auftragsgegenstand sowie den finanziellen Umfang angegeben. Die Daten über die Aufträge sollen jedoch nicht öffentlich frei zugänglich sein, sondern den Beteiligten, den von den Lobbyisten kontaktierten Politikern sowie „Personen und Stellen mit rechtlichem Interesse“ vorbehalten bleiben.
Unternehmen, die Lobbyisten entsenden, müssen deren Namen nennen und zusätzlich angeben, ob die Ausgaben für Lobbytätigkeiten im letzten Geschäftsjahr über 100.000 Euro lagen. Interessenverbände (z.B. die Industriellenvereinigung und NGOs) und gesetzliche Kammern sind ebenfalls verpflichtet sich einzutragen. Allerdings reicht es, wenn sie Angaben zu Mitarbeitern, Aufgabenbereich und Einnahmen aus dem vergangenen Jahr auf ihrer Webseite veröffentlichen. Weiterhin unbehelligt von einer Eintragungspflicht bleiben jedoch Anwälte, Notare und Wirtschaftstreuhänder. Bei Falschangaben oder versuchtem Lobbying ohne Registrierung drohen Geldstrafen von bis zu 60.000 Euro oder sogar die Streichung beziehungsweise Nichteintragung ins Register für drei Jahre.
Außerdem im Gesetzentwurf enthalten ist ein Lobbying-Verbot für Politiker während der Amtszeit. Eine in früheren Entwürfen vorgesehene Abkühlphase von zwei Jahren, bevor Politiker zu Lobbyisten werden können, wurde entfernt.
Einige Schwächen – aber ein großer Schritt voran
Das Lobbyregister ist ein notwendiger Schritt in die richtige Richtung und erfüllt einige der Forderungen, die LobbyControl auch an den deutschen Bundestag stellt. Sehr wichtig ist, dass das Register verpflichtend ist und nicht nur Verbände, sondern auch Agenturen, Unternehmen und Kammern erfasst. Außerdem können hohe Sanktionen verhängt werden, wenn sich Lobbyisten nicht an das neue Gesetz halten. Ein Kritikpunkt jedoch ist das Auslassen der Rechtsanwaltskanzleien. Bereits jetzt betreiben viele Anwaltskanzleien nicht mehr nur originäre Rechtsberatung, sondern klare Lobbyarbeit bis hin zum Verfassen von Gesetzesentwürfen. Nicht nur Lobby-Agenturen befürchten, dass dieser Tätigkeitsbereich von Anwälten in Zukunft zunehmen wird und ein Teil ihrer Kunden Lobbyaufträge an vertrauliche Anwaltskanzleien auslagern könnte, um so weiterhin Intransparenz zu genießen.
Weiter ist es kritisch, dass Unternehmen nur angeben müssen, ob ihre Lobbyausgaben 100.000 Euro im Jahr übersteigen. Detaillierte Angaben über Lobbyausgaben, z.B. in Stufen von 10.000 Euro, müssten für alle Lobbyakteure verpflichtend sein.
Trotz dieser Schwächen geht Österreich mit seinem Entwurf einen deutlichen Schritt voran – und entblößt damit die andauernde Untätigkeit der deutschen Politik in diesem Bereich sowie die halbherzigen Ansätze in Brüssel.
Lobbygesetze in anderen Ländern
In Irland wurden am vergangenen Wochenende (18./19.6.) erste Eckpunkte zu einem Lobbyregister bekannt, das Lobbyisten von Agenturen, Unternehmen und Interessenvereinigungen erfassen soll. Ende Februar startete in Großbritannien ein neues freiwilliges Lobbyregister (UKPAC), das Premierminister Cameron in Zukunft auf ein verpflichtendes Register erweitern will.
Die drei britischen Forscher, Raj Chari, John Hogan and Gary Murphy entwickelten ein Ranking, das die Gesetzeslagen zur Regulierung von Lobbyeinflüssen in den USA, Kanada, Australien, Polen, Ungarn, Litauen, Taiwan, Deutschland und die EU vergleicht. Das Ergebnis ist verheerend: Deutschland und die EU belegen weit abgeschlagen die letzten Plätze.
Lobbypedia-Eintrag: Lobbyregister (Überblick)
Weiterführende Literatur
Chari, R., Hogan, J. & Murphy, G. (2010). Regulating lobbying: a global comparison. European Policy Research Unit Series. Manchester: Manchester Universit Press
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