Transparency International Deutschland (TI) und degepol – Deutsche Gesellschaft für Politikberatung (ein Lobbyisten-Netzwerk) haben heute eine gemeinsame Stellungnahme vorgelegt zum Thema „Interessenvertretung in Deutschland transparenter gestalten und fair regeln“. LobbyControl begrüßt, dass die Debatte über Regeln und Schranken für Lobbyisten damit in Deutschland weiter an Fahrt aufnimmt – sieht aber zugleich deutliche Schwachstellen in dem Papier.
Positiv ist, dass sich Transparency und degepol für ein verpflichtendes Lobbyistenregister für alle Interessenvertreter aussprechen (inklusive Anwälte, die im Lobbybereich tätig sind). Dennoch sind die Vorschläge nicht ausreichend:
1) Die Lobbyisten sollen ihre Budgets nur in sehr groben Stufen von 100.000 Euro angeben. Das ist unzureichend und fällt noch hinter die 50.000 Euro-Stufen des neuen Registers der EU-Kommission zurück. LobbyControl fordert die Angabe in Schritten von (höchstens) 10.000 Euro. Ansonsten lässt sich beispielsweise bei Lobby-Allianzen nicht erkennen, wer wirklich dahinter steht.
Ein (fiktives, aber nicht unrealistisches) Beispiel: eine Pharmafirma beauftragt eine Lobby-Agentur mit einer Kampagne zur Gesundheitspolitik. Sie finanziert die Kampagne mit 90.000 Euro. Wenn die Agentur ein Forschungszentrum und zwei Patientengruppen als symbolische Unterstützer gewänne, die je 1.000 Euro dazulegen, würden das Pharma-Unternehmen, das Forschungszentrum und die Patientengruppen alle als Kunden im Bereich 0-100.000 Euro registriert. Damit bleibt für die Öffentlichkeit verborgen, dass die Kampagne eigentlich von dem Pharma-Unternehmen bezahlt wird. Nur die Offenlegung in kleineren Stufen wie 10.000 Euro schafft deshalb die nötige Transparenz.
2) Verstöße gegen das Lobbyregister sollen nach Transparency und degepol durch ein Organ der freiwilligen Selbstkontrolle geahndet werden. Als Maximalstrafe ist der dauerhafte Ausschluss aus dem Register vorgesehen. Nach Ansicht von LobbyControl muss ein verpflichtendes Lobbyregister von einer unabhängigen, öffentlichen Einrichtung kontrolliert werden, die auch eigenständige Kontrollen vornimmt. Als Sanktionen sind zudem Geld- oder strafrechtliche Konsequenzen in schweren Fällen vorzusehen (wie auch in den USA).
Neben dem Lobbyistenregister beschäftigt sich das Papier mit Interessenskonflikten:
1) Zur Problematik der externen Mitarbeiter in Ministerien stellen TI und degepol den Austausch von Wirtschaft und Politik nicht grundsätzlich in Frage. Sie wollen nur eine Klarstellung für befristete Arbeitsverträge und etwas mehr Transparenz. Aus Sicht von LobbyControl muss die Mitarbeit von Lobbyisten direkt in den Ministerien ganz beendet werden. Denn von dieser Form der Mitarbeit profitieren vor allem Unternehmen und Wirtschaftsverbände, die die Ressourcen aufwenden können, um eigene Mitarbeiter in den Ministerien zu bezahlen.
2) Sinnvoll ist dagegen die Betonung einer Passage aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Nebentätigkeiten von Abgeordneten von 2007. Danach sollen Abgeordnete im Falle von Nebentätigkeiten, die Interessenskonflikte verursachen, die Nebentätigkeit nicht übernehmen anstatt das Abgeordnetenmandat nicht auszuüben.
3) Zum Thema der Wechsel von Politikern in Lobby-Tätigkeiten schlagen die beiden Organisationen eine freiwillige Selbstverpflichtungserklärung vor. Lobbyorganisationen sollen eine nicht näher bestimmte Karenzzeit einhalten, bevor sie ehemalige Regierungsmitglieder, Ministerial- oder Wahlbeamte beschäftigen. Dieser Vorschlag bleibt letztlich wirkungslos, weil er erstens rein freiwillig ist und die Karenzzeit nicht festgelegt ist. LobbyControl fordert eine verpflichtende Karenzzeit von 3 Jahren, bevor ehemalige Regierungsmitglieder und leitende Beamte als Lobbyisten arbeiten dürfen.
Fazit
Transparency und degepol liefern mit dem Papier Anstöße für eine weitergehende Debatte über Lobbyismus und Demokratie. Allerdings bleiben die Vorschläge in den konkreten Details hinter dem Notwendigen zurück.
Zudem ist die Zielrichtung des Papiers zu beschränkt. Nach Transparency und degepol ist das Ziel, „das Vertrauen der Bevölkerung in Politik und Interessenvertreter zu erhöhen bzw. zurück zu gewinnen und diejenigen in Politik und Interessenvertretung zu schützen, die sich an die ethischen Standards halten.“
Das Ziel von LobbyControl ist dagegen eine weitergehende Demokratisierung der Politik und mehr Mitsprache der Bevölkerung anstelle häufig elitärer und von Machtungleichgewichten geprägter Politikprozesse. Wir wollen, dass die Stimme von jeder und jedem zählt – und nicht nur mächtige Lobbygruppen das Sagen haben. Dazu ist mehr Transparenz wichtig, aber nur ein erster Schritt. Die Auseinandersetzung mit den Formen des heutigen Lobbyismus muss auch aufgreifen, dass unterschiedliche gesellschaftliche Interessen ungleiche Ressourcen und ungleiche Zugänge zu Politik und Medien haben.
Weitere Informationen:
> Zum externen Mitarbeiter siehe auch unsere Kurzanalyse zum Bericht der Bundesregierung von Oktober (pdf)
> Zu Karenzzeiten siehe unsere Studie „Fliegende Wechsel – die Drehtür kreist“ von Nov 2007.
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