Lobbyregister

Unser Lobbyist für Baku

Was hat der Eurovision Song Contest mit Lobbyismus zu tun? Viel, wenn er in Aserbaidschan stattfindet. Um sein Image im Vorfeld des Medienspektakels zu polieren, setzt das autoritäre Regime auf einen PR-Berater aus Deutschland, der Schlagzeilen wie „Menschenrechtsverletzungen“ und „Einschränkungen der Pressefreiheit“ mit der prosperierenden Wirtschaft und guten Investitionsmöglichkeiten ersetzen soll. Wie der Spiegel Anfang […]
von 8. März 2012

Was hat der Eurovision Song Contest mit Lobbyismus zu tun? Viel, wenn er in Aserbaidschan stattfindet. Um sein Image im Vorfeld des Medienspektakels zu polieren, setzt das autoritäre Regime auf einen PR-Berater aus Deutschland, der Schlagzeilen wie „Menschenrechtsverletzungen“ und „Einschränkungen der Pressefreiheit“ mit der prosperierenden Wirtschaft und guten Investitionsmöglichkeiten ersetzen soll.

Wie der Spiegel Anfang 2012 berichtete, wurde die, von Hans-Erich Bilges geleitete Consultum Communications beauftragt, das autoritäre Regime Aserbaidschans in Sachen Imagepflege zu beraten. Bilges war zuvor Vorstandsmitglied der WMP EuroCom AG, ebenfalls einer Lobby- und PR-Agentur, die bereits in mehrere Skandale verwickelt war.

Country Branding

PR-Berater und Lobbygruppen werden in den letzten Jahren vermehrt auch von Staaten angeheuert. Im sogenannten Country Branding geht es darum, die öffentliche Wahrnehmung des jeweiligen Staates zu Gunsten des Klienten zu manipulieren oder politische Unterstützung zu bekommen. Auf EU-Ebene wird zudem oft versucht, Finanzierungen oder Handelsabkommen zu sichern oder neue EU-Richtlinien zu beeinflussen.

Ein gutes Beispiel zu Country Branding war der Georgienkonflikt. Hier beauftragten beide Seiten PR-Agenturen, die dann die Propagandaschlacht unter dem Deckmantel eines vermeintlich seriösen Journalismus austrugen. Das machte es für die Öffentlichkeit sehr schwer, sich ein wahrheitsgetreues Bild des Konflikts zu machen. In anderen Fällen wurden – unter anderem von Kasachstan – „wissenschaftliche Arbeiten“ bezahlt, um die Öffentlichkeit im Sinne der Regierung zu beeinflussen. Ferner wäre es möglich, so ein Mitarbeiter einer führenden PR- und Lobbyagentur, negative Treffer in Suchmaschinen durch vermeintlich unabhängige Blogs zu verringern.

Das Country Branding Aserbaidschans

Das an Bodenschätzen reiche Land versucht seit geraumer Zeit seine wirtschaftlichen Standbeine auszubauen, um nicht mehr allein vom Öl- und Gasexport abhängig zu sein. Hierzu müssen jedoch Investoren angelockt werden. Negativschlagzeilen über Menschenrechtsverletzungen des autoritären Regimes oder der Platz 162 von 179 Ländern auf der Rangliste der Pressefreiheit passen hierbei natürlich nicht ins Bild. Das Regime und einflussreiche Oligarchen finanzieren daher die von Hans-Erich Bilges geleitete Imagekampagne.

Um das Image des Landes zu verbessern, müssen Auftritte auf wichtigen internationalen Veranstaltungen, wie beispielsweise dem Weltwirtschaftsforum in Davos, professionell geplant sein. In diesem Zusammenhang werden Werbeveranstaltungen wie die „aserbaidschanische Nacht“ organisiert, die den eingeladenen Investoren und Politikern ein positives Bild Aserbaidschans vermitteln sollen.

Auch im Vorfeld des Eurovision Song Contests, der eine äußerst große Medienresonanz verspricht, versuchen Bilges und seine Consultum Communications das Image des Landes in der öffentlichen Wahrnehmung zu polieren. Hierzu werden Veranstaltungen wie eine Feier zum 20. Jahrestag der Unabhängigkeit Aserbaidschans in Berlin genutzt, um mittels prominenter Gäste ein positives Bild des autoritären Regimes zu zeichnen. Auf der besagten Veranstaltung in Berlin waren beispielsweise Bettina Wulff, der ehemalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher und Ex-Wirtschaftsminister Michael Glos anzutreffen, die mit ihrem Bekanntheitsgrad bei der Medienwirksamkeit der Inszenierung halfen. Genscher ist jedoch Vorstandsmitglied der WMP EuroCom und Ehrenbeirat der Consultum Communications. Auch Glos sitzt im Beirat der PR- und Lobbyagentur Consultum Communications. Glos flog schon im September auf Kosten des aserbaidschanischen Regimes zu einer Unabhängigkeitsfeier nach Baku, um dort mit seiner Anwesenheit für die Seriosität des autoritären Regimes zu werben.

Consultum Communications Mitarbeiter Michael-Andreas Butz, der für das operative Aserbaidschan-Geschäft verantwortlich ist, antwortete laut Spiegel auf Fragen, warum die Consultum Communications Imagekampagnen für ein autoritäres Regime initiiert, das immer wieder durch Menschenrechtsverletzungen in die Schlagzeilen gerät folgendermaßen: „Politische Gefangene gibt es genau genommen auch in Deutschland […] Auf eine Art ist Horst Mahler ja auch ein politischer Gefangener.“ Der Rechtsextremist Mahler sitzt derzeit eine Haftstrafe wegen Volksverhetzung ab.

Update 5. Juli 2012: Herr Butz hat uns in einer E-Mail geschrieben, dass das Zitat
aus dem Spiegel falsch wiedergegeben sei. In einem Leserbrief für das Spiegel-Heft 3/2012 habe er das Zitat korrigiert: „Ich [Butz] habe dabei auf das erhöhte Sicherheitsbedürfnis eines Landes wie Aserbaidschan hingewiesen, das gemeinsame Grenzen mit Iran und Armenien hat. Aber selbst im demokratischen Deutschland in einer unvergleichlich gesicherteren Lage gibt es Einschränkungen bei politischen Freiheitsrechten, wie zum Beispiel bei Demonstrationen und Meinungsfreiheiten. In diesem Zusammenhang nannte ich auch den Fall Mahler und hob hervor, dass „er“ sich selbst strenggenommen auch für einen politischen Gefangenen hält.“

Mangelnde Transparenz

In Deutschland gibt es keine Transparenzverpflichtungen für Lobbyagenturen – anders als etwa in den USA. Dort gibt es neben dem verpflichtenden Lobbyregister noch besondere Offenlegungspflichten, wenn Agenturen für ausländische Regierungen tätig sind. Der Foreign Agents Registration Act (FARA) wurde 1938 insbesondere eingeführt, um Propaganda des Nazi-Regimes in den USA zu erschweren.

In der EU wird von staatlichen Instanzen ausdrücklich nicht erwartet, dass sie sich in das freiwillige Lobbyregister der EU eintragen. Lobbyagenturen sollen aber all ihre Klienten, also auch Regierungen, in dem Register auflisten. Viele Agenturen sind allerdings gar nicht registriert oder sind Anwaltskanzleien, die sich auf einen Kodex beziehen, der es ihnen nicht erlaube, über ihre Klienten zu sprechen. Auch haben sich die Daten des Registers schon mehrfach als nicht vertrauenswürdig herausgestellt, weil von Seiten der Kommission keine Kontrolle ausgeübt wird, und die Registrierung im Lobbyregister der EU immer noch freiwillig ist.

Country Branding geht, wie Aserbaidschan und die anderen oben erwähnten Fälle gezeigt haben teilweise weit über simple Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit hinaus. Es ist oft mit eindeutiger Lobbyarbeit verbunden. Um wirksame Transparenz für die Öffentlichkeit herzustellen, müsste auch in Deutschland ein verbindliches Lobbyregister eingeführt werden, in dem ihre Auftraggeber und Kunden sowie die beteiligten Lobbyisten verzeichnet sind. Nur durch eine bedingungslose Pflicht zur Offenlegung können sich die Öffentlichkeit, politische Entscheidungsträger und – wie in diesem Fall deutlich wird – auch Unternehmen ein Bild von den Image- und Lobbykampagnen machen.

Weitere Informationen zu Hans-Erich Bilges, der Consultum Communications und der WMP EuroCom in der Lobbypedia:

Nähere Informationen zu Country Branding finden Sie hier:

Nähere Informationen zu unserer Forderung, ein verbindliches Lobbyregister auf Bundesebene einzuführen, finden Sie hier

Foto: theme_art_red Lizenz: lizenzfreiQuelle

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