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Lobbyregister

Wie wirken die neuen Lobbyregister-Regeln?

Seit Juli 2024 gelten deutlich verschärfte Regeln für das Lobbyregister. Wie gut funktionieren sie und wo bestehen weiterhin Probleme? Wir haben uns das am Beispiel der Lobbyagentur EUTOP genauer angeschaut.

von 5. August 2024

In den kommenden Wochen werden wir Schlaglichter auf einzelne Bereiche werfen und kritisch beleuchten. Eine umfassende Bewertung der neuen Regeln haben wir bereits in unserem Lobbyreport 2024 vorgenommen. Nun geht es um die Praxis. In diesem ersten Teil widmen wir uns dem Thema Lobbyismus im Auftrag.

Eine Kernfunktion eines Lobbyregisters ist es, sichtbar zu machen, wer in wessen Auftrag Interessen vertritt und auf was genau die Lobbyarbeit abzielt. Vor der Reform des Lobbyregister-Gesetzes durch die Ampelkoalition war beides nur sehr eingeschränkt gegeben: Lobbyist:innen waren nicht verpflichtet transparent zu machen, auf welche Gesetze sie einwirken wollen. Lobby-Dienstleister wie Lobbyagenturen oder -kanzleien mussten zwar ihre Auftraggeber benennen, aber keine weiteren Angaben machen, was sie für diese eigentlich leisten und wie viel Geld sie dafür bekommen.

Altes Lobbyregister schaffte nur wenig Klarheit

Zudem wurde die Transparenz darüber, wer eigentlich in wessen Auftrag auf Bundesregierung und Bundestag zugeht, erheblich durch Kettenbeauftragungen beeinträchtigt. Konkret: Unternehmen X erteilt Lobbyagentur Y einen Auftrag, diese reicht diesen an ihre Partneragentur Z weiter, die wiederum Unterauftragnehmer A beauftragt. Letzterer gab dann nur Agentur Z als Auftraggeber an, welche wiederum Agentur Y nannte, sodass für niemanden nachvollziehbar war, für welche der vielen Kunden von Agentur Y Unterauftragnehmer A letztlich tätig war.

Diese fehlende Information ist aber äußerst relevant. Denn es ist ein großer Unterschied, ob zum Beispiel eine ehemalige Verteidigungsministerin für einen Rüstungskonzern Lobbyarbeit betreibt oder ob sie für einen Konzern tätig ist, mit dessen Bereich sie als Politikerin keine Berührungspunkte hatte.

Screenshot eutop.com -
Die Lobbyagentur EUTOP beschäftigt zahlreiche frühere Politiker:innen

Diese Problematik haben wir im Lobbyreport 2024 am Beispiel der Lobbyagentur-Familie EUTOP ausführlich beleuchtet. EUTOP ist besonders betrachtenswert, da die Agentur zahlreiche ehemals hochrangige Politiker:innen als Unterauftragnehmer beauftragt. Diese dienen dazu, ihr Netzwerk zu aktiven Politiker:innen und ihre Kenntnisse des Politbetriebs zu nutzen, um den Kunden von EUTOP die Türen zu öffnen und Informationen einzuholen. Daher ist es von besonderem Interesse zu erfahren, wer letztlich für wen bei Bundestag und Bundesministerien an die Türen klopft.

Hochrangige Ex-Politiker:innen wurden Lobbyist:innen

Im Lobbyreport hatten wir ganze 25 Ex-Politiker:innen identifiziert, die für EUTOP tätig waren, darunter ehemalige Minister:innen, Staatssekretär:innen, Bundestags- und Europaabgeordnete. Für welche der Auftraggeber von EUTOP, darunter Konzerne aus vielen verschiedenen Branchen wie Bayer, Huawei, Krauss-Maffei Wegmann, BMW, Südzucker, British American Tobacco und ExxonMobil, sie jeweils eingesetzt wurden, war aber nicht feststellbar.

Das verschärfte Gesetz soll Abhilfe schaffen: Werden Lobbyaufträge weitergereicht, müssen die Unterauftragnehmer angegeben werden. Zudem müssen Lobbyist:innen transparent machen, auf welche Gesetze sie einwirken wollen und was der Auftrag umfasst. Was lässt sich also mit dem neuen Gesetz erkennen? Wurde das Transparenzziel erreicht?

Neues Lobbyregister verbessert Transparenz

Kurz gesagt: Ja und Nein. Es lässt sich nun tatsächlich deutlich besser nachvollziehen, welche der Ex-Politiker:innen für welche Unternehmen tätig sind. Aber so wie EUTOP und teilweise ihre Unterauftragnehmer die neuen Regeln umsetzen, bleiben dennoch Fragen offen. Die Bundestagsverwaltung sollte hier genau hinschauen.

Zunächst lässt sich feststellen, dass sich die Zahl der laut den Angaben der Agenturfamilie EUTOP konkret benannten Unterauftragnehmern deutlich reduziert hat. Waren es zuvor 27 Lobbyist:innen (davon 25 Ex-Politiker:innen), die nach den alten Regeln eine der EUTOP-Agenturen als Auftraggeberin identifizierten, benennt EUTOP jetzt lediglich 13. Diese sind meist für mehrere der EUTOP-Kunden tätig, Anzahl jeweils in Klammern:

  • Leo Dautzenberg (10), CDU-Bundestagsabgeordneter 1998-2011
  • Volkmar Vogel (9), CDU Bundestagsabgeordneter 2002-2021, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium des Innern 2020-2021
  • TKM Consulting (7), Beratungsunternehmen von Martin Dörmann, SPD-Bundestagsabgeordneter 2002-2017
  • Ursula Heinen-Esser (6), CDU-Bundestagsabgeordnete 1998-2013, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium 2007-2013, Ministerin für Umwelt und Landwirtschaft in NRW 2018-2022.
  • Dr. Hans-Ulrich-Krüger (5), SPD-Bundestagsabgeordneter 2002-09 & 2013-17
  • Clemens Neumann (5), Abteilungsleiter im Bundeslandwirtschaftsministerium 2006–2019
  • Ludwig Stiegler (5), SPD-Bundestagsabgeordneter 1980-2009
  • Dr. Hans Bernhard Beus (3), Staatssekretär im Bundesfinanzministerium 2010-2013 und im Bundesministerium des Innern 2008–2010
  • Alexander Pickart Alvaro (2), FDP-Europaabgeordneter 2004-2014, Vizepräsident des Europaparlaments 2011–2014
  • Franz-Josef Lersch-Mense (2), SPD, NRW-Europa- und Medien-Minister 2015–2017, Chef der Staatskanzlei NRW 2010–2017
  • Uwe Beckmeyer (ExxonMobil), SPD, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium 2013–2018
  • Dr. Wolfgang Herrmann (Bayer AG), Präsident der TU München 1995-2019
  • Christine Scheel (Edeka), Grünen-Bundestagsabgeordnete 1994-2012

Lobbyreport 2024

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Neue Ungereimtheiten

Betrachtet man die Lobbyregister-Einträge dieser EUTOP-Unterauftragnehmer, fällt auf, dass die Angaben dort in einigen Fällen von denen von EUTOP selbst abweichen oder zumindest Fragen offen lassen. Die meisten der Unterauftragnehmer:innen geben an, lediglich einen Auftrag von EUTOP erhalten zu haben, auch wenn sie für mehrere der EUTOP-Kunden tätig sind. Der Auftrag wird dann sehr allgemein beschrieben und ist bei den meisten EUTOP-Lobbyist:innen exakt gleich formuliert:

„Im Rahmen des Auftrags zur Unterstützung der Aufträge der EUTOP Group werden Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der Bundesregierung und der Bundesministerien sowie mit dem Deutschen Bundestag zur Sachstandsaufklärung sowie etwaiger Erläuterung von Änderungsnotwendigkeiten hinsichtlich einer Vielzahl von Themenfeldern, geführt. Zweck der Interessenvertretung ist es, die Sicht der beauftragenden Organisationen zu vermitteln.“

Unkonkrete Angaben

Diese Formulierung findet sich bei Leo Dautzenberg, Volkmar Vogel, Martin Dörmann, Hans-Ulrich Krüger, Clemens Neumann, Ludwig Stiegler, Uwe Beckmeyer, Wolfgang Herrmann, Christine Scheel und in leichter Abwandlung bei Hans Bernhard Beus.

Lediglich Ursula Heinen-Esser macht genauere Angaben zu den EUTOP-Aufträgen. Einer ihrer Aufträge bezieht sich demnach auf die Strom- und Gaspreisbremse. Ein anderer hat zum Ziel, eine Verschärfung des Gesetzes zur Stärkung der Organisationen und Lieferketten im Agrarbereich abzuwenden. Möchte man nun herausfinden, wer der eigentliche Auftraggeber zu diesen beiden Aufträgen ist, ist einige Recherchearbeit notwendig. Der erste Auftrag zur Strom- und Gaspreisbremse geht auf Edeka zurück, was aus den Angaben von EUTOP Europe hervorgeht. Dort ist außerdem sichtbar, dass Heinen-Esser für den Edeka-Auftrag eingesetzt wird. Doch auf welchen der EUTOP-Kunden könnte der Auftrag im Agrarbereich zurückgehen?

Heinen-Esser gibt an, das konkrete Regelungsvorhaben, um das es bei dem Auftrag gehe, sei die „Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit landwirtschaftlicher Betriebe in der Wertschöpfungskette“. Diese Formulierung findet sich wiederum ebenfalls bei der Auftragsbeschreibung von EUTOP Europe zu Edeka. Somit lässt sich schlussfolgern, dass Heinen-Esser im Auftrag von EUTOP für Edeka in diesen beiden Bereichen tätig ist. Nicht aber etwa beim Thema Verbot von Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt in für Kinder relevanten Medien. In dieser Sache ist EUTOP Europe zwar für Edeka aktiv, aber eben nicht Heinen-Esser. Das Thema Werbeverbot findet sich dagegen in den Angaben des ehemaligen Abteilungsleiters im Bundeswirtschaftsministeriums Clemens Neumann, der demnach in dieser Hinsicht für Edeka unterwegs ist. Er schlüsselt das allerdings nicht auf, was den Rechercheaufwand erhöht und die Nachvollziehbarkeit einschränkt.

Nur eine EUTOP-Lobbyistin schlüsselt Aufträge auf

Sind die Angaben also wie vom Gesetz vorgesehen vollständig erfolgt, lässt sich nun durchaus gut nachvollziehen, wer für wen in welcher Hinsicht tätig ist – auch wenn dazu etwas zusätzlicher Rechercheaufwand nötig ist. Heinen-Esser ist allerdings die einzige unter den Unterauftragnehmer:innen von EUTOP, die einzelne Aufträge aufschlüsselt. Die anderen geben wie erwähnt nur einen globalen Auftrag an, auch wenn es sich vermutlich um völlig unterschiedliche Tätigkeiten handelt. Das erschwert die Nachvollziehbarkeit.

Zudem stellt sich aber auch bei Heinen-Esser die Frage, was sie für die anderen EUTOP-Kunden tut, für die sie neben Edeka ebenfalls tätig ist. Laut den EUTOP-Angaben ist sie für den Zentralverband Oberflächentechnik, die Deutsche Telekom, British American Tobacco, Bayer sowie ExxonMobil tätig. Zu keinem dieser Kunden findet sich eine Auftragsbeschreibung in ihrem Eintrag und es wird auch kein Gesetz oder keine Verordnung genannt, das zu diesen Kunden passt. Insofern ist die Transparenz dann doch stark eingeschränkt, wenn die Angaben inkonsistent oder nicht vollständig sind.

Viele offene Fragen

Fragen bleiben daher an vielen Stellen. Wenn etwa die Unterauftragnehmer angeben, keine konkreten Regelungsvorhaben beeinflussen zu wollen, obwohl das Teil des eigentlichen Auftrags an EUTOP ist. So ist zum Beispiel der ehemalige TU München-Präsident Prof. Dr. Wolfgang Herrmann laut EUTOP für die Bayer AG unterwegs. Teil des Auftrags von Bayer an EUTOP ist es, auf die Pflanzenschutzanwendungsverordnung einzuwirken, um den Einsatz von Glyphosat in Deutschland weitgehend zu ermöglichen. Wolfang Herrmann gibt dagegen an, auf kein konkretes Regelungsvorhaben Einfluss zu nehmen. Damit stellt sich die Frage, was er stattdessen im Auftrag von Bayer tut.

Ähnlich sieht es bei Franz-Josef Lersch-Mense aus, der für EUTOP für die Deutsche Post und Autobahn Tank+Rast tätig ist. Laut seines Eintrags bezieht sich seine Arbeit aber ebenfalls auf kein konkretes Regelungsvorhaben. Somit bleibt letztlich offen, ob die Einträge unvollständig sind oder es sich tatsächlich um andere Tätigkeiten im Auftrag der Deutschen Post und Autobahn Tank+Rast handelt, die sich nicht auf ein konkretes Regelungsvorhaben beziehen. Wobei sich durchaus die Frage stellt, wie das sauber voneinander abgegrenzt sein soll.

Unvollständig erscheint auch der Eintrag von Martin Dörmann/TKM Consulting. Dörmann ist für sieben EUTOP-Kunden tätig, darunter DocMorris und die Deutsche Telekom. Als konkrete Regelungsvorhaben sind aber offenbar wieder nur diejenigen benannt, die sich aus dem Auftrag von Edeka ergeben. Zwar nennt Dörmann unter „Interessenbereiche“ die für DocMorris und Telekom relevanten Bereiche wie „Arzneimittel“, „Cybersicherheit“ und „Datenschutz und Informationssicherheit“. Die konkreten Regelungsvorhaben wie im Fall von DocMorris die Apothekenbetriebsverordnung findet sich bei Dörmann aber eben nicht.

Die Liste an Beispielen ließe sich noch länger fortsetzen.

EUTOP-Lobbyist:innen ohne Auftrag

In eine andere Kategorie fallen diejenigen ehemaligen Politiker:innen, die im Lobbyregister selbst angeben, für EUTOP tätig zu sein, aber bei den EUTOP-Agenturen nirgends als Unterauftragnehmer benannt sind. Hier zu nennen sind unter anderem:

  • der ehemalige einflussreiche SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs mit seiner Beratungsfirma Duckdalben Consulting
  • der ehemalige Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen Bundestagsfraktion Volker Beck, im Register eingetragen mit seinem Beratungsunternehmen N.N.
  • der ehemalige Koordinator der Nachrichtendienste des Bundes im Bundeskanzleramt Günter Heiß
  • der ehemalige EU-Abgeordnete (CDU) Karl Heinz Florenz

Johannes Kahrs gibt beispielsweise an, für EUTOP unter anderem in den Bereichen Arzneimittel, Automobilwirtschaft, Digitalisierung, Energienetze, Steuern und Abgaben und Rüstungsangelegenheiten unterwegs zu sein. Das würde eine Tätigkeit im Auftrag von EUTOP-Kunden wie DocMorris, BMW, Deutsche Telekom oder KNDS (ehemals Krauss-Maffei Wegmann) nahelegen. Doch laut den Angaben von EUTOP ist Kahrs bzw. Duckdalben Consulting für keinen dieser Kunden als Unterauftragnehmer eingesetzt.

Auffällig ist auch, dass Kahrs laut Register zwischen 100.000 und 150.000 Euro im Jahr 2023 von EUTOP Europe erhalten hat. Das macht es noch fragwürdiger, dass er dort nirgends als Unterauftragnehmer auftaucht.

Irreführende Lobbyregister-Angaben

Volker Beck gibt dagegen an, gleich in allen möglichen Interessenbereichen von „Allgemeine Energiepolitik“ bis „Zivilrecht“ im Auftrag von EUTOP tätig zu sein. Dazu gehören dann auch Bereiche, in denen EUTOP selbst sicher keinen Auftrag hat, wie „Vorschulische Bildung“ oder „Breitensport“. Bei EUTOP selbst taucht Beck ebenfalls nirgends auf. Was soll der Eintrag also? Gibt es eine vertragliche Beziehung zwischen Beck und EUTOP? Oder nicht?

Solche Einträge sorgen nicht für Klarheit, sondern erscheinen irreführend. Gerade ehemalige hochrangige Politiker:innen und Amtsträger:innen sollten Transparenz bei ihren Lobbytätigkeiten ernst nehmen, statt verwirrende und am Ende verschleiernde Einträge im Lobbyregister zu hinterlassen. EUTOP muss sich zudem fragen lassen, warum Kahrs, Beck und Co. angeben, in ihrem Auftrag unterwegs zu sein, obwohl das nach EUTOP-Angaben nicht der Fall ist.

Fazit

Es lässt sich feststellen, dass wir im verschärften Lobbyregister deutlich mehr darüber erfahren, welche Lobbyist:innen in wessen Auftrag auf welche Gesetzesvorhaben einwirken wollen. Allerdings zeigt sich auch, dass bereits jetzt Informationen ausgelassen oder Angaben vage formuliert werden. Entsprechend finden sich alleine in den Einträgen des EUTOP-Firmengeflechts viele Lücken und widersprüchliche Angaben. Das zeigt, wie wichtig die Kontrolle und Durchsetzung des Registers ist. Gerade bei den Lobbyagenturen sollte die Bundestagsverwaltung genau hinsehen und früh durchgreifen, damit zentrale Informationen auch wirklich im Register angegeben werden. Ist das aber der Fall, ist die Lobby-Transparenz in Deutschland durch das Register wirklich ein großes Stück vorangekommen.

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