Mit einem Marktanteil von 56% am Onlinehandel hat Amazon in Deutschland eine Machtstellung erreicht, an der weder Kund:innen noch Händler:innen einfach vorbeikommen, wie eine kürzlich von SOMO veröffentlichte Studie zeigt. Zum Vergleich: Die großen Konkurrenten von Amazon wie Zalando, About You oder Otto haben gemeinsam einen Marktanteil von 11%. Alle anderen Online-Shops teilen sich die restlichen 33%.
Die Folgen dieser Monopolmacht sehen wir überall: Beschäftigte auf der ganzen Welt kämpfen gegen schlechte Arbeitsbedingungen in den Amazon-Logistikzentren. Händler:innen sind von Amazon abhängig und werden durch immer höhere Gebühren ausgebeutet. Der Konzern vermeidet trotz hoher Gewinne Steuern.
Amazon nutzt Monopolmacht für politischen Einfluss
Dass der Konzern seine Monopolmacht auch für politischen Einfluss nutzt, sehen wir ganz konkret nicht nur in den USA, sondern auch in Brüssel. Mithilfe seiner immensen Ressourcen wehrt sich der Konzern hier gegen strengere Regulierungen. Für die EU konnten wir in unserer Studie über die Lobbymacht von Big Tech zeigen, wie Amazon, Google und Co zum Beispiel mit diversen Treffen bei der Europäischen Kommission gegen den Digital Markets Act lobbyiert haben.
Auch in Deutschland lobbyiert Amazon aktiv für seine Interessen. Das sehen wir anhand der enormen Lobbyausgaben: Mehr als 2 Millionen Euro gibt der Konzern für direkte Lobbyarbeit aus. Doch wofür? In jüngster Vergangenheit gab es nur wenige Spuren dieser Lobbyaktivitäten, Amazon bleibt unter dem Radar der Öffentlichkeit. Wir zeichnen mithilfe des Lobbyregisters ein erstes Bild der Lobbystrategie des Tech-Konzerns.
Amazons Lobbyausgaben
Im Jahr 2022 hat Amazon Deutschland rund 1.430.001 Millionen Euro für Lobbyarbeit ausgegeben und 19 Lobbyist:innen beschäftigt. Damit gehört Amazon zu den obersten 3% der Unternehmen mit den höchsten Lobbyausgaben im gesamten Lobbyregister (Stand: 06.07.23).
Der Konzern ist aber nicht nur mit Amazon Deutschland im Lobbyregister vertreten. Daneben gibt es Amazon Web Services (AWS), das das Cloudgeschäft des Tech-Konzerns betreibt, und das Streaming-Portal Twitch , das 2014 von Amazon aufgekauft wurde. Mit den Angaben aller drei Unternehmen, gibt Amazon insgesamt 2.410.003 Euro für Lobbyarbeit aus und beschäftigt 33 Lobbyist:innen.
Amazon an der Spitze der E-Commerce Händler
Um die Lobbyausgaben von Amazon branchenintern zu vergleichen, haben wir uns andere e-Commerce Größen angeschaut: Neben Amazon dominiert Otto den Onlinehandel in Deutschland, dicht gefolgt von Mediamarkt, Zalando und Ikea. Gleichzeitig ist der Umsatz von Amazon mehr als dreimal so hoch wie der von Otto als Zweitplatziertem.
Ähnliche Ungleichgewichte zeigen sich beim Vergleich der Lobbyausgaben. Auch hier dominiert Amazon mit seinen enorm hohen Lobbyausgaben im Gegensatz zu Otto, die 380.001€ ausgeben, oder auch der Ceconomy AG, zu der Mediamarkt und Saturn gehören. Damit gehört Amazon nicht nur im Gesamtvergleich, sondern auch im Vergleich zu seinen Konkurrenten zu den Spitzenreitern des Lobbyregisters.
Ein breites Netzwerk an Mitgliedschaften
Mit insgesamt 39 Mitgliedschaften in 35 verschiedenen Verbänden, Initiativen und Netzwerken kann Amazon seine Interessen über ein breites Lobbynetzwerk vermitteln. Durch seine Tochtergesellschaften ist Amazon in einigen Verbänden sogar mehrmals vertreten, wie beispielsweise im Branchenverband Bitkom, deren Mitgliedschaft Amazon Deutschland, AWS und Twitch jeweils angeben. Ebenfalls zweimal vertreten ist Amazon im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) und dem Verband der Games-Branche (game).
Weitere große Lobbyverbände, in denen Amazon Deutschland Mitglied ist, sind der Handelsverband Deutschland (HDE) und ZVEI, der die Interessen der Elektro- und Digitalindustrie vertritt. Die Lobbyausgaben der gelisteten Verbände können nicht direkt Amazon zugerechnet werden, da die Verbände nicht die Interessen einzelner Unternehmen vertreten. Es lässt sich aber erkennen, mit welchen großen Lobby-Akteuren Amazon vernetzt ist.
Neben den Branchenverbänden ist Amazon Mitglied in drei parteinahen Wirtschaftsvereinigungen: dem Wirtschaftsrat der CDU, dem Wirtschaftsforum der SPD und dem Grünen Wirtschaftsdialog. Wie wir in der Vergangenheit berichteten, verschaffen diese Verbände Unternehmen privilegierte Zugänge zur jeweiligen Partei.
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Ähnlich lässt sich die Mitgliedschaft in der Initiative „Marktoffensive Erneuerbare Energien“ der deutschen Energie-Agentur (DENA) bewerten: Die DENA berät als bundeseigenes Unternehmen das Bundeswirtschaftsministerium in energiepolitischen Fragen und fungiert damit als Lobbykanal direkt in das Ministerium. Zuletzt wurde die DENA von uns aufgrund ihrer einseitigen Nähe zu Unternehmen kritisiert.
Es lässt sich festhalten, dass Amazon auch in Deutschland in einflussreichen Verbänden organisiert ist, die selbst große Lobby-Akteure sind oder im Falle der parteinahen Wirtschaftsvereinigungen, dem Konzern privilegierte Zugänge zu Parteien verschaffen können. Insgesamt verfügt Amazon damit über ein breit aufgestelltes Lobby-Netzwerk.
Lobby-Agenturen im Auftrag von Amazon
Neben den Mitgliedschaften beauftragt Amazon verschiedene Agenturen, die für den Konzern Lobbyarbeit betreiben. Im Lobbyregister müssen Akteure ihre Auftraggeber angeben, deshalb konnten wir die Agenturen identifizieren, die in Deutschland für Amazon lobbyieren. Dazu gehören die SUB Erste Lesung , 365 Sherpas, BCW, ALP und FGS Global.
Aufsummiert verfügen diese Agenturen über ein Lobby-Budget von 3.040.005 € Euro. Diese Zahlen sind weniger aufschlussreich, da die Agenturen die Höhe der Aufträge nicht angeben müssen und sie neben Amazon noch zahlreiche weitere Unternehmen vertreten. In dem Entwurf zur Reform des Lobbyregistergesetzes ist zudem vorgesehen, dass Lobbydienstleister ihre Aufträge nach Art und Finanzvolumen aufschlüsseln müssen. In Zukunft sollte also genauer möglich sein, nachzuvollziehen welche Summen Amazon in Lobbyagenturen investiert.
Erweiterte Lobbyarbeit
Die Angaben zu Lobbyausgaben und zum Lobbynetzwerk von Amazon im deutschen Lobbyregister zeigen nur einen Ausschnitt der Lobbyaktivitäten von Amazon in Deutschland insgesamt:
Bereits Ende letzten Jahres berichteten wir über eine millionenschwere Imagekampagne von Amazon. Die Ausgaben für diese Werbung übersteigen die Ausgaben für direkte Lobbyarbeit bei weitem. Nach unseren Berechnungen hat Amazon für seine Imagekampagnen im Jahr 2021 insgesamt Zeitungsanzeigen im Wert von 8,1 Millionen Euro (Bruttowerbekosten) geschaltet.
Auch die von uns berechneten 8,1 Mio. Euro sind nur ein Ausschnitt, da sich unsere Recherche auf Printwerbung beschränkt. Hinzu kommt teure TV-Werbung und Anzeigen in den Sozialen Medien wie Twitter, Instagram und Youtube. Insgesamt dürften die Ausgaben von Amazon für diese erweiterte Lobbyarbeit noch deutlich höher liegen.
Das Kalkül von Amazon ist dabei klar: Mit einem positiven Image und Zustimmung in der Bevölkerung lässt sich die Politik leichter für die eigenen Interessen gewinnen. Gleichzeitig sollen Politik und Öffentlichkeit davon überzeugt werden, dass kein Handlungsbedarf etwa bei Arbeitsbedingungen oder Umweltschutz besteht. Solche Reputationskampagnen sind also durchaus als Teil der Lobbystrategie des Unternehmens zu werten.
Zu der erweiterten Lobbyarbeit von Amazon können auch andere Aktivitäten wie Schulwettbewerbe zählen, mit denen sich der Konzern vor Ort einen besseren Ruf verschaffen will. Bereits 2016 wurde ein entsprechender Wettbewerb nach Kritik von uns in mehreren Bundesländern verboten und dann eingestellt.
Lobbyarbeit auf lokaler Ebene
Besonderes Augenmerk hat Amazon in den letzten Jahren auf den Ausbau seiner Infrastruktur gelegt. Mittlerweile gibt es allein in Deutschland 70 Verteilzentren und 20 Logistikzentren. Tendenz weiter steigend. Immer wieder regt sich Protest gegen den Neubau dieser Amazon-Standorte. Zuletzt hatte der BUND NRW im März 2023 Klage gegen ein Bau-Projekt in Horn-Bad Meinberg eingereicht. PR und Lobbyaktivitäten von Amazon, die auf lokaler Ebene im Rahmen der aufwändigen Genehmigungsverfahren stattfinden, werden im deutschen Lobbyregister nicht erfasst.
Ein genauer Blick ins Lobbyregister zeigt, dass Amazon mit mehr als 2 Millionen Euro Lobbyausgaben und einem breiten Lobbynetzwerk ein mächtiger Lobbyakteur in Deutschland ist. Und damit deutlich besser aufgestellt ist, als andere Online-Händler wie Otto oder Zalando.
Gleichzeitig bildet das Lobbyregister nur einen Teil des Bildes seiner Lobbymacht ab. Denn der Konzern gibt viel Geld für teure Imagewerbung aus und es ist davon auszugehen, dass viele Ressourcen in den Ausbau der Logistikinfrastruktur vor Ort geflossen sind.
Ein mächtiger Lobbyakteur betreibt Lobbyarbeit unter dem Radar
Auffällig ist, dass Amazon trotz dieser hohen Aufwendungen mit seiner direkten Lobbyarbeit weitgehend unter dem Radar bleibt. Nur wenige Aktivitäten wurden in der jüngeren Vergangenheit in Deutschland sichtbar, wie etwa die schriftlichen Änderungsvorschläge zum Digital Markets Act, die von Amazon ans BMWK und ans Kanzleramt verschickt wurden. Oder das hochkarätige Treffen zwischen Olaf Scholz und dem CEO von Amazon Andy Jassy im Oktober 2022 im Bundeskanzleramt.
Wir werden die Lobbyarbeit von Amazon daher im Blick behalten, um das Bild der Lobbyarbeit von Amazon zu vervollständigen und weitere Geschichten ans Licht zu holen.
Amazons Monopolstellung und seine negativen Auswirkungen haben Regulierungsbehörden weltweit alarmiert. Die EU hat mit dem Digital Markets Act (DMA) ein Instrument geschaffen, mit dem große Plattformen wie Amazon stärker reguliert werden sollen. Auch in Deutschland hat das Bundeskartellamt aufgrund Amazons Marktmacht zwei Verfahren gegen den Konzern eingeleitet. Zuletzt wehrte sich Amazon mit einer Klage gegen die Einstufung als Unternehmen mit „überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb“, aufgrund derer das Bundeskartellamt härtere Maßnahmen gegen Amazon verhängen kann.
Methodischer Hinweis: Die Lobbyausgaben sind im deutschen Lobbyregister in 10.000er Spannen angegeben. Bei der Analyse haben wir deshalb immer den unteren Wert der jeweils angegebenen Ausgabenspanne und für die niedrigste Kategorie 0-10.000€ den Mittelwert verwendet. Bei der Anzahl der Lobbyist:innen haben wir den exakten Wert der aufgelisteten Personen genommen.