Elon Musk hat nach eigenen Angaben Twitter gekauft, um der Menschheit zu helfen. Was für eine Vermessenheit. Denn während sich Elon Musk als Retter der Zivilisation inszeniert, stellt die Übernahme von Twitter eine Gefahr für eben jene Meinungsfreiheit dar, die er zu retten vorgibt.
Über die wahren Gründe dieses chaotisch verlaufenen Kaufs von Twitter kann nur spekuliert werden. Fest steht jedoch, dass Musk seine gesellschaftliche Macht durch die Übernahme von Twitter deutlich ausgebaut hat.
Dabei war sie schon vor dem Kauf von Twitter nicht klein: Die NASA ist ebenso auf Musks Unternehmen SpaceX angewiesen, um seine Astronauten ins All zu schicken, wie das ukrainische Militär auf die Bereitstellung des Satellitennetzwerks Starlink, das zu SpaceX gehört. Musk kontrolliert damit entscheidende Bereiche von kritischer Infrastruktur. Ganz zu schweigen von der großen Bedeutung seines Teslakonzerns für die Zukunft der Mobilität.
Gefahr für die Demokratie
Durch den zusätzlichen Kauf von Twitter hat Musk jetzt jedoch seinen Einfluss auf einen Bereich ausgeweitet, der für das Funktionieren von Demokratie und Politik von zentraler Bedeutung ist: die Verbreitung von Informationen und das Führen öffentlicher Debatten.
Der Kauf ist ein weiteres Beispiel dafür, dass die große Bedeutung der Internetplattformen dazu führt, dass sich gesellschaftliche Macht in den Händen einiger weniger konzentriert. Der Rahmen für Diskussionen über Fragen mit großer gesellschaftlicher Relevanz und Reichweite wird maßgeblich von wenigen Personen wie Mark Zuckerberg und jetzt auch Elon Musk entschieden. Sie kaufen sich ihren gesellschaftspolitischen Einfluss über Aktienanteile. Diese käufliche Machtfülle ist mit dem demokratischen Grundgedanken, dass jede Stimme gleich viel zählt, nicht vereinbar. Gesellschaftliche Macht darf nicht vom Geldbeutel abhängen.
Superreiche nutzen Konzerne für gesellschaftlichen Einfluss
Die große Macht von Konzernen verringert zudem die Handlungsfähigkeit der Politik. Konzerne können sich leichter dagegen wehren, dass Regulierung durchgesetzt wird, etwa über schier unbegrenzte Ressourcen für Lobbyarbeit und Rechtsanwälte, aber auch über ein Rechtssystem, das vielfach die Interessen von Konzernen bevorzugt. Superreiche Einzelpersonen nutzen dabei Konzerne oftmals als Vehikel für ihren gesellschaftlichen Einfluss. Ein Großteil des Vermögens der Superreichen weltweit ist in Unternehmensaktien angelegt oder in Steueroasen geparkt, wie der Starökonom Thomas Piketty in seinem Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ nachzeichnet.
Gemeinwohlinteressen, die bisweilen den Profitinteressen der mächtigen Unternehmen entgegenstehen, sind daher oft schwer oder nur sehr langsam durchsetzbar – im digitalen Zeitalter häufig deutlich zu langsam, um mit den gesellschaftspolitischen Veränderungen Schritt zu halten. Die Handlungsfähigkeit der Politik wird so eingeschränkt und unausgewogener und führt dazu, dass das Vertrauen in die Demokratie sinkt. Ein gefährlicher Teufelskreis, der die Wahrscheinlichkeit für autokratische Regime wachsen lässt.
Digitalmarkt-Regeln bei Twitter durchsetzen
Zwar hat der für den Binnenmarkt zuständige EU-Kommissar Thierry Breton mit Blick auf den Digital Services Act (DSA) betont, dass sich Twitter in Europa an die Regeln halten muss. Doch ob Twitter tatsächlich in den Geltungsbereich fällt, ist aktuell noch offen. Wir werden darauf gegenüber der EU-Kommission drängen. Hinzu kommt, dass die EU die neuen Regeln für Digitalkonzerne dann auch konsequent und zeitnah durchsetzen muss. Auch daran gibt es aufgrund der begrenzten Ressourcen begründete Zweifel. Hier haben wir alle als kritische Öffentlichkeit die Aufgabe, auf die Durchsetzung von Gesetzen zu achten und diese notfalls gerichtlich einzuklagen.
Gleichwohl ist nur allzu verständlich, dass sich viele nach Alternativen zu Twitter umschauen und die Zahl der Nutzer:innen bei Mastodon in die Höhe geht. Auch bei LobbyControl stellen wir uns die Frage, wie wir mit der Übernahme von Twitter umgehen sollen. Twitter ist für uns seit vielen Jahren ein wichtiger Kommunikationskanal. Bei einem so wichtigen Kanal von den Launen Musks abhängig zu sein, bereitet uns großes Unbehagen. Auch wir schauen uns daher nach Alternativen um.
Zeit, die Konzernmacht wirksam zu begrenzen
Gegen die Machtfülle der Milliardäre aus dem Silicon Valley scheint kein Kraut gewachsen zu sein. Doch während diese ihre Macht kontinuierlich ausbauen, regt sich weltweit zunehmend Widerstand. Insbesondere in den Vereinigten Staaten gibt es eine größere Bewegung gegen private Machtkonzentration, die aktuell die US-Internetkonzerne in den Blick nimmt.
Der große Machtzuwachs dieser Konzerne beruht ganz wesentlich auf einer Vielzahl von Übernahmen. Nötig ist daher eine bessere Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, der sogenannten Fusionskontrolle. Dabei darf das Kartellrecht nicht nur auf Verbrauchspreise und Wettbewerb schauen, sondern es muss auch den Einfluss auf Politik und Gesellschaft im Blick haben. Ursprünglich war diese Machtfrage im Zentrum der Fusionskontrolle, sie sollte wieder der Ausgangspunkt werden, um darüber Wirtschaft und damit Gesellschaft zu demokratisieren. Hier müssen dafür neue Kriterien für die Bewertung von Marktmacht her, die dem Internetzeitalter gerecht werden.
Plattformen entflechten
Gleichzeitig müssen die problematischen Fusionen der Vergangenheit wieder rückgängig gemacht werden. Um den Schaden dieser Machtkonzentration auf die Demokratie abzuwenden, braucht es daher die Möglichkeit, mächtige Plattformen zu entflechten. Im EU-Recht ist Entflechtung bisher nur als allerletzte Möglichkeit vorgesehen. Die Bundesregierung hingegen will mit ihrer Kartellrechtsverschärfung die Möglichkeit zur Entflechtung von übermächtigen Konzernen erleichtern.
Nötig sind außerdem bessere Regeln, vor allem für die großen Digitalkonzerne, um den Machtmissbrauch durch die Plattformen zu begrenzen und sie stärker für Konkurrenten zu öffnen. Mit dem Digital Markets Act und dem Digital Services Act hat die EU hier bereits zwei wichtige Gesetze auf den Weg gebracht. Ob diese wirken werden, wird erst die Durchsetzung der Regeln zeigen. Außerdem sind weitere Regeln nötig, etwa eine deutliche Einschränkung von Überwachungswerbung.
Mehr wirksame Lobbykontrolle gegen Marktmacht
Marktmacht und Lobbymacht verstärken sich gegenseitig und sind damit zwei Seiten derselben Medaille: Wächst die Marktmacht, steigt auch die Lobbymacht - und umgekehrt. Wirksame Lobbykontrolle und Regeln sind daher ein weiterer wichtiger Baustein, um die Macht der Superreichen dieser Welt zu begrenzen.
Gegen die Machtfülle einzelner Personen oder Konzerne gibt es jedoch keine „silver bullet“. Eine einzelne Maßnahme wird nicht ausreichen, um deren Macht zu begrenzen. Egal wie gut sie durchgesetzt wird. Daher müssen wir es schaffen, die unterschiedlichen Maßnahmen und Ansätze wirksam miteinander zu verknüpfen. Dann können sie sich ergänzen und gegenseitig verstärken. So können wir den mächtigen Konzernen Paroli bieten und verhindern, dass diese mit ihrer Macht die Demokratie aushebeln.
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