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Antwort auf eine IFG-Anfrage an die Bundesregierung: Viel zu entnehmen ist dieser nicht.
Macht der Digitalkonzerne

Wie Lobbyismus den Ausschluss von Huawei beim Mobilfunk-Ausbau verzögerte

Gemeinsame Recherche von ZDF, FragDenStaat und LobbyControl zeigt: Der Lobbyeinfluss von Huawei, Telekom und anderen Netzbetreibern auf die Bundesregierung hat den Ausschluss chinesischer Netzbetreiber jahrelang verzögert, trotz sicherheitspolitischer Bedenken.

von 31. Juli 2024

Insgesamt verhielt sich die Bundesregierung äußerst intransparent bei dem Thema: Erst durch kleine Anfragen der CDU/CSU-Fraktion und der FDP-Fraktion zwischen 2019 und 2023 zu Lobbytreffen zum Thema Huawei, ZTE und 5G bekamen wir einen ersten Einblick davon, wie häufig sich Vertreter:innen von Netzbetreibern und von Huawei mit hochrangigen Vertreter:innen der Bundesregierung trafen, um über die Frage des Ausschlusses chinesischer Hersteller zu sprechen.

Lobbyismus von Telekom und Huawei beim 5G-Netzausbau

Zahlreiche Treffen fanden auf höchster Ebene mit Minister:innen und Staatssekretär:innen statt. Treffen gab es mit dem Digitalministerium, dem Finanzministerium, dem Wirtschaftsministerium, hinauf bis zum Kanzleramt. Auch auf Lobbyseite war die Spitzenebene der CEO’s beteiligt. Das gilt für Huawei, vor allem aber auch für die Telekom: Der Vorstandsvorsitzende der Telekom, Timotheus Höttges, sprach vielfach zum Thema Huawei und 5G vor. Der Telekom-Konzern hat durch seinen 30-prozentigen Staatsanteil einen direkten Zugang zur Politik. Höttges fand so bei der damaligen Bundeskanzlerin Andrea Merkel ein offenes Ohr, wie Anfragen zeigen. Der Vorstandschef der Telekom wurde aber auch bei Wirtschaftsminister Robert Habeck und Digitalminister Volker Wissing vorstellig.

Telekom: Speerspitze der Lobbyarbeit

Auch öffentlich hielten sich die Netzbetreiber nicht mit Kritik an einem möglichen Ausschluss von Huawei zurück. Sie warnten vor jahrelangen Verzögerungen des 5G-Ausbaus und vor steigenden Kosten. Telekom und Telefonica drohten sogar mit rechtlichen Schritten gegen die Bundesregierung, als ein Ausschluss von Huawei und ZTE wahrscheinlicher wurde. Interessant dabei ist, dass die Telekom in den USA das Netz ebenfalls ausbaut – ohne dabei Komponenten chinesischer Hersteller zu nutzen, die dort bereits ausgeschlossen sind.

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Unzureichende Transparenz der Bundesregierung

Obwohl zahlreiche Treffen mit Minister:innen und Staatssekretär:innen stattfanden, legten die Ministerien deren Inhalt bedauerlicherweise nur in Einzelfällen offen. Das Digitalministerium und das Finanzministerium reagierten auf IFG-Anfragen mit größtenteils geschwärzten Dokumenten. Das Innenministerium verweigerte jegliche Offenlegung. Die Dokumente seien demnach als Verschlusssache eingestuft. Antworten von Kanzleramt, Wirtschaftsministerium und Auswärtigem Amt stehen immer noch aus, obwohl die Fristen längst abgelaufen sind.

Auf der Bremse: Digitalminister Wissing

Wie öffentlich bekannt ist, gehörte insbesondere Digitalminister Wissing zu den Bremsern beim Ausschluss chinesischer Hersteller. Noch im Dezember 2023, als das Innenministerium bereits einen konsequenten und schnellen Ausschluss aus sicherheitspolitischen Gründen forderte, stemmte Wissing sich dagegen . Mit Huawei und Telekom auf einer Linie vertrat er stets einen „technologie- und herstellerneutralen Ansatz,“ der einen Ausschluss chinesischer Hersteller nicht vorsah.

Auch das Digitalministerium legte auf unsere Anfragen hin nur wenige Informationen zu Lobbytreffen offen. Es verwies auf die „Auswirkungen auf die innere Sicherheit mit Blick auf 5G-Mobilfunknetze.“ Trotz der Schwärzungen finden sich zwei brisante Punkte in den Unterlagen.

Festlegung schon vor Prüfergebnis

In den Vorbereitungsunterlagen für ein Treffen mit Michael Yang, damals Huawei-Lobbyist in Berlin, am 29. März 2022 steht: „ein genereller Ausschluss eines Herstellers von Netzkomponenten vom Aufbau der 5G-Infrastruktur ist nicht vorgesehen.“ Das ist eine problematische Festlegung des Ministeriums zu einem Zeitpunkt, zu dem das gesetzlich verpflichtende Prüfverfahren für die Frage des Ausschlusses noch nicht einmal begonnen hatte.

Ebenfalls in den Vorbereitungsunterlagen finden sich Informationen zu einem brisanten Treffen von Wissings Staatssekretär Schnorr. Er traf sich noch Ende August 2023 mit dem Chef von Huawei Deutschland, Tommy Zhou, und dem Cheflobbyisten von Huawei, Ingobert Veith, in München, um die 6G-Prototypen in den Laboren des Konzerns anzuschauen. Zu einem Zeitpunkt also, als die Debatte um das sicherheitspolitische Risiko beim Einsatz von Komponenten chinesischer Hersteller längst entbrannt war, beschäftigte sich Schnorr bereits mit der nächsten Generation der Netzkomponenten von Huawei.

Vom russischen Gas zu chinesischen 5G-Komponenten

Seit 2019 wurde die Beteiligung von chinesischen Herstellern am 5G-Ausbau zunehmend kritisch diskutiert. Allen voran die USA, aber auch andere europäische Staaten wie Großbritannien und Frankreich, stiegen deutlich früher aus. Trotzdem entschied sich die Bundesregierung erst im Juli 2024 für einen schrittweisen Ausschluss bis 2029. Hier haben Huawei, Telekom und Co enormen Lobbydruck zugunsten einer weiteren Beteiligung chinesischer Hersteller gemacht, offenbar mit Erfolg.

Ein generelles Problem zeigt sich im Umgang mit chinesischen Herstellern beim 5G-Ausbau. Teile der Bundesregierung lassen sich offenbar von den Geschäftsinteressen deutscher Unternehmen leiten – in diesem Fall den Netzbetreibern – anstatt zentrale kritische Infrastruktur zu sichern. Mit Sorge beobachten wir, dass sich hier ein Muster wiederholt: Wie beim russischen Gas hörte die Bundesregierung zu lange auf die Interessen der deutschen Industrie, anstatt das Gemeinwohl in den Mittelpunkt zu stellen – und war am Ende abhängig von Putin.

Dass die Bundesregierung die Inhalte zahlreicher Lobbytreffen nicht offenlegt oder erst gar nicht reagiert, zeigt dass hier weiter Aufklärungsbedarf besteht. Wir werden Druck machen für Transparenz zu den Lobbyauseinandersetzungen um 5G.

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