Seit zwei Jahren gelten neue Transparenzregeln für die Abgeordneten im Bundestag. Die Volksvertreter/-innen müssen angeben, welchen Nebentätigkeiten sie parallel zu ihrem Mandat nachgehen und wie viel sie damit nebenher verdienen. LobbyControl hat nun in einer Studie (PDF) überprüft, ob diese Regeln ihren Zweck erfüllen – und musste feststellen, dass von Transparenz bisher leider nicht die Rede sein kann. Auch zu den Bundestagswahlen 2009 können wir als Wählerinnen und Wähler uns also kein umfassendes Bild von den Nebentätigkeiten unserer Abgeordneten machen.
Unsere Untersuchung zeigt erhebliche Mängel der Regelungen und ihrer Umsetzung auf: Die Stufen zur Angabe der Nebeneinkünfte sind zu grob, die Auftraggeber von Anwält/-innen und Unternehmensberater/-innen bleiben im Dunkeln, und die Verhaltensregeln werden nicht wirkungsvoll kontrolliert. Viele der Abgeordneten geben ihre Positionen in Präsidien, Kuratorien oder Beiräten von Interessengruppen nicht an. In unserer Stichprobe, bestehend aus einem Viertel aller Abgeordneten, geben 89,5% Nebentätigkeiten an, gut ein Drittel (33,6%) daraus auch Einkünfte. Es hat sich aber gezeigt, dass diese Angaben nicht vollständig sind und Lücken aufweisen.
Die wichtigsten Kritkpunkte im Einzelnen:
Kontrolle und Sanktionen fehlen:
Angaben der Abgeordneten werden kaum kontrolliert. Bei Verstößen verzichtet Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) regelmäßig auf ernsthafte Sanktionen. Nach unseren
Informationen wertet die Bundestagsverwaltung es lediglich als „verzögerte Meldung“ und spricht eine nicht-öffentliche Ermahnung aus, wenn Abgeordnete einzelne Nebentätigkeiten verschwiegen haben und dies nachträglich ans Licht kommt. Die Zahl der bisherigen Ermahnungen hält die Bundestagsverwaltung ebenso geheim wie die Zahl der verhängten Ordnungsgelder. Sie schützt so die Abgeordneten vor ernsthaften Konsequenzen, wenn sie Nebentätigkeiten verbergen. Damit unterhöhlt sie die Transparenzregeln und trägt zum lückenhaften Meldeverhalten der Abgeordneten bei.
Transparenz sieht anders aus!
Aber auch die Regeln selbst sind mangelhaft. So müssen etwa die Einkünfte nur in drei Stufen angegeben werden: von 1000 bis 3500 Euro (Stufe 1), zwischen 3500 und 7000 Euro (Stufe 2) und über 7.000 Euro (Stufe 3). Die letzte Stufe ist nach oben offen — egal ob es sich um monatliche, jährliche oder einmalige Einkünfte handelt. Ob Abgeordnete ein Honorar von 7.001 oder 70.000 oder 700.000 Euro erhalten, ist also nicht unterscheidbar. Transparenz sieht anders aus! Gerade bei Nebeneinkünften, die höher als die monatlichen Diäten der Abgeordneten sind, muss klar sein, wie viel Geld tatsächlich fließt.
Schwache Umsetzung bevorzugt Anwälte
Anwälte und Berater profitieren besonders von der schwachen Umsetzung der Verhaltensregeln. So fordert der Bundestagspräsident von den Anwält/-innen nicht einmal Branchenangaben ihrer Klienten und gesteht auch Berater/-innen Verschwiegensheitsrechte zu, obwohl die Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages etwas anderes vorsehen. Der Bundestagspräsident stellt manchem transparenz-unwilligen Abgeordneten damit einen Freibrief aus. Es könnte zum Beispiel sein, dass ein Abgeordneter im Finanzausschuss des Bundestages sitzt und nebenher als Anwalt einen Kunden aus der Finanzbranche berät, der von seinen Entscheidungen als Abgeordneter direkt betroffen ist. Die Öffentlichkeit, und damit auch seine Wähler/-innen, würden das nicht erfahren.
Auch wenn zu begrüßen ist, dass mit den neuen Regeln ein erster Schritt zu mehr Transparenz gemacht wurde: Eine Überarbeitung ist dringend nötig.
Wir fordern insbesondere:
- die Stufen für Nebeneinkünfte zu verfeinern und klarer zu gestalten;
- Schlupflöcher für Anwält/-innen und Unternehmensberater/-innen zu schließen;
- die Angaben effektiv zu kontrollieren und Verstöße deutlich und öffentlich zu sanktionieren.
Nur so haben Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit zu erfahren, ob Abgeordnete neben dem Mandat für Stiftungen, Vereine oder Unternehmen tätig sind und ob sie neben der Abgeordneten-Diät weitere Zahlungen erhalten, die sie in ihren Entscheidungen und Handlungen als Volksvertreter beeinflussen könnten.
Neben diesen direkten Nachbesserungen an den Verhaltensregeln gibt es weitere Maßnahmen, die in diesem Kontext für mehr Transparenz und klare Regeln sorgen würden. Dazu gehört ein verpflichtendes Lobbyregister, in dem alle Lobbyisten ihre Kunden und Lobbybudgets offen legen müssen. Dies würde auch helfen, Interessenkonflikte von Abgeordneten sichtbar zu machen, wenn sie gleichzeitig als Lobbyisten tätig werden. Unterzeichnen Sie hier unseren Appell für ein Lobbyregister!
Hier finden Sie die ganze Studie (PDF) zum Nachlesen sowie die Pressemitteilung (pdf)
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