Seit 1.März können wir die Nebentätigkeiten der Abgeordneten des Deutschen Bundestags wieder auf der Bundestagshomepage einsehen, in groben Stufen sind auch ihre Nebeneinkünfte dort aufgeführt. Die im Jahr 2005 vom Bundestag verabschiedeten Transparenzregeln sehen dies vor, damit die Öffentlichkeit sich ein besseres Bild von eventuellen Abhängigkeiten und Verstrickungen von Abgeordneten machen kann. Laut einer aktuellen Analyse von dpa gehen im neuen Bundestag derzeit am häufigsten Abgeordnete von CDU und FDP Nebentätigkeiten nach.
Echte Transparenz bringen die neuen Regelungen aber nach wie vor nicht – LobbyControl hat dies im vergangenen Jahr in einer ausführlichen Studie gezeigt. Denn erstens sind die Angaben häufig lückenhaft, da die Bundestagsverwaltung offensichtlich kaum kontrolliert, ob ihre Regeln eingehalten werden, und auch keine Sanktionen ausspricht. Außerdem ist ab 7.000 Euro Schluss mit der Transparenz – die höchste Stufe beginnt hier und ist nach oben offen. Ein weiteres Problem stellen die zahlreichen Schlupflöcher dar: AnwältInnen und UnterenehmensberaterInnen müssen bisher keinerlei konkrete Angaben über ihre MandantInnen und KundInnen machen.
Allein in der Stichprobe von 152 Abgeordneten (25% der Abgeordneten), die wir noch in der letzten Legislaturperiode für unsere Studie genommen haben, finden sich 12 AnwältInnen und 4 UnternehmensberaterInnen, im neuen Parlament sind wir allein bei der FDP bereits auf 7 UnternehmensberaterInnen gestoßen. Keiner davon legt seine KundInnen und MandantInnen offen.
Warum nicht? Wer neben seinem Mandat weiterhin seiner Berufstätigkeit nachgehen will, so denken wir, muss damit leben, dass er anderen Transparenzkriterien unterworfen ist als normale Berufstätige. Sowohl RechtsanwältInnen als auch UnternehmensberaterInnen sind durchaus potenziell von einem Interessenkonflikt bedroht – was ist, wenn der Mandant oder die Kundin ein gut bezahlendes Großunternehmen ist und im Ausschuss des oder der betreffenden Abgeordneten über eine Regelung entschieden wird, die das Unternehmen betrifft? Hinzu kommt, dass größere Kanzleien heute zunehmend auch Lobbytätigkeiten übernehmen. Auch darüber müssen sie keine Auskunft geben. AnwältInnen können sich einfach grundsätzlich auf ihre gesetzliche Verschwiegenheitspflicht berufen. Auch Angaben über die Branchen, aus denen die MandantInnen kommen, müssen sie nicht machen. Dies schlagen zwar die Transparenzregeln vor – der Bundestagspräsident hat diese Vorgabe in seinen praktischen Ausführungsbestimmungen aber einfach unter den Tisch fallen lassen. Noch absurder wird es bei den UnternehmensberaterInnen, die ja keinen gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten unterliegen: Ihnen hat der Bundestagspräsident in den Ausführungsbestimmungen einen Freibrief zum Verschweigen seiner KundInnen eingeräumt, in dem auch vertragliche Verschwiegenheitspflichten geltend gemacht werden können.
Problematisch ist generell, dass gerade die PartnerInnen in den großen Kanzleien und Unternehmensberatungen (in denen potenziell auch die GroßkundInnen mit mit viel Budget zu finden sind) überhaupt keine Angaben über ihre KundInnen machen müssen. Ihnen wird zugestanden, dass gemeinschaftlich erzielte Einkünfte nicht angegeben werden müssen. Die Regelung, dass dies nur gelten soll, wenn der oder die Abgeordnete weder am Zustandekommen eines Vertrags mitgewirkt hat noch die danach geschuldete Tätigkeit persönlich ausübt, scheint ebenfalls in der Praxis keine Rolle zu spielen.
Als Ende vergangenen September das Bundesverwaltungsgericht sein Urteil über die Klage Schilys gegen die (erste und einzige) vom Bundestag verhängte Sanktion fällte, hat es dem Bundestag eine Hausaufgabe mitgegeben: Es hat ihn aufgefordert, die Transparenzregeln dahingehend zu ändern, dass auch SozietätsanwältInnen in die Transparenzregeln mit einbezogen werden müssen. Wir fordern den Bundestag auf, diese Forderung zügig umzusetzen, um gleiche Ausgangsbedingungen bei der Transparenz zu schaffen. Dabei sollten aber nicht nur Anwaltssozietäten einbezogen werden – das gleiche sollte auch für andere Abgeordnete gelten, die auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage (also in Form von rechtlichen Zusammenschlüssen) tätig sind – wie beispielsweise UnternehmensberaterInnen. Es gibt keinen Grund, warum diese keine Auskunft über ihre KundInnen geben sollten, wenn sie sie selbst betreuen. Generell sollte in unseren Augen noch einmal überprüft werden, ob die weite Geltung der gesetzlichen Schweigepflicht für alle MandantInnen (z.B. auch LobbykundInnen) nötig ist. Dabei sollten die Verschwiegenheitspflichten im Interesse der Transparenz von Abgeordneten eng ausgelegt werden.
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