Nebeneinkünfte

Strenz scheidet aus Europarat aus – offene Fragen bleiben

Heute hat der Bundestag eine neue Delegation für die parlamentarische Versammlung des Europarats gewählt. Nicht mehr dabei ist die CDU-Abgeordnete Karin Strenz. Sie hatte fragwürdige Zahlungen aus Aserbaidschan erhalten. Für LobbyControl ist Frau Strenz wegen Wählertäuschung und fragwürdigem Umgang mit Interessenkonflikten auch als Bundestagsabgeordnete nicht mehr tragbar.
von 18. Januar 2018

Heute hat der Bundestag eine neue Delegation für die parlamentarische Versammlung des Europarats gewählt. Nicht mehr dabei ist die CDU-Abgeordnete Karin Strenz. Sie hatte fragwürdige Zahlungen aus dem autoritär regierten Aserbaidschan erhalten. Auch der bisherige Leiter der deutschen Delegation, Axel Fischer (CDU), trat nicht wieder an. Ihm wurde eine zu zögerliche Reaktion auf Korruptionsvorwürfe im Europarat vorgeworfen. Aufgeklärt sind die Aserbaidschan-Verflechtungen in Deutschland damit noch lange nicht. Wenn die CDU die Vorwürfe gegen Frau Strenz für so relevant hält, dass sie ihr von einer Kandidatur abriet, sollte die Partei sich für weitere Aufklärung einsetzen.

Der Europarat ist eine wesentliche Institution zur Durchsetzung von Menschenrechten und demokratischen Normen in Europa. Aserbaidschan hat mit Geschenken und Geldzahlungen an aktive und ehemalige Politiker/-innen versucht, kritische Berichte im Europarat zu verhindern oder zu verwässern (Stichwort „Kaviardiplomatie“). Im September 2017 wurde bekannt, dass zwischen 2012 und 2014 mehr als 800.000 Euro an einen ehemaligen deutschen Bundestagsabgeordneten flossen, an Eduard Lintner (CSU). Über Lintners Firma Line M-Trade floss Geld an die aktive Abgeordnete Karin Strenz (CDU). Dabei steht der Verdacht der Abgeordnetenbestechung im Raum.

Fragwürdige Nähe: Karin Strenz überreicht Aserbaidschans Präsident Alijew ein Gastgeschenk. Screenshot: Report Mainz/ ARD von Screenshot www.azertag.az

Diese Fälle sind bisher kaum aufgearbeitet. Die bisherigen Erklärungen von Karin Strenz lassen zentrale Fragen offen und können Vorwürfe zu ihren Aserbaidschan-Verbindungen nicht entkräften. Wegen Wählertäuschung und fragwürdigem Umgang mit Interessenkonflikten ist Frau Strenz auch als Bundestagsabgeordnete nicht mehr tragbar. Hier ein Überblick über die Vorwürfe, offenen Fragen und Widersprüche:

1. Widersprüche rund um Line M-Trade

Hinsichtlich von Strenz angeblicher Beratungstätigkeit für Lintners Firma Line M-Trade bleiben weiter Fragen und Widersprüche. Strenz bestreitet, dass sie wusste, dass das Geld dafür aus Aserbaidschan kam. Eduard Lintner hatte dagegen der Süddeutschen Zeitung gesagt, dass Strenz seine Verbindung zu Aserbaidschan kannte. Strenz war bereits 2010 das erste Mal auf Einladung von Lintner in Aserbaidschan gewesen. Dass sie vier Jahre später Lintners enge Verbindung zu Aserbaidschan nicht gekannt haben mag, ist unplausibel.

Um dem Vorwurf eines Interessenkonflikts im Europarat zu begegnen, behauptet Karin Strenz zudem, dass ihre Tätigkeit sich nicht nur auf Aserbaidschan bezog, sondern auf den gesamten postsowjetischen Raum. Auch das ist fraglich und steht in Widerspruch zu Aussagen ihres Auftraggebers, Eduard Lintner.

2. Interessenkonflikt nicht entkräftet

Selbst wenn man Frau Strenz an diesen Punkten Glauben schenken sollte, bleibt ein Interessenkonflikt bestehen. Nach ihrer eigenen Erklärung hat Frau Strenz für Line M-Trade Kontakte zu deutschen Unternehmen vermittelt, die Interesse an wirtschaftlichen Engagements im postsowjetischen Raum hatten. Sie bestreitet explizit nicht, dass das auch Aserbaidschan umfasst. Auch aus ihrer Darstellung ergibt sich so ein kommerzielles Interesse von Frau Strenz, dass Aserbaidschan betrifft. Das hätte sie in der Interessensdeklaration beim Europarat angeben müssen. Somit kann Frau Strenz den Vorwurf eines Interessenkonflikts und der falschen Interessenserklärung auch mit ihrer eigenen Darstellung nicht entkräften.

3. Verhaltensregeln des Bundestags verletzt, Falschaussage vor der Wahl

Karin Strenz hat im November eingeräumt, dass sie ihre Beratertätigkeiten für den Aserbaidschan-Lobbyisten Eduard Lintner entgegen den Vorschriften mit etwa einjähriger Verspätung gemeldet habe. Dies steht im Widerspruch zu ihrer Erklärung kurz vor der Bundestagswahl, wonach sie „allen rechtlichen Transparenzanforderungen“ nachgekommen sei. Frau Strenz hat somit kurz vor der Wahl ihre Wählerinnen und Wähler getäuscht.

Dem NDR gegenüber sagte Frau Strenz dazu: ihr sei von der Bundestagsverwaltung bei der verspäteten Meldung kein Fristversäumnis vorgeworfen worden, „so dass ich überhaupt nicht darauf gekommen bin, dass die Anmeldung zu spät erfolgte“.

Das ist eine weitere Ausflucht, die nicht überzeugt. Es ist ihre Aufgabe als Abgeordnete, die geltenden Verhaltensregeln zu kennen. Vor der Wahl hat sie explizit behauptet, sie sei „allen rechtlichen Transparenzanforderungen“ nachgekommen. Dann kann sie sich danach nicht damit rausreden, dass sie nach acht Jahren im Bundestag die Verhaltensregeln für Abgeordnete nicht kannte und ihr niemand etwas gesagt habe.

4. Offene Fragen zu Extent GmbH

Frau Strenz hatte lange Zeit nichts zu der Firma Extent GmbH gesagt. Die Firma hatte sie mit einer Mitarbeiterin des Aserbaidschan-Lobbyisten Eduard Lintner im Februar 2015 gegründet. Auf wiederholte Nachfrage hat Frau Strenz in einer Erklärung an LobbyControl auch dabei einen potenziellen Interessenkonflikt eingeräumt (Strenz Antwort an LobbyControl 8.11.2017). Die Idee zu der Firma sei „nach der Erfahrung aus der zurückliegenden Beratungstätigkeit“ entstanden, also nach der Arbeit für Line M-Trade. Im April habe sie ihre Firmenanteile auf „Rat eines Freundes“ an ihren Mann übertragen. Zuvor, so Strenz, habe sich die Frage gestellt, ob sich diese Tätigkeit mit ihrer Funktion als Vorsitzende der Parlamentariergruppe Südkaukasus vereinbaren lasse.

Es ist absurd, dass Frau Strenz dieser Problematik angeblich aus dem Weg gehen wollte, in dem sie die Firmen-Anteile an ihren Mann übertrug. Damit bleibt der Interessenkonflikt ja in der Familie und wird keinesfalls gelöst. Außerdem bleibt die Frage, ob Frau Strenz tatsächlich nichts mehr mit der Firma zu tun hatte, wenn die Firma doch so nah an ihrer parlamentarischen Funktion lag. Frau Strenz verweist dabei auf die Import-Export-Erfahrung ihres Mannes. Aber dabei handelte es sich um einen Obst- und Gemüsehandel in der Frankfurter Großmarkthalle.

Fazit: Strenz Rücktritt als Abgeordnete wäre folgerichtig

LobbyControl hat bereits im November gefordert, dass Frau Strenz als Bundestagsabgeordnete zurücktritt. Denn durch ihre Täuschungsmanöver und den fragwürdigen Umgang mit Interessenkonflikten hat sie ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Dass Frau Strenz der neuen Delegation des Europarats nicht mehr angehört, kann weitere Konsequenzen und eine umfassende Aufklärung nicht ersetzen.

Es gibt keinen Grund, den Fall zu den Akten zu legen. Im Europarat selbst läuft eine Untersuchung, die bis Mitte April dauern soll. CDU und CSU haben bislang keine eigenständige Aufklärungsarbeit geleistet. Die Unionsfraktion verweist nur auf die Untersuchung im Europarat und die Prüfung der Bundestagsverwaltung. Diese prüft die verspätete Meldung der Nebeneinkünfte und die Frage, ob Frau Strenz auch ihre zeitweise Beteiligung an der Extent GmbH hätte melden müssen. Bislang ist kein Ergebnis bekannt.

Aus der Spitze der Unionsfraktion war bereits im November zu hören, man erwarte, dass Strenz und Fischer nicht wieder kandidierten. Wenn die CDU die Vorwürfe für so relevant hält, sollte sie auch selbst aufklären und Konsequenzen aus der Affäre ziehen. Dazu gehört auch eine bessere Lobbyregulierung in Deutschland. Wir brauchen Transparenzregeln für Lobyisten und eine bessere Kontrolle der Nebentätigkeiten von Abgeordneten.

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